Mission impossible

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Dieses Gespräch hatte eine Weile gedauert. Aber jetzt wusste ich so ziemlich alles was ich wissen wollte. Und sollte.

Bei meiner Frage ob ich auch irgendwelche Fähigkeit hätte, war Jaden erst einmal in Schweigen versunken. Das hatte ich allerdings nicht geduldet. Schließlich war er mit der Wahrheit rausgerückt.

Er sagte, ich habe die Fähigkeiten meiner Mutter. Und nicht nur das. Ich bin wohl etwas "ganz besonderes". Ich kann Dinge tun, die kein anderer kann. Auch gefährliche Dinge. Heiter bis tödlich, sozusagen. Aber er wusste nichts genaueres. Was immer das auch hieß, es zu verdauen und glauben hatte gedauert. Zumal ich es hasse, im Mittelpunkt zu stehen.

Und jetzt war ich in meinem Zimmer, in dem ich die letzte Nacht verbracht hatte und packte Sachen, die nicht mir gehörten, in einen Rucksack. Für eine Mission, die ich immer noch nicht so richtig verstand.

Jaden hatte nämlich außerdem erzählt, was mein Vater so schlimmes getan hatte, dass sie gegen ihn rebellierten. Nachdem er herausgefunden hatte, wie stark meine Kräfte wirklich waren, ist er mit mir abgehauen. Er wollte meine Fähigkeiten nur für sich. Und er hat mich wohl trainiert. Ich sollte meine Kräfte für seine Zwecke einsetzen, und seine Absichten waren böse. Er entdeckte ein verlassenes, weitläufiges Tunnelsystem nördlich des Dorfes und versteckte sich mit mir darin. Ich konnte mich nicht wehren, verstand noch nicht mal die Situation so richtig. Ich war gerade einmal sechs Jahre alt bei der Entführung.

Aber Jaden gab sich damit nicht zufrieden. Zwar war er auch noch jung, und zwar zehn, aber er gab die Suche nach mir nicht auf. Vier Jahre lang jagte er und seine 'Verbündeten' unseren Vater. Dann brachte Vater unsere Mum um. Vor meinen Augen. Es war eine Warnung. Doch Jaden fand ihn, kämpfte mit ihm. Er gewann zwar nicht, schaffte es aber mich wegzubringen. In eine andere Welt. Weg von der Gefahr, der ich hier, in dieser Welt, hilflos ausgesetzt war. Er sorgte ausserdem dafür, dass ich mich nicht an meine Vergangenheit erinnerte. Jedenfalls weitere vier Jahre lang.

Das mit dem Unfall war also wirklich nicht passiert. Jedenfalls nicht mir. Das Mädchen, welches sie in der anderen Welt "Sophie" nannten, starb, als der LKW sie anfuhr. Irgendwie hatte es Jaden geschafft sie gegen mich "auszutauschen". Etwas... abgefahren. Mir tat sie leid und Jaden erklärte ich für verrückt.

"Du hast mich gegen ein totes Mädchen ausgetauscht?!"

"Was sollte ich denn sonst machen?" Jaden hatte etwas beleidigt geklungen. "Dir Adoptiveltern suchen? Von Haus zu Haus gehen und fragen: 'Hallo, mein Vater will meine Schwester umbringen bzw. Böse machen, könnten sie auf sie aufpassen, ich komme sie in vier Jahren abholen'??"

Damit hatte er Recht, und es erklärte die Sache mit der Amnesie. In Gedanken fügte ich meinem Vortrag über die Krankheit, den ich in der siebten Klasse gemacht hatte, die Ursache 'Große Brüder' hinzu. Meine Lehrerin wollte damals unbedingt, dass ich den Vortag mache, schließlich war ich selbst "Opfer dieser schreckliche Krankheit" gewesen. Ich war nicht sauer auf Jaden. Ich wusste nur nicht, was ich von ihm halten sollte. Schließlich hatte ich ihn erst neu kennen gelernt, mit einigen Erinnerungen an ihn, während er mich schon immer kannte. Es war verwirrend.

Na ja. Jetzt war ich wieder hier. Ich zog den Reißverschluss meines Rucksackes zu und machte ihn mir um. Zu der 'Mission' wollte Jaden mir nur so viel sagen, das wir unseren Vater suchen werden. Warum, das kriege ich schon noch raus.

