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- Imke -

Geschafft...
Seufzend lehne ich mich in meinem Stuhl zurück und fahre mir mit beiden Händen durch meine schwarzen Haare, während ich gleichzeitig meinen Blick mit einem zufriedenen Lächeln über den Laptop vor mir auf dem Schreibtisch gleiten lasse.
Na, bitte...geht doch.
So viel zum Thema, ich bräuchte mindestens zwei Monate für das Manuskript.
Man sollte meinen, dass Dr. Kamp mich inzwischen eigentlich besser kennen sollte...obwohl...vielleicht hat er mir auch gerade deswegen das Manuskript gegeben...weil er mich eben besser kennt...
Mit einem weiteren Seufzen richte ich mich wieder in meinem Stuhl auf und rücke meine Brille ein Stück zurecht, um nach einem letzten prüfenden Überfliegen des finalen Manuskriptabsatzes zurück zum Anfang des Computerdokumentes zu scrollen.
Dabei taste ich blind nach meiner Kaffeetasse und nehme einen kleinen Schluck, nur um im nächsten Moment das Gesicht zu verziehen.
Wer auch immer das Gerücht in die Welt gesetzt hat, dass kalter Kaffee schön machen soll, kann nicht allzu viel davon konsumiert oder es überlebt haben...
Kopfschüttelnd stelle ich die Tasse zurück auf den Tisch und scrolle weiter, bis ich schließlich bei der ersten Dokumentenseite des übersetzten Manuskripts angelangt bin,wobei ich dessen Titel jedoch, wie vom Verlag gewünscht, nicht übersetzt habe.
Never Ending Love.
...eine niemals endende Liebe...
Wie von selbst verzieht sich mein Gesicht und nimmt zweifelnde Züge an, bevor ich erneut mit dem Kopf schüttle.
Auch wenn ich seit knapp vier Jahren für Dr. Kamp arbeite und regelmäßig Liebesromane jeglicher Art für seinen Verlag übersetze, habe ich diesen teilweise recht unrealistischen Handlungen in solchen Geschichten noch nie wirklich viel abgewinnen können.
Ich meine...eine niemals endende Liebe?
Nicht mal bei meiner Hochzeit mit Thomas habe ich geglaubt, dass unsere Liebe ewig hält. Wobei man in unserem Fall aber auch nicht wirklich von Liebe sprechen konnte.
Vielmehr von Freundschaft und von einem Versprechen, dass wir uns damals in den frühen Morgenstunden einer durchzechten Nacht und geprägt durch den reichlichen Alkoholeinfluss einer Studentenparty gaben, dass wir, sollten wir mit 30 Jahren beide noch ungebunden sein,
heiraten würden.
Die Jahre vergingen, unsere Freundschaft blieb bestehen und so kam es, dass Thomas mich an meinem 30. Geburtstag zum Essen ausführte und mich fragte, ob wir unser damaliges Versprechen nicht in die Tat umsetzen sollten.
Kurz darauf folgte die Hochzeit und meine eher ungeplante, aber dennoch mehr als erfreuliche Schwangerschaft, auch wenn Thomas und ich anfangs unsere Zweifel hatten, ob wir gleich mit zwei Kindern auf einmal fertig werden würden.
Aber auch das haben wir im Endeffekt sehr gut gemeistert.
Im Allgemeinen waren Thomas und ich immer ein gutes Team und es ist wahrscheinlich auch gerade unserer jahrelangen und immer noch bestehenden Freundschaft geschuldet, dass wir unsere Scheidung relativ gut und ohne großes Drama über die Bühne gebracht haben.
Dass Thomas sich in eine Arbeitskollegin verliebt hat, hat mich nicht sonderlich überrascht, zumal Pauline eine sehr liebe und unfassbar sympathische Frau ist und ich durchaus nachvollziehen konnte, dass Thomas Gefühle für sie entwickelt hat.
Er war schon immer mehr der Romantiker von uns beiden gewesen und würde wahrscheinlich an so etwas wie eine niemals endende Liebe glauben...im Gegensatz zu mir.
