Boo'd Foreé führte uns in einen kleinen Saal, welcher an einer zweigeteilten Treppe endete. Außer einem kleinen Tisch und drei Stühlen befand sich nichts darin. Die Wände waren in Beige- bis Gelbtönen gehalten. Mir persönlich gefiel es hier nicht.
"Setzt euch doch.", forderte Foreé uns auf und deutete zum Tisch. Ich zögerte kurz, als Jaden dann aber Platz nahm, folgte ich seinem Beispiel und setzte mich neben ihn.
Zuletzt setzte sich auch Foreé.
"Bedient euch."
Ich schaute auf den Tisch. Vor mir stand ein leerer Teller. Genau wie vor Jaden und Foreé. In der Mitte des Tisches stand ein Krug und eine Schüssel mit eigenartig aussehenden Keksen. Und drei Gläser. Ich nahm mir einen Keks und knabberte daran herum. Jaden nahm sich ein Glas und schüttete sich etwas von der roten Flüssigkeit ein. "Es ist nicht nötig, ein Fest zu organisieren, ehrenwerter Boo'd Foreé."
"Doch doch, immerhin gibt es bei uns nicht so viele Anlässe zum feiern." Foreé lachte in den Satz hinein. Jaden lächelte zurück. Ich nahm mir noch einen Keks. "Ist die rote Flüssigkeit der Erdbeerwein? Jaden, wehe du trinkst zu viel, sonst bist du dann noch besoffen. Ich persönlich..."
"Luna.", unterbrach mich Foreé.
'Ja, so heiße ich.', wollte ich in meinem Redeschwall schon erwidern, aber ich dachte mir, dass das vielleicht etwas unhöflich ist, und schaute nur interessiert von meinem Keks hoch.
"Ich bin wirklich froh, dich endlich kennenzulernen...euch beide. Ich kann mir vorstellen, dass es etwas verwirrend und schwer für dich war, zu verstehen was hier vor sich geht. Aber ich bin sicher, das dein Bruder dich unterstützt wo er kann. Erlaube mir, dir etwas zu helfen, was deine Fähigkeiten angeht."
Okay, jetzt hatte er mich wirklich.
"Könnt ihr das denn?"
"Ich nicht. Aber meine Tochter. Ana?!", rief er die Treppe hoch."Ja Paps?", meldete sich eine junge Teenagerstimme von oben. Man hörte Schritte und im nächsten Moment kam ein Waldgeistmädchen (jedenfalls ließen die Stimme und ihr rosa Teint das vermuten) von der Treppe runtergelaufen. Ihre Schritte verlangsamten sich, als sie Jaden und mich sah.
"Luna, Jaden, das ist meine Tochter Ana.", erklärte Boo'd Foreé. "Ana, das sind Frija's Kinder."
Ana sagte nichts, ihr Blick war auf mich gerichtet, was mir etwas unangenehm war. Langsam ging sie um den Tisch herum und blieb vor mir stehen. "Du bist Frinja's Tochter?" Ihre hellgrünen Augen sahen mich erstaunt an.
"Äh...ja, vermutlich...", gab ich als Antwort. Ich nahm an, dass diese 'Frinja' meine Mutter war. Ich musste Jaden bei Gelegenheit fragen.
Anas Vater schaltete sich ein. "Ana, könntest du Luna beibringen ihre Kräfte zu kontrollieren?"
Ana sah zu ihrem Vater ohne ihre erstaunte Miene abzulegen. "Ich soll... Ich meine klar könnte ich, aber...", ihr Blick wanderte wieder zu mir, "...das ist etwas...kompliziert."
"Keine Angst, Luna lernt schnell.", sagte Jaden mit einem Zwinkern zu mir. Was war das denn jetzt? Wollte er mich ärgern?
"Gut...", stammelte Ana.
"Also Lunacy, was denkst du?", fragte Foreé.Was ich denke? Ein Teil von mir denkt immer noch, das ist alles nur ein Traum. Ein anderer Teil denkt: Himmel nein, das ist gefährlich! Hinzu kommt noch der Gedanke: Verdammt noch mal, ja! Dann kannst du es endlich kontrollieren! Und im Hinterkopf schreit eine Stimme: "Lunacy ist ein scheiß Name!" Innerlich fluchend über mein unstimmiges ich, stammel ich nur: "Ich...weiß nicht."
Für einen Moment herrscht Schweigen. Dann sagte Foreé: "Ich verstehe deine Unsicherheit, Lunacy. Aber das ist eine einmalige Chance. Niemand sonst könnte dir lehren mit deinen Fähigkeiten umzugehen."
"Ich weiß.", sagte ich, obwohl das eine Lüge war. "Aber diese Kräfte sind mir so fremd. Als... würden sie gar nicht zu mir gehören. Ehrlich gesagt, möchte ich sie gar nicht haben."
"Haben tust du sie so oder so.", sagte Ana. "Es geht ums kontrollieren, Luna. Weißt du, deine Mutter hat mir gelehrt, wie man das tut. Ich selber habe solche Fähigkeiten nicht, aber ich dachte mir schon die ganze Zeit, dass Frinja es mir nur beigebracht hat, damit ich dich lehre."
Wow, was für eine Ansage. "Was kann denn groß passieren, wenn ich sie nicht kontrollieren kann?"