Ich ging zu Jaden ins Terminal. Inzwischen war auch Kaptain Skills anwesend. Und außerdem noch eine dritte Person: Eine Frau, etwa einen halben Kopf größer als ich. Kurze schwarze Haare mit einer lila und einer pinken Strähne drin. Als ich hereinkam ging sie raus und Jaden ergriff das Wort.

"Du hast gepackt? Gut. Na dann, auf gehts!"

Ich folgte Jaden wieder in den Gang hinaus.

"Frage: Wie genau kommt man hier raus? Ich habe weder einen Ein- noch Ausgang gesehen seit dem ich hier bin." Ich schaute Jaden fragen an.

"Oh, das konntest du nicht. Es gibt nur einen, und der liegt am anderen Ende des Quartiers. Reine Sicherheitsmaßnahme."

"Ah ja. Und wie lange dauert es bis wir dort sind?"

"Och, so um die fünfzehn Minuten bestimmt..."

Na vielen Dank auch.

Als wir endlich da waren verabschiedete ich mich noch von Kaptain Skills, dann fuhren wir in einer Art Fahrstuhl an die Oberfläche.

Oben angekommen brauchte ich ein paar Sekunden, bevor ich etwas sehen konnte. Ich hatte mich auf grelles Licht eingestellt, aber es war stockfinster. Ich erinnerte mich daran, was Jaden gesagt hatte: 'der Mond ist unsere Sonne'. Heißt das etwa, das hier die ganze Zeit Nacht ist?

"Nein, ungefähr zwei bis drei Stunden am Tag ist es hell.", sagte Jaden jetzt auf einmal. Erschrocken sah ich ihn an.

"Oh, sorry.", sagte er etwas verlegen. "Vielleicht sollte ich das mit dem Gedankenlesen lassen."

"Ja bitte." Inzwischen hatten sich meine Augen an das Dunkle gewohnt. Mit offenem Mund starrte ich in den Wald. Es war kein normaler Wald mit ein paar Bäumen links und rechts und Nadeln und Moos, nein, das hier war vollkommen anders. Der Boden war hier war großflächig bemoost, in einem saftigem Grün, an anderen Stellen sprossen kleine Pflanzen und Kräuter, sogar in Blüte stehende Blumen sah man. Die Bäume variierten sich, mal waren sie klein und überschaubar, mal verästet und ideal zum Klettern, teilweise waren sie auch riesig und sahen sehr alt aus. Der Mond hüllte alles in ein gespenstiges, aber irgendwie vertrautes Licht. Wenn man genauer hinsah, konnte man überall kleine Schatten umherflitzen sehen. Man sah diesem Ort einfach an, dass er lebte. Ich fühlte mich sofort zu Hause.

Jaden gab mir einen kleinen Schubs.

"Komm, Schwesterherz! Das ist nicht mal halb so schön wie manche andere Orte dieses Waldes!"

Ich war die ganze Zeit wie in einer Art Trance. Es war einfach zu schön. Alles war in silbriges Licht getränkt, und wenn ich hoch zum Mond schaute, konnte ich mich nicht sattsehen. Erst als ich wie Hans-Guck-in-die-Luft Jaden von der Seite rammte, erinnerte ich mich, wieso ich hier war.

"Wie läuft das jetzt eigentlich mit der Mission? Wir suchen unseren Vater, ja, und wenn wir ihn gefunden haben?"

Jaden sah betreten auf den Boden.

"Das wird dir nicht gefallen..." Seine blauen Augen schimmerten unschlüssig.

"Deswegen habe ich trotzdem das Recht es zu wissen!", gab ich argumentarisch zurück.

"Ja... reden wir morgen darüber."

Das gibt es doch gar nicht! Jetzt will er mich schon wieder abwimmeln! Allerdings war ich wirklich müde. Wir waren schon mehrere Stunden unterwegs. Deshalb nickte ich nur, ohne groß zu überlegen ob es so etwas wie »morgen« in einer Welt ohne richtige Tageszeiten überhaupt gab.

"Gut!", sagte Jaden, erfreut das Thema wechseln zu können. " Ich kenne eine Höhle nah am Fluss. Dort können wir übernachten."



Nightwatchers - Secret enemyWo Geschichten leben. Entdecke jetzt