Vermutlich messe ich auch deshalb diesen Blind Dates keine allzu große Bedeutung bei...
Und abgesehen davon weiß ich immer noch nicht, warum Evelyn diesen lächerlichen Verkupplungsversuch für nötig hält.
Auch wenn sie Recht damit hat, dass es für mich in den letzten Jahren hauptsächlich die Arbeit und natürlich Mathis und Mathilda gegeben hat, habe ich mich nie darüber geärgert oder gar beschwert, dass ich dadurch keine Zeit habe, um
mich um eine Partnerschaft zu bemühen.
Ich meine, man benötigt doch auch schließlich keinen Partner, um glücklich zu sein.
Zumindest habe ich mich bislang nicht danach gesehnt...eigentlich noch nie, wenn ich ehrlich bin.
Ich hole tief Luft und schiebe meine Brille ein Stück auf der Nase höher, während ich immer noch auf den Manuskripttitel auf dem flimmernden Laptopbildschirm schaue.
Aber für einen Rückzieher ist es jetzt auch zu spät.
Zumal so etwas auch nicht meine Art wäre und Evelyn auch schon ihrer Patentochter Bescheid gesagt hat.
Ich gebe zu, dass ich zuerst ein wenig skeptisch gewesen bin, als Evelyn mir den Vorschlag gemacht hat, dass Tessa
auf Mathis und Mathilda aufpassen könnte.
Aber nachdem sie mir erzählt hat, dass Tessa schon früher oft auf ihre jüngeren Geschwister aufgepasst hat und zurzeit ihr Grundschullehramtsstudium absolviert, hat mich das dann doch ein wenig beruhigt.
Also mal sehen, ob sie es auch mit meinen zwei kleinen Energiebündeln aufnehmen kann...

- Tessa -

Mit klopfendem Herzen bleibe ich in einiger Entfernung vor dem blau gestrichenen Gebäude stehen, dessen Eingangstüren von einem breiten und fröhlich lachenden Regenbogen umspannt werden.
Okay...so weit, so gut.
Ich habe jetzt noch knapp zehn Minuten Zeit, um das Büro von Direktorin Falk zu finden und dann...
Prompt lässt mich das schrille Klingeln der Schulglocke zusammenzucken und kurz darauf aufseufzen, bevor ich mit schnellen...oder zumindest so schnellen Schritten, wie es mir die Absätze meiner Schuhe erlauben...über einen Teil des Schulhofs auf das Grundschulgebäude zu eile.
Wer weiß schließlich, wie lange ich brauchen werde, um das Büro der Schuldirektorin zu finden, wenn mir gleichzeitig eine halbe Armee an hüftgroßen Grundschulkindern
entgegenkommt?
Schon als ich die breite Eingangstür aufdrücke, quetschen sich die ersten beiden ungeduldigen Schüler mit Ranzen und Turnbeutel bewaffnet an mir vorbei und stürmen jubelnd nach
draußen ins Freie.
Kein Wunder.
Wenn nicht noch irgendwelche AGs anstehen, werden die meisten bestimmt um die Uhrzeit Schulschluss haben...
Während sich die große Eingangshalle nach und nach mit Schülern füllt, deren Kichern in dem großen Raum ordentlich widerhallt, schaue ich mich suchend nach einem Hinweisschild oder etwas ähnlichem um, das mich zum Büro der Schuldirektorin führen könnte.
Allerdings ohne Erfolg.
Na, ganz toll.
Nur mit Mühe schaffe ich es, ein Augenrollen zu unterdrücken und lasse meinen Blick stattdessen zwischen den drei Gängen hin und her wandern, die von der Eingangshalle aus abgehen.
Ich werde wahrscheinlich nur Zeit haben, um durch einen der drei Gänge zu gehen und nach dem Direktorinnenbüro zu suchen. Und wenn das der falsche Gang sein sollte...