"Du könntest..." Ana brach den Satz ab. "Das weißt du erst, wenn du es erlebt hast."
Na super. Alle wollen irgendwas von mir aber wenn ich mal was frage, kommt nur ein ' Das weißt du erst, wenn du es erlebt hast'. Ich schnaubte.
"Vielleicht sollten wir diese Entscheidung auf später verschieben und unseren Gästen erst mal das Dorf zeigen, oder Ana?" Boo'd Foreè stand auf. "Na dann, kommt mal mit raus!"Draussen herrschte eine Mordsstimmung. Wir waren nur ungefähr dreißig Minuten im Palast gewesen, aber in diesen dreißig Minuten hatten es die Waldgeister geschafft, alles zu dekorieren, für genug Essen und Musik zu sorgen und sich auf Partystimmung umzustellen. Alle auf dem Dorfplatz tanzten und eine Band spielte auf einer kleinen Bühne mit komischen Instrumenten eine fröhliche Melodie, bei der man am liebsten gleich mittanzen würde. Aber ich hatte keine Zeit mich weiter umschauen, denn Ana packte mich am Arm und zog mich mit einem stimmungsvollen 'Komm mit' Richtung Tanzfläche. Ich konnte nur noch ein 'Woah!' ausstoßen und einen Seitenblick zu Jaden werfen, der mir munter zulächelte. Ana schob mich mitten durch das Gedränge auf die Tanzfläche zu und im nächsten Moment stand ich inmitten von kleinen, tanzenden Waldgeistern. Erst war es mir peinlich (ich konnte WIRKLICH nicht gut tanzen), doch dann versuchte ich die Bewegungen der Tänzer nachzuahmen und war schließlich ziemlich sicher. Es war so einfach! Ich folgte dem Rhythmus der Musik und es war, als würde ich für einen kurzen Moment von allen Sorgen befreit werden. Diese Gefühl hielt auch an, als Ana mich abermals an die Hand nahm und mich Richtung Buffet zerrte. Das Essen hier schmeckte einfach köstlich! Schließlich flüchteten wir mit einem Kuchenstück in der Hand auf einen kleinen Mauerabsatz und nahmen immer noch kichernd Platz.
"Ah!", seufzte Ana zufrieden. "So viel Spaß hatte ich lang nicht mehr."
"Wieso denn nicht?", fragte ich und biss in den Kuchen.
"Naja, wir... feiern hier nicht so oft. Und ausserdem..." Sie stockte und sah betreten auf den Boden.
"Ja?"
"Ich... hab hier kaum Freunde."
Ich glotzte sie an. "Hä? Wieso denn nicht?"
"Naja,", sie verschrenkte ihre dünnen Arme, "weil ich ja die Tochter des 'Oberhaupt' bin, hat irgendwie jeder Respekt vor mir. Wahrscheinlich weil man Angst hat ich würde sie verpfeifen. Wir Waldgeister halten uns auch nicht immer an die Regeln. Und da ist es wohl besser, einen großen Bogen um mich zu machen... Frinja war die erste, die mich mochte.", fügte sie noch traurig hinzu. "Deswegen hat sie mir auch ihre Sprache und alles andere beigebracht. Also, wie man den Wald beschützt und das mit deinen und ihren Fähigkeiten, was ich komisch finde, da ich doch gar nicht..."
"Ach was! Du hast doch einen super Charakter! Zeig ihnen einfach, wer du wirklich bist!" Unterbrach ich Ana. Man merkte, dass sie vom Thema ablenken wollte. Ich klopfte ihr mit der Faust auf den Rücken, sodass sie von der Mauer runter fiel und ich sie gerade noch auffangen konnte. Wir lachten noch eine Runde, dann fragte Ana: "Denkst du wirklich, das funktioniert? Kennst du dich damit aus?"
"Klar.", sagte ich lässig, musste aber sofort wieder an Marit und Anabel denken. Kenngelernt hatte ich sie, als ich ganz allein auf dem Schulhof stand und sie mich angesprochen hatten. Sie waren immer für mich da gewesen. Und dann hatte ich sie sterben lassen. Ja. Ich kannte mich super mit so was aus.Ana musste gemerkt haben, dass sich meine Miene verdunkelt hatte. "Wollen wir deinen Bruder suchen? Dann kann ich euch euer Zimmer zeigen."
Hä? "Schlafen wir hier?"
"Soweit ich weiß, schon. Und jetzt komm, bevor auf deinem Gesicht ein Gewitter ausbricht. Dein Bruder wird dich wieder auf andere Gedanken bringen."
Ja. Jaden. Am liebsten würde ich mich jetzt in seine Arme schmeissen und heulen. Gott, wie ich diese Stimmungsschwankungen hasse.Schon über 500 Reads! Keine Ahnung, ob das sehr viel für so'n Buch oder eher wenig ist, ich freue mich tierisch drüber! Leute, ich find euch toll ;)
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Nightwatchers - Secret enemy
Fantasy"Mein Vater. Er weiß, wer ich bin. Zu was ich fähig bin. Wie ich lebe. Was ich liebe. Und er hat genug Macht um all das zu zerstören." Sophie ist ein ganz normales Mädchen. Bis sie eines Tages ihren Bruder Jaden kennen lernt. Nun soll sie auf einmal...