Kapitel 27

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AMALIA

Ich hatte mich gerade etwas beruhigt, als die Tür aufging und Carla reinkam.
"Mamá, komm! Papá und du müsst dringend reden!", sagte sie aufgeregt, aber ich schüttelte den Kopf.
"Carla, ich hab dir doch gesagt, dass ich gerade noch etwas Abstand brauche. Ich kann jetzt nicht mit deinem Vater reden - noch nicht", wandte ich erschöpft ein, aber Carla zog mich trotzdem auf die Füße.
"Bitte, Mamá! Nur für fünf Minuten. Papá kann nicht raus, aber er hat dir etwas wirklich Wichtiges zu sagen!", bat sie energisch.
"Wenn dein Vater mich wirklich lieben würde, würde er herkommen und sich nicht verstecken! Es tut mir leid, amor, aber im Moment möchte ich wirklich noch ein bisschen hierbleiben", lehnte ich ab, worauf Carla Mamá hilfesuchend ansah. Meine Mutter stand auf und legte mir eine Hand auf die Schulter.
"Mi vida, du weißt genau, dass Bruno dich liebt. Na komm, gib dir einen Ruck! Er kann nicht raus, du weißt genau, wie sehr er dann hier im Dorf leiden müsste! Geh einen Schritt auf ihn zu, dann könnt ihr euch wieder versöhnen. Und ganz unschuldig warst du ja auch nicht an diesem Streit, oder?", wandte sie ein und sah mich ernst an, ich seufzte. Da hatte sie recht. Bruno und ich hatten beide Fehler gemacht und ich wusste genau, dass er nicht rauskommen würde, weil er zu große Angst hatte. Und das zurecht. Nachdem, was ihm als Kind und Jugendlicher passiert war, konnte ich verstehen, dass er jetzt erst recht nicht rauskommen wollte. Ich musste ihm helfen, also musste ich zu ihm kommen. Aber ich würde ihm nicht die ganze Arbeit abnehmen! Ich nickte schließlich.
"Ja, ist gut. Du hast ja recht, Mamá. Wir haben beide Fehler gemacht und wenn er mit mir reden will, dann muss ich auch auf ihn zugehen", gab ich ihr schließlich recht. "Ich komme später wieder, ja?"
"Mach das, amor. Und sag den Mädchen, dass sie ruhig mal wieder herkommen können", erwiderte sie, ich nickte und Carla zog mich prompt aus der Tür. Sie zog mich energisch zurück zu Casita und so eine Energie hatte ich noch nie an ihr gesehen. Sie war wirklich unser großes, perfektes Mädchen. Sie liebte diese Familie genauso sehr wie Bruno und sie würde alles tun, um sie zu beschützen. Dafür liebte ich meine Tochter. Sie hatte so viel von ihrem Vater geerbt! Es war keiner zuhause, als wir reinkamen und die Treppe hinaufliefen. Carla zog mich in den Geheimgang und rannte beinahe schon über die alten Holzbretter, die unheilvoll knackten, als wir darüberliefen. Mir fielen einige Risse an den Wänden auf, aber als ich an ihnen vorbei lief, schienen sie sich zu schließen. Hatten Bruno und ich bei unserem Streit unabsichtlich das Haus zerstört? Und besserten wir die Risse wieder aus, indem wir aufeinander zugingen? So wirkte es zumindest. Als wir an Brunos Tür ankamen, sah Carla mich an.
"Bereit, Mamá?", fragte sie nach, ich seufzte und nickte.
"Ja, bin ich", antwortete ich, also öffnete sie die Tür und zog mich mit sich in den Raum. Bruno saß traurig auf seinem Sessel und hielt eine Visionstafel in der Hand, auf die er beinahe schon wehmütig starrte, bevor er aufsah. Er sprang sofort von seinem Sessel auf, legte die Vision beiseite und kam zu mir, doch blieb wenige Schritte vor mir unsicher stehen, als wüsste er nicht, ob er näher kommen durfte. Carla ließ meine Hand los und machte vorsichtig einen Schritt zurück.