„Aua!“
Ein plötzlicher Stoß in meine Seite, so als ob etwas gegen mich geprallt wäre, lässt mich aufkeuchen und im Anschluss nach unten sehen, wo ein kleiner Junge steht, der sich mit einer Hand über den Oberarm reibt und aus seinen grünen Augen zu mir hochsieht.
„Ich...äh...tut mir Leid“, stammelt der Junge und schenkt mir ein zerknirschtes Zahnlückenlächeln, als im nächsten Moment auch schon ein Mädchen in seinem Alter angelaufen
kommt und etwas außer Atem neben ihm stehen bleibt.
„Alles okay, Matti?“, fragt sie und schaut, nach einem kurzen Nicken des Jungen, mit ihren genauso grünen Augen ebenfalls zu mir hoch, „tschuldigung...ich...wir haben ein
Wettrennen gemacht und ich glaube, Matti hat Sie zu spät gesehen...“
„Ich kann das auch selber sagen, Thilda“, entgegnet Matti und schiebt trotzig die Unterlippe vor, während er sich immer noch über seinen Arm reibt.
Ein amüsiertes Lächeln breitet sich auf meinen Lippen aus und ich mache eine wegwerfende Handbewegung.
„Ach, ist nicht schlimm, ihr beiden. Das kann schon mal passieren. Aber passt das nächste Mal auf, sonst lauft ihr noch aus Versehen einen eurer Lehrer um.“
Ich zwinkere den beiden verschwörerisch zu, was Matti
aufkichern und Thilda die Augen verdrehen lässt.
„Ja, oder Direktorin Falk“, ergänzt sie und wirft Matti einen für ihr Alter recht tadelnden Blick zu, woraufhin nun Matti die Augen verdreht und ich überrascht aufhorche.
„Das ist voll lange her. Du bist echt schlimmer als Mama.“
„Und du bist selber Schuld, wenn du hier drin so schnell rumläufst.“
„Du wolltest doch ein Wettrennen!“
„Ja! Aber draußen! Nicht drinnen! Sonst kriegen wir wieder Ärger.“
„Ähm...“, setze ich an und räuspere mich, wodurch sich die Köpfe der beiden fast zeitgleich in meine Richtung drehen, „entschuldigt bitte, wenn ich eure...ähm...Diskussion
unterbreche, aber wisst ihr vielleicht, wie ich zum Büro von Direktorin Falk komme?“
„Ja, klar“, sagt Thilda und legt fragend den Kopf schief,„aber warum wollen Sie das denn wissen? Sind Sie auch eine Lehrerin?“
„Glaub ich nicht“, sagt Matti und verschränkt kopfschüttelnd seine kurzen Arme vor der Brust, während er mich mit prüfendem Blick mustert, „sie ist viel zu nett, um eine Lehrerin zu sein.“
Wie charmant.
Ein leichtes Lachen entfährt mir und ich räuspere mich ein weiteres Mal.
„Na ja, noch bin ich ja keine Lehrerin. Aber ich werde bald eine sein. Zumindest hoffe ich das“, erwidere ich und werfe den beiden einen vielsagenden Blick zu, deren Augen sich daraufhin ein gutes Stück weiten, „und deshalb bin ich auch hier. Ich werde nämlich für ein paar Wochen an eurer Schule arbeiten. Aber dafür muss ich erst noch ein paar Dinge mit
Direktorin Falk besprechen und das kann ich nur tun, wenn ich weiß, wo ihr Büro ist.“
Für einen Moment tauschen Matti und Thilda einen nachdenklichen Blick aus, bevor Thilda schließlich tief Luft holt.
„Na gut...wir zeigen Ihnen, wo das Büro von Direktorin Falk ist...“
„...aber nur, wenn Sie versprechen, keine gemeine Lehrerin zu werden“, ergänzt Matti, was mich erneut auflachen lässt.
„Ihr seid ganz schön harte Verhandlungspartner“, sage ich
und stemme eine Hand in die Hüfte, „aber ja, versprochen.“

Liebe Zwischen Den Zeilen (Imke & Tessa) (girlxgirl) Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt