Kapitel 30 - Weiße Mauern

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Shouta ballte die Hand zur Faust und öffnete sie wieder. Es spannte, zog und kribbelte. Ein ekelhaftes Gefühl, vielleicht schlimmer als die Schmerzen der vergangenen Wochen. Das Kribbeln ließ ihn nachts nicht schlafen, und dagegen halfen keine Medikamente.

Shouta betrachtete seine bandagierte Hand. Er war versucht, den Verband abzuwickeln, aber sie hatten den letzten heute Morgen verbraucht. Außerdem wusste er, was ihn darunter erwartete. Seit er die Brandblasen und das rohe Fleisch gesehen hatte, sah Shouta weg, wenn Kakuzu seinen Verband wechselte. Nur manchmal gewann die Neugier und er riskierte einen Blick. Wie an diesem Morgen. Es heilte, das sagte auch Kakuzu, dennoch war Shouta schlecht und schwindelig geworden, als er die Wunde gesehen hatte. Es war ihm ein wenig peinlich, dass er so empfindlich war. Eigentlich hatte er schon Schlimmeres gesehen.

Geistesabwesend zupfte Shouta an der Bandage, bis das Maskenwesen den Kopf unter seinen Arm schob und ihn davon abhielt.

„Ist ja gut, ich hör' ja schon auf", sagte er.

Das Wesen antwortete nicht, aber Shouta hatte dennoch den Eindruck, dass es ihn verurteilte. Es konnte genauso streng gucken wie Kakuzu.

Er streichelte es. Die wabernden Fäden waren warm und bewegten sich wie Muskulatur. Es war, wie einem riesigen Hund die Hand auf die Flanke zu legen. Er vergrub die Hand tiefer und streichelte es mit mehr Energie.

„Das gefällt dir, hm?" Shouta lachte.

Zwei Schläge.

Shouta zuckte zusammen und erstarrte, bevor er weiter tastete. Wieder. Zwei kräftige Schläge, knapp hintereinander. Langsam und rhythmisch. Das war wie -

„Oh, scheiße", sagte er, als er begriff. „Scheiße."

Das war also der Grund für Kakuzus langes Leben. Der Grund, aus dem er so viele Chakranaturen nutzen konnte. Der Grund für diese Wesen. Das war Jiongu.

Das Wesen rollte sich um Shouta zusammen.

„Soll ich Kakuzu sagen, dass ich sein Geheimnis kenne? Oder weiß er das schon, weil ich es dir gesagt habe?", fragte er.

Leeres Starren als Antwort.

„Vielleicht behalte ich's vorerst für mich."

Immerhin hatte Kakuzu ihn alleine zurückgelassen, während Hidan und er die Gegend erkundeten. Satama war in greifbarer Nähe. Sie hatten die Berge hinter sich gelassen und waren zu den Hügeln der Ostküste gelangt. Von hier aus konnte Shouta das Meer sehen, das in der Ferne glitzerte. Wenn er die Augen schloss, konnte er es beinahe riechen.

Die Nähe zu Satama bedeutete allerdings auch, dass sie mit Soldaten rechnen mussten. Wenn die Nachricht vom Fall der Roten Feste schon die Runde gemacht hatte, wären die Soldaten in Alarmbereitschaft und würden die Umgebung auskundschaften. Es war sinnvoll und vernünftig, dass Kakuzu und Hidan sich umsahen. Shouta fühlte sich trotzdem zurückgelassen.

Wenigstens war das Herzwesen hier und Shouta hatte das Gefühl, dass es ihn so sehr mochte, wie er es mochte.

„Du bist warm", murmelte er. „Ich nenne dich Gal. So heißt Feuer in meiner Sprache."

Dieses Wort kannte er noch. Er hatte vieles vergessen, aber nicht alles. Gal stupste ihn mit der Schnauze an. Shouta lachte.

„Dir gefällt der Name, was?"

Gal ließ sich weiter streicheln, bis sie sich in die Höhle, in der sie übernachteten, zurückzogen. Dort nahm es seinen Platz am Eingang ein.

Zwei Tage später bei Sonnenaufgang erreichten sie die Hauptstadt. Satama lag am Meer und am selben Fluss, der auch durch Arashi floss. Die Mauern waren strahlend weiß und leuchteten im Licht der aufgehenden Sonne blutrot, das Meer funkelte wie ein Edelstein. Trotz der Slums, die inzwischen vor der Stadt gewachsen waren, war Satama immer noch schöner als Arashi.

Nur wer frei ist, ist ein KönigWo Geschichten leben. Entdecke jetzt