"Los, sprecht euch aus. Ich gebe euch ein bisschen Raum, ja? Ich bin in meinem Zimmer, wenn ihr mich brauchen solltet", meinte Carla und war dann auch schon aus dem Raum verschwunden. Ich wusste genau, dass sie uns zwar Raum geben wollte, aber mit Sicherheit vor der Tür stehen bleiben würde, um jedes gesprochene und gedachte Wort hören zu können. Unsicher sah ich Bruno an, der mich auch nur ansah. Keiner wusste so wirklich, was er sagen sollte, also würde ich das Eis brechen. Ich sah auf die Visionstafel.
"Was für eine Vision hast du da?", fragte ich nach, während mir mein Herz bis zum Hals schlug.
"Carla hat sie mir gebracht. Es ist unsere Vision, wie du im Hochzeitskleid auf mich zukommst. Ich liebe diese Vision, das weißt du doch", antwortete er und seufzte, bevor er die letzten Meter zwischen uns überbrückte und meine Hände nahm. "Es gibt keine Entschuldigung für das, was ich dir an den Kopf geworfen habe, Lia, aber es tut mir trotzdem unglaublich leid. Ich liebe dich und ich will dich nicht verlieren! Ich habe das alles nur aus dem Affekt gesagt und ich wollte nie, dass du gehst! Ich will dich für immer an meiner Seite haben, jede einzelne Sekunde lang! Bitte, glaub mir, dass ich dich liebe! Wenn ich könnte, würde ich unseren Streit ungeschehen machen, aber das kann ich leider nicht. Es gibt niemanden, den ich mehr liebe als dich! Wenn ich könnte, würde ich dich jeden Tag aufs Neue heiraten und das würde ich auch niemals bereuen! Du bist die Einzige in meinem Leben, die immer da war und ich will dich nicht verlieren! Bitte, Lia, verzeih mir!" Mir stiegen die Tränen in die Augen und mir schnürte sich die Kehle zu. Das war so süß, er war so unglaublich süß! Wie konnte ich ihm jetzt noch böse sein? Ich schlang meine Arme um ihn und umarmte ihn, während ich meinen Tränen freien Lauf ließ. Er erwiderte die Umarmung sofort und drückte mich an sich, während ich meinen Kopf in seinen weichen Locken vergrub.
"Ich verzeihe dir, mi vida! Ich liebe dich auch! Es tut mir leid, was ich zu dir gesagt habe und ich habe das auch nicht so gemeint! Ich war nur so... enttäuscht! Aber ich verstehe dich und ich hätte einfühlsamer sein sollen! Verzeih du mir bitte auch! Ich liebe dich und ich würde dich auch jederzeit wieder heiraten! Auch auf der Stelle! Und ich werde dich nie verlassen, versprochen!", erwiderte ich schluchzend, während meine Tränen auf seinen Poncho tropften. "Bitte, verzeih mir! Ich will dich nicht verlieren!" Er seufzte leise und gab mir einen Kuss auf die Haare.
"Ich verzeihe dir natürlich, mi corazón! Das ist gar keine Frage!", stimmte er schnell zu und schob mich vorsichtig wieder von sich weg. Er griff in die kleine Tasche seines Ponchos und holte meinen Ehering hervor, den er mir hinhielt. "Darf ich?" Ich nickte.
"Natürlich." Er nahm meine Hand und steckte mir den Ring wieder an, bevor er meine Hand und den Ring küsste.
"Ich liebe dich, mi vida. Wir werden uns nie trennen, das verspreche ich dir", sagte er und küsste mich, ich erwiderte den Kuss sofort und legte meine Arme um seine Schultern.
"Ich dir auch", flüsterte ich ihm leise zu, als wir uns kurz voneinander lösten. "Ich liebe dich. Und ich werde immer bei dir bleiben, versprochen."

Ich brauche dich, Bruno 5 - Verzweifelte Hoffnung Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt