Kapitel 6

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POV Valeria

Langsamen Schrittes ging Santos nun rüber auf die andere Seite des Schreibtisches, setzte sich auf den Bürostuhl, lehnte sich zurück, dann zündete er seine Zigarre an. Amüsiert funkelten seine Augen zu mir rüber, während ich regungslos da stand und auf den nächsten Befehl wartete. Ich versuchte seinen Blick durchgehend zu erwidern, nur ab und zu gönnte ich mir eine Pause und blickte vor mich auf den Boden. Dann schaute ich wieder auf und verharrte weiterhin regungslos in meiner Position. Aber auch nach einer gefühlten Ewigkeit kam kein Wort von ihm. Meine Nase begann zu jucken, doch ich durfte mich nicht regen. Irgendwann begannen auch meine Füsse zu schmerzen, während Santos einfach nur da sass und mich musterte. Ab und zu atmete ich tief durch, was die bedrückende Stille, zusammen mit dem Knistern der Glut seiner Zigarre, jedesmal wenn er daran zog, etwas unterbrach. Nach einer Weile drückte er die Zigarre aus und lehnte sich gleich darauf wieder zurück. Sofort fand sein Blick den Weg zurück zu mir. Er liess ihn langsam über meinen ganzen Körper wandern, von meinem Kopf bis zu meinen Füssen. Meine Nase juckte immer schlimmer. Es war nach wie vor totenstill. Lediglich die tickende Uhr an der Wand gab mir Gewissheit, dass ich inzwischen schon etwa eine halbe Stunde so da stand.

"Sir, wenn Sie mir erlauben..."
"Hab ich dich aufgefordert zu sprechen, Valeria!?" unterbrach er mich forsch.
"Nein Sir" gab ich kleinlaut von mir und verharrte weiterhin regungslos vor ihm.

Die Körperposition wurde allmählich wirklich unbequem, ausserdem war mir heiss. Ich begann zu schwitzen unter meinem Hoodie.

Ein paar Minuten später klingelte sein Telefon.

"Santos?" sagte er mit strenger Stimme, als er sich das Handy ans Ohr hielt. Ich blickte wieder zu Boden, während er telefonierte. Nur ab und zu spickte ich hoch zu ihm, um festzustellen, dass er auch während dem Telefonieren seinen Blick nicht von mir wendete.

Das Telefonat dauerte etwa eine viertel Stunde, danach nahm er seinen Laptop hervor, tippte ein paar Sachen ein, während ich nach wie vor regungslos mitten in seinem Büro stand. Was Sascha wohl gerade tat? Ob Rico immernoch in der Lobby sass? Ob es mir zum Abendessen reichen würde? Ich fragte mich, ob Santos verheiratet war oder nicht. Hatte allgemein jemand, der hier arbeitete, eine Ehefrau oder einen Ehemann? Vielleicht sogar Kinder?

Eine weitere Stunde verging, bis er aufstand und zu mir rüber kam. Langsam ging er um mich herum, musterte mich von allen Seiten und stellte sich dann unmittelbar hinter mich, so dicht, dass ich seine Körperwärme durch den Hoodie an meinem Rücken spüren und sein Atem direkt hinter meinem Kopf hören konnte. Der Drang, einen Schritt nach vorne zu machen, war gross. Ich fühlte, wie meine Hände schwitzig wurden. Die Hitze, die unter meinem Hoodie entstand, wurde immer intensiver.

"Sarasin" hörte ich ihn leise sagen.
"Sie scheinen so nervös."
*Ach, was du nicht sagst, man!*
"Es tut mir leid, Sir. Diese Situation ist etwas ungewohnt für mich."
"Ach, tatsächlich? Ich könnte schwören, ich hab vor etwa zwei Stunden genau eine solche Situation unterbrochen, als Sie bei Sturm im Büro standen und sich an ihm fest gekrallt haben."

Er machte einen Schritt um mich herum, sodass er nun wieder unmittelbar vor mir stand. Dann legte er wieder seine Hand unter mein Kinn und drehte mein Gesicht zu sich hoch. Ich musste damit kämpfen seinem Blick stand zu halten. Einerseits weil es mir nach wie vor unangenehm war, dass er mich vorhin mit Sturm ertappt hatte, ausserdem wurde der Blickkontakt zunehmend intensiver.

"Ich bin neugierig, Sarasin. Erzählen Sie mir doch mal, was Sturm so ausmacht. Wieso ausgerechnet er? Worin unterscheidet er sich von den anderen Mentoren hier?"
Ich hatte beim besten Willen keine Ahnung, was er von mir hören wollte, geschweige was ich darauf antworten sollte.
"Erzählen Sie mir, wie das zwischen Ihnen beiden entstanden ist!"

Discipline and Desire - An der Seite des MentorsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt