Vom eigenen Bruder verprügelt zu werden, war schon hart.
Ich spürte nichts mehr, mein ganzer Körper war taub. Insgeheim schwor ich, nie wieder aus Wut so etwas Unüberlegtes zu tun.
Sie hatte mich nur angesehen. Joy war zurückgewichen, zwei Schritte nur. Ihr Gesicht war zunächst erschrocken gewesen, hatte dann aber neutrale Züge angenommen. Kein Lächeln. Keine Spur von Hass oder Ähnlichem. Nur ihre Augen, die mir sagten: Sei doch nicht so naiv, Lunacy.
Dann kam der erste Schlag. Jadens Faust traf mich von hinten am Kopf. Ich fiel zu Boden, meine Schulter traf hart auf einen Stein. Mein Bruder hielt mich am Boden fest. Und schlug immer und immer wieder auf mich ein.
Kopf. Brustkorb. Arm. Schulter. Ein Schlag sogar am Hals. Ich fühlte mich nicht wie ich, sondern wie eine Zuschauerin, weit, weit weg vom Geschehen. Ich spürte nur den Schmerz, sah in Jadens gefühllose Augen. Ich hörte auch Jacks Stimme. "Jaden! Jaden, was tust du da!?"
Und ich hatte Angst.
Sie kam langsam. Nach einigen Sekunden apathischem Betrachtens der Situation bemerkte ich, was Jaden da eigentlich tat. Ich fing an zu schreien. Denn plötzlich sah ich nicht mehr Jaden, sondern Vater vor mir knien. Eine Erinnerung, die zur falschen Zeit am falschen Ort kam. Denn von nun an hatte ich riesige Angst. Nicht nur vor meinem Vater. Auch vor meinem Bruder.
Und jetzt lag ich hier, in Jacks Armen, während er mich durch die Höhlen trug. Joy vor uns. Jaden hinter uns. Und alles kam mir vor wie ein unrealistischer Film.
Es war mir nicht peinlich, von Jack getragen zu werden, nicht in diesem Moment. Auch, wenn ich bei Bewusstsein war, war ich nicht wirklich... naja, man kann sagen "lebendig". Ich hörte nur unsere Schritte, die sich im Echo der Höhlen verloren. Irgendwann nahm ich dann auch Jacks Stimme wahr.
"Jaden, wieso hast du das getan?"
Jaden schwieg. Stattdessen sprach Joy für ihn. "Ach, Käptain. Schon vergessen? Er steht unter meinem Einfluss."
"Ich denke nicht, dass du so stark bist, um Jadens Willen einnehmen zu können."
Eine kurze Pause entstand. Joy schien sich zu genieren. Dennoch antwortete sie.
"Vielleicht bin ja nicht direkt ich es, die ihn kontrolliert."
"Sondern?" Jacks Frage war fast schon überflüssig. Die Antwort lag auf der Hand.
"Sein Vater." Mein Zwilling stieß einen amüsierten Laut aus. "Mein Gebieter. Glaubst du mir jetzt? Oder denkst du, Jady ist stärker als er?"
Jack schwieg. Wir liefen einige Minuten weiter. Ich spürte, wie er mir eine Strähne aus dem Gesicht strich. "Du müsstest langsam mal aufwachen, Luna."
"Ich bin wach", murmelte ich mit kratziger Stimme.
"Kannst du laufen?"
"Weiß nicht"
"Versuch es."
Jack ließ mich runter und ich kam wackelig auf die Beine. Jaden kam direkt hinter uns zum stehen. Ich versuchte, ihn zu ignorieren, aber sein Schatten bedeckte mich. Ich spürte seine Anwesenheit, die Dunkelheit, die ihn durchdrang. Der Schmerz seiner Schläge pochte dumpf an meinem Körper. Ich konnte ein Wimmern nicht unterdrücken.
Jaden packte Jack grob und ohne ein Wort and der Schulter und warf ihn nach vorn. Dabei fiel auch ich wieder zu Boden. Jack verlor die Nerven.
"Alter, was soll das denn? Das ist deine Schwester, schon vergessen?"
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Nightwatchers - Secret enemy
Fantasy"Mein Vater. Er weiß, wer ich bin. Zu was ich fähig bin. Wie ich lebe. Was ich liebe. Und er hat genug Macht um all das zu zerstören." Sophie ist ein ganz normales Mädchen. Bis sie eines Tages ihren Bruder Jaden kennen lernt. Nun soll sie auf einmal...