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- Imke -

„Hallo, Mama!“, dröhnt Mathis und Mathildas fast synchroner Ruf über den Flur und weiter in die Küche, wo ich gerade damit beschäftigt bin, den Nudelauflauf vorsichtig und mit zwei Topflappen ausgestattet aus dem Ofen zu holen.
„Hallo, ihr zwei“, erwidere ich und muss schmunzeln, als ich das hastige Rascheln ausziehender Jacken und abstreifender Schuhe höre, „Hände waschen nicht vergessen, ja?“
Das fast schon genervte Aufstöhnen der beiden lässt mein Schmunzeln noch breiter werden.
„Das wissen wir, Mama.“
„Ja, genau“, pflichtet Mathis dem genervten Ruf seiner Schwester bei und ich bin mir sicher, dass er dabei mit einem Augenrollen nickt, „wir sind doch keine Babys mehr. Wir sind schon voll groß!“
„Wenn ihr das sagt“, erwidere ich leise und stelle mit einem leichten Lachen die heiße Auflaufform auf einem runden Holzbrett ab, während sich die tapsenden Schritte meiner
Kinder in Richtung Bad bewegen und kurz darauf das rauschende Geräusch des aufgedrehten Wasserhahns zu hören ist.
Allerdings nicht, ohne dass dabei dumpfe Stimmen aus dem Bad dringen.
Wahrscheinlich wollen die beiden wieder gleichzeitig an die Seife und können sich nicht einigen, wer zuerst dran darf.
Mit einem lächelnden Kopfschütteln hole ich drei Teller aus einem der Küchenschränke und stelle sie neben die Auflaufform auf die Küchenanrichte, als Mathis und Mathilda auch schon in die Küche tapsen, wobei sie gerade in einer
unfassbar wichtigen Diskussion vertieft zu sein scheinen.
„Aber wenn man unterrichtet, ist man doch schon eine Lehrerin“, sagt Mathis, auf dessen Stirn sich nachdenkliche kleine Falten gebildet haben.
„Ja, aber sie hat uns doch erklärt, dass man das Lehrersein auch erst mal lernen muss“, erwidert Mathilda und schnuppert kurz, nur um mich im nächsten Moment breit anzustrahlen,
„gibt’s heute Nudelauflauf, Mama?“
„Gut erkannt, Süße“, sage ich und lächle meiner Tochter mit einem Zwinkern zu, deren Strahlen dadurch noch breiter wird.
„Hoffentlich bringt Direktorin Falk ihr dann nicht das Gemeinsein bei“, murmelt Mathis, der zu mir an die
Küchenanrichte getreten ist und sich auf die Zehenspitzen gestellt hat, um über den Rand der Anrichte hinweg zur Auflaufform zu linsen und anschließend zu mir hochzuschauen.
„Kann ich eine ganz ganz große Portion haben, Mama? Ich habe voll Hunger.“
„Aber sicher, Großer“, sage ich und streiche ihm mit einem Lächeln über seine kurzen dunklen Haare, bevor ich nach dem Küchenheber greife und eine für Mathis relativ normale
Portion aus der Auflaufform und auf den ersten Teller hebe, „ist das so in Ordnung für dich?“
„Ja, total“, sagt Mathis und nickt eifrig, während ich ihm mit einem wissenden Schmunzeln den Teller reiche und er diesen zum Küchentisch balanciert.
„Kann ich auch so eine große Portion haben, Mama?“, fragt Mathilda, die sich nun ebenfalls neben mich gestellt hat und mich erwartungsvoll aus ihren grünen Augen ansieht, die
ihrem Bruder und meinen so gleichen.
„Natürlich, Süße“, erwidere ich und greife ein weiteres Mal nach dem Küchenheber, „und wenn ihr beiden dann später aufgegessen habt, muss ich noch eine Kleinigkeit mit euch
besprechen.“
„Wieso?“, fragt Mathilda und ich sehe aus den Augenwinkeln, wie sie etwas unsicher von einem Fuß auf den anderen tritt, während ich den zweiten Teller mit ihrer Portion fülle,
„hat...hat Frau Reiner sich wieder beschwert?“
„Aber wir waren doch gestern gar nicht so laut, als wir draußen im Garten gespielt haben“, protestiert Mathis direkt, der sich inzwischen an den Küchentisch gesetzt hat und nun trotzig die Arme vor der Brust verschränkt.
„Nein, keine Sorge, ihr beiden“, sage ich und reiche Mathilda ihren Teller, „Frau Reiner hat sich nicht über euch
beschwert und ihr habt auch sonst nichts falsch gemacht.“
„Aber warum willst du dann mit uns sprechen?“, fragt Mathilda, die immer noch an derselben Stelle mit ihrem
Teller in beiden Händen steht und mich mit schief gelegtem Kopf ansieht, „geht es um Papa? Oder um deine Arbeit?“
Belustigt streiche ich Mathilda mit einer schnellen Bewegung über ihre kleine Nase, was sie wiederum aufkichern lässt.
„Du bist ja ganz schön neugierig, hm?“
„Wir beide“, ruft Mathis vom Küchentisch aus zu uns hinüber und grinst schief in unsere Richtung.
„So so, verstehe...“ Mit vielsagender Miene hieve ich mir ebenfalls eine Portion auf den letzten Teller und lege den Küchenheber zurück in die Auflaufform, ehe ich mich leicht
räuspere, „nun, im Grunde genommen geht es darum, dass wir gleich noch Besuch bekommen werden und ich euch nur darum bitten möchte, dass ihr euch von eurer besten Seite zeigt.“
„Besuch?“, fragend legt Mathilda ihren Kopf ein weiteres Mal schief und auch Mathis hat ein wenig überrascht die Augenbrauen gehoben, „was denn für Besuch?“

- Tessa -

„So, von meiner Seite aus wäre dann alles geklärt. Bestehen Ihrerseits vielleicht noch Fragen, Frau Lambrecht?“
„Nein, alles bestens“, erwidere ich und schüttle den Kopf, während Direktorin Falk mich prüfend über den Rand ihrer Lesebrille hinweg aus ihren braunen Augen mustert, bevor sie mit einem zufriedenen Nicken ihre Lesebrille abnimmt.
„Sehr schön“, sagt sie und klappt diese geschickt zusammen, um sie in dem rostroten Etui auf ihrem Schreibtisch zu verstauen, welches farblich erstaunlich gut zu ihren schulterlangen Locken passt. „Dann erwarten Frau Krüger und ich Sie am Montag pünktlich um 7:30 Uhr in meinem Büro. So haben Frau Krüger und Sie noch ein bisschen Zeit, um sich Kennenzulernen, bevor Sie anschließend zusammen in Frau Krügers Klasse gehen werden.“
„Ja“, ich nicke erneut und spüre, wie sich meine Mundwinkel zu einem immer breiter werdenden Lächeln heben, „das klingt gut.“
„Das sieht man Ihnen an.“
Na super...toll gemacht, Tessa.
Grins doch am besten noch breiter und auffälliger...
Ich spüre, wie Wärme in meine Wangen steigt, als ich Direktorin Falks amüsierten Blick bemerke und streiche mir etwas unbeholfen eine braune Haarsträhne hinters Ohr, während ich ein wenig auf meinem Stuhl hin und her rutsche.
„Ich...ähm...na ja...also...“
„Das muss Ihnen keineswegs unangenehm sein, Frau Lambrecht“, unterbricht Direktorin Falk mein peinliches Gestammel und ich sehe, wie sich ein zartes Lächeln auf ihren Lippen abzeichnet, „mir ist eine motivierte Studentin um Längen lieber als eine, die im Praktikum nur ihre Zeit absitzt. Also behalten Sie sich ruhig diesen Enthusiasmus bei und
bringen Sie ihn in vollem Maße während Ihrer Zeit hier bei uns ein.“
Mit diesen Worten erhebt Direktorin Falk sich von ihrem Stuhl hinterm Schreibtisch, wodurch ich ebenfalls aufstehe und meinen Rock glattstreiche, nur um kurz darauf etwas ungeschickt nach Direktorin Falks ausgestreckter Hand zu greifen.
„So, dann wünsche ich Ihnen ein schönes und entspanntes Wochenende und freue mich, Sie ab Montag für die nächsten Wochen in unserer Lehrerschaft begrüßen zu dürfen.“
„Dankeschön, Direktorin Falk. Das wünsche ich Ihnen auch. Und bis Montag“, erwidere ich und schüttle Direktorin Falks Hand, bevor ich mich nach meiner Handtasche auf dem Boden bücke und anschließend wegdrehe, um das Direktorinnenbüro
durch die angelehnte Tür zu verlassen.
Kaum dass ich auf den Flur getreten bin und die Tür auf Direktorin Falks Wunsch hin hinter mir geschlossen habe, entfährt mir ein kicherndes Quietschen und ich drehe mich im
Gehen einmal um mich selbst, während ich mit federleichten Schritten über den langen Gang hinweg zurück zur Eingangstür schwebe.
Das hat besser geklappt, als ich gehofft hatte.
Viel besser sogar.
Und wer weiß...wenn ich mich in den nächsten Wochen gut anstelle und sowohl Direktorin Falk als auch Frau Krüger davon überzeugen kann, dass ich eine gute Lehrerin bin oder zumindest werden könnte, kann ich vielleicht auch irgendwann später hier an dieser Schule arbeiten...
Mit einem erleichterten Kichern drücke ich die Eingangstür des Grundschulgebäudes auf und lasse sie wieder hinter mir zufallen, nur um weiter über den Schulhof hinweg und in Richtung des Schultores zu laufen.
Ich kann es kaum erwarten, Henrik davon zu erzählen!
Aber erst einmal muss ich zu Evelyns Freundin...wie hieß sie noch gleich?
Mit einem Kopfschütteln über mich selbst ziehe ich mein Handy aus der Innentasche meines inzwischen aufgeknöpften Blazers und suche nach der letzten Nachricht von Evelyn.
Wenn ich Frau Krüger und Direktorin Falk beeindrucken möchte, brauche ich wirklich ein besseres Namensgedächtnis.
Hmm...ah ja, da haben wir es...Imke Holm...und die Zwillinge heißen Mathis und Mathilda...gut zu wissen...
Mit einem abschließenden Nicken schiebe ich mein Handy wieder zurück in meine Blazerinnentasche und atme einmal tief durch.
Na gut, dann wollen wir mal...

Liebe Zwischen Den Zeilen (Imke & Tessa) (girlxgirl) Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt