It's do or die

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Jaden war aufgesprungen, hatte sich seinen Dolch geschnappt und seine Jacke angezogen. Wahrscheinlich war ihm sonst zu kalt. Auch ich warf mir meine Jacke über, nahm mein Schwert und sprintete hinaus, die Treppe runter auf den Dorfplatz.

Draussen herrschte Chaos. Ich wusste nicht genau was passiert war, aber ich hatte jetzt schon davor Angst. Waldgeister liefen panisch umher. Einige Häuser brannten. Man hörte Schüsse. Jaden sah mich ratlos an. Dann sah ich, wie Ana mit einigen anderen Waldgeistern auf uns zu kam.

"Sie haben das Tor gesprengt und das Dorf gestürmt!"
"Wer?", versuchte Jaden die Schüsse und Schreie zu übertönen.
Doch die Antwort kam von selbst. Auf einmal stürmten vier schwarz gekleidete Soldaten auf uns zu. Ich erkannte sie sofort wieder.
"Das sind die Soldaten die Anabel getötet und die Mensa gestürmt haben!" Ach ja, und entführen wollten sie mich ja auch noch."Was zur Hölle wollen die hier?"
Jadens Gesicht verzog sich zu einem hasserfüllten Blick. Mit eisiger Stimme sagte er: "Sie wollen dich, Luna."

Mir jagte ein Schauer über den Rücken. Ich bin für die Zerstörung von Ana's Dorf verantwortlich? Die Soldaten waren jetzt ganz nah. Aus dem Augenwinkel sah ich, wie Jaden mit einem Kampfschrei nach vorn sprang und auf die Männer zu lief. Er wich ihren Schüssen mühelos aus und bewahrte auch Ruhe, als die Soldaten ihre Gewehre in eine Art Speer mit verdammt spitzen Klingen umfunktionierten.
Multifunktionswaffen? In was für einer kranken Welt in ich denn gelandet?
Weiter kam ich mit meinen Gedanken nicht. Jaden stürzte sich auf die Gegner und schlug einen nach dem anderen bewusstlos. Den Letzten ringte er zu Boden, hob den Dolch und ließ ihn auf den entwaffneten Mann herabsausen. Man sah noch das entsetzte Gesicht des Mannes, bevor sein Kopf unsanft auf den Boden aufkam. Jaden zog seinen Dolch aus dem reglosen Körper.

Ein Gedanke durchzuckte meinen Kopf.
Ein Mörder.
Ich versuchte ihn abzuschütteln, doch es gelang mir nicht. Fast wie wenn es nicht mein Gedanke wäre, sondern dass mir ihn jemand eingepflanzt hat.
Jaden ist ein Mörder. Genau wie mein Vater.
Mir wurde übel.
Auf einmal hörte ich Ana's aufgeregte Stimme. "Lunacy, komm schon!"
Ich löste meinen Tunnelblick von Jaden und ließ mich von Ana in Richtung der Wohnhäuser ziehen. Auf dem Weg erbrach ich mich ins Gras. Eine komische Mischung zwischen Wut, Entsetzen und Verzweifelung tat sich in mir auf, doch ich duldete keinen weiteren Gedanken. Ich beschloss, meine aggressiven Gefühle zu nutzen und damit unsere Feinde zurück zu drängen. Entschlossen folgte ich Ana.

Im Wohngebiet bildete sich ein Bild der Zerstörung. Das Gras war verkohlt und niedergetrampelt, Häuser brannten, doch etwas stimmte hier nicht. Es war zu ruhig. Man hörte keine Schreie, keinen Laut, außer das leise Knacken des Holzes. Langsam ging ich durch die Häuserreihe, Ana dicht hinter mir. Wir sagten kein Wort. Was war mit den Waldgeistern geschehen?
"Schrecklich!", rief Ana auf einmal neben mir. "Sie haben sie alle umgebracht!"
"Schscht!", raunte ich ihr zu und kniete mich neben sie. "Sie haben sie nicht umgebracht."
"Woher willst du das...", wollte sie wieder anfangen zu schreien, doch ich hielt ihr den Mund zu.
"Leise, verdammt! Ich weiß es einfach. Schau!" Ich nickte mit dem Kopf in Richtung Norden. Dort, am Ende der Häuserreihe, konnte man vage vier Gestalten ausmachen.
Ana kniff die Augen zusammen "Kommen die auf uns zu?" - "Ich bezweifle es. Vielleicht halten sie die Einwohner gefangen. Komm!"
Ich zog Ana in Richtung der Silhouetten, die von Schritt zu Schritt deutlicher wurden. Wir liefen geduckt zwischen den Häusern lang, bis wir fast am Ende des Wohngebietes waren, welches durch eine hohe Felswand vom Wald getrennt war. Wir hockten uns hinter eine eingefallene Mauer und nutzten ihre Löcher, um etwas vom Geschehen mitzubekommen.
Die Gestalten hinter der Mauer waren für den ersten Moment schwer wahrnehmbar und meine Augen brannten von dem herumfliegenden Ruß und den Rauchschwaden. Doch allmählich sah man, was sich hinter der Mauer aubspielte.

Vier der Männer in Schwarz hatten rund ein Dutzend Waldgeister zu Felswand gedrängt und umzingelt. Ängstlich und mit großen Augen starrten sie die Soldaten an, einigen hielten sich gegenseitig die Hände.
"Schau", raunte Ana mir zu. Sie zeigte auf vier Waldgeister, die im Vordergrund der Gruppe standen. Ich erkannte drei der Krieger, die uns ins Dorf geführt hatten. Und Ra'dou. Hasserfüllt und mit gezogenen Dolch standen die vier Krieger Vaters Männern gegenüber. Nach einer kurzen Weile allerdings war die gelassene Verschwiegenheit und Apathie der Soldaten zu Ende und einer der Männer machte einen provozierenden Schritt auf die Dorfbewohner zu.

"Lasst uns in Ruhe!", schrie Ra'dou und stürmte nach vorn. Weit kam er allerdings nicht, denn der Soldat, den der braune Waldgeist angegriffen hatte, kickte diesen einfach wie ein Fußball gegen die Felswand. Ra'dou prallte mit voller Wucht dagegen und fiel benommen auf den Boden. Die Waldgeister, eingeschlossen die Krieger, traten mit einem Schreckensruf zur Seite. Die schwarzen Männer lachten.

"Schaut euch den Schwächling an! Und so was nennt sich Krieger...", sagte einer der Soldaten. Er hob seinen Blaster und zielte auf Ra'dou. Ra'dou hob leicht den Kopf und starrte einen kurzen Moment in den schwarzen Lauf des Blasters, dann kniff er die Augen zusammen und wartete auf den tödlichen Schuss.

"Das würde ich lieber nicht tun.", sagte auf einmal eine gefährlich kalte Stimme. Ich brauchte einen Moment um zu registrieren, das es meine Stimme war. Ich stand auf und richtete mit ausgestrecktem Arm die Spitze meines Schwertes auf den Soldaten. Ja, ich war immer noch wütend. Auch das Entsetzen und die Verzweifelung waren noch nicht versiegt. Obwohl sich meine Taten und Gedanken immer noch so... mechanisch kontrolliert anfühlten...

Die Männer drehten sich zu mir um. Auch Ana war auf die Mauer gestiegen und hatte einen Dolch gezückt. Doch die Männer beachteten sie nicht. Ich bemühte mich zu einem eiskalten Blick.
"Ha!", rief der Soldat. "Wenn das mal nicht die kleine Göre ist, die wir zum Chef bringen sollen! Wie töricht. Das wird deinem Vater nicht gefallen." Er setzte einen übertrieben vorwurfsvollen Blick auf, doch ich bemühte mich ruhig zu bleiben. Doch auf einmal spürte ich ein dumpfes Pochen, wie, wenn sich der Nebel, der sich um meine Sinne gelegt hatte, auf einmal abgezogen war.
"Da kann er lange warten." Leider klang meine Stimme nur noch halb so gefährlich wie eben. "Lasst die Dorfbewohner in Ruhe. Sie haben euch nichts getan."
Der Mann lachte wieder."Natürlich haben sie etwas getan. Sie bieten dir und deinem nervtötenden Bruder Schutz, entgegen den Befehlen. Das ist Hochverrat."
"Ihr habt uns gar nichts zu befehlen!", mischt Ana sich nun ein. "Wir sind ein unabhängiger und freier Clan und sind nicht gezwungen, irgendwelche Befehle irgendwelcher Leute zu folgen. Schon gar nicht euren!"
"Und wer nimmt dann gerade euer Dorf ein? Allerdings... Wenn ihr uns das Mädchen gebt und den Sohn des Bosses gleich dazu, lassen wir eure Freunde vielleicht am Leben."

"Wir verhandeln nicht mit Gangstern!", rief ich, bevor Ana auch nur einen Gedanken daran verschwenden könnte, uns zu verraten und stürzte mich auf die Soldaten. Ich schenkte mein Schwert hin und her, denn ich hatte immer noch nicht den blassesten Schimmer, wie ich mit dem Ding umgehe. Irgendwie schaffte ich es sogar, die Männer daran zu hindern, mich und die anderen zu erschießen. Bis mich der Kerl, der Ra'dou erschießen wollte, von hinten angriff und festhielt.
"Das war's, Kleine!"
Ich schrie und strampelte mit den Beinen, doch der Typ nahm mich in den Schwitzkasten und hinderte mich daran weiter zu schreien. Wie aus Instinkt ließ ich schlapp wie eine Puppe alle Körperteile plus Kopf fallen und mich von dem Typen festhalten. "Gut so", knurrte er gefährlich leise. Dann gab er den Befehl Ana zu Fesseln.

Verdammt, ich muss mir etwas einfallen lassen, dachte ich. Um mich herum spürte ich die hitzige Präsens des Feuers. Ich spürte wie meine Finger kribbelten und versuchte mich zu konzentrieren. Alle Energie meines Körpers lenkte ich auf meine Hände, wie damals, als ich in der Höhle den Leuchtball erzeugt hatte. Ich spürte wie ich stärker wurde. Mir war heiß. Schließlich ließ ich die Energie mit aller Kraft fallen.

Ich hörte einen lauten Knall unmittelbar vor mir. Ich flog durch die Luft und hörte Schreie. Um mich herum war alles rot und heiß. Ich konnte nicht atmen, meine Lungen brannten. Dann fiel ich durch einen roten Tunnel mitten in ein schwarzes Loch, welches mich verschlang...

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Kapitelname: Tun oder sterben -> Es geht um's Ganze

Nightwatchers - Secret enemyWo Geschichten leben. Entdecke jetzt