Discipline and Desire - An der Seite des Mentors

Kapitel 22

POV Valeria

Es war duster, als ich wieder wach wurde. Ich lag in meiner Schlafkapsel. Ein schneller Blick auf meinen Tracker gab mir Gewissheit über die Uhrzeit: 5.00 in der Früh. Das vierte Mal, dass mein Schlaf in dieser Nacht schon unterbrochen wurde.

Kein Wunder. Meine Gefühlswelt und die jüngsten Geschehnisse suchten mich in meinen Träumen auf und beeinträchtigten meine Schlafqualität. Und ich fragte mich, ob es Rico ähnlich ging. Oder ob ihn all das viel weniger berührte.

Ich setzte mich auf und seufzte. In einer halben Stunde würde der Tag ohnehin beginnen. Also wieso nicht gleich jetzt aufstehen.

Als ich meine Schlafkapsel verliess, zog ich mir meine Jacke über, ging zum grossen Fenster und blickte raus. Es war noch dunkel. Die Landschaft sah aber freundlicher aus als die letzten Tage. Vielleicht lag es daran, dass meine Stimmung um ein vielfaches besser war. Ich schmunzelte.

Durch die Dunkelheit konnte ich erkennen, dass da was im See schwamm. Obwohl es von der Grösse und den Bewegungen her aussah wie ein Mensch, wagte ich nicht zu vermuten, dass es tatsächlich einer war. Ich meine, wer sollte sich das schon freiwillig antun? Mitten in der Nacht in einem eiskalten See schwimmen zu gehen?

Leise öffnete ich das Fenster und ging raus.

Durch die Dunkelheit schlich ich mich etwas weiter runter ans Ufer, nur so weit, dass ich mich noch versteckt halten konnte. Zu meinem Erstaunen war es tatsächlich eine Person, die da gerade ans Ufer schwamm. Sie erreichte die Felsen, hievte sich hoch. Ein unglaublich massiver Körper. Erst jetzt erkannte ich, dass das Sascha war. Verdutzt beobachtete ich ihn.

Er griff nach dem Handtuch vor sich auf dem Boden und richtete sich fast schon majestätisch zu seiner stolzen Körpergrösse auf. So leise wie möglich schlich ich etwas näher. Noch bevor ich aus der Dunkelheit trat, drehte er den Kopf in meine Richtung. Ich erschrak etwas. Er konnte mich doch unmöglich gehört, geschweige denn gesehen haben!

"Du tust das freiwillig!?" fragte ich ihn ungläubig, als ich mich aus der Dunkelheit wagte und auf ihn zuging. Erst als ich direkt vor ihm stand, wandte er sich zu Wort.
"Denkst du, ich versuche euch von etwas zu überzeugen, wovon ich selbst nicht überzeugt bin?"
Ich lachte.
"Du bist unglaublich, und irgendwie ein bisschen krank. Sträubt sich da nicht alles in dir? Ich meine, du stehst in aller Früh freiwillig auf, bloss um in einem eiskalten, dunklen See schwimmen zu gehen!"
Er schmunzelte.
"Wenn man sich immer die einfachere, gemütlichere Alternative als Option freihält, dann fällt der Kampf gegen den inneren Schweinehund viel schwerer."
Ich nickte.
"Aber stimmst du mir immerhin zu, dass es viel gemütlicher wäre, etwas länger liegen zu bleiben?"

Mit dieser einfachen Frage schien ich ihn gerade ganz schön ins Grübeln gebracht zu haben. Fast schon verwirrt betrachtete er mich, so als ob er sich diesen Gedanken noch gar nie gemacht hätte.

"Wahrscheinlich schon" antwortete er nach einer Weile.
Ich schmunzelte.
"Wahrscheinlich?"
"Doch, du hast recht. Es wäre gemütlicher."
"Diese Einsicht scheint dir ganz schön schwer zu fallen, was?"
"Tja, ich schätze, ich bin nicht sonderlich geübt darin, in mich hineinzuhorchen und gemütlichere Alternativen ausfindig zu machen."
"Tatsächlich?"
Er nickte.
"Du hast ja neulich Bekanntschaft mit meinem Vater gemacht. Undiszipliniertes Verhalten wurde bereits in meiner frühen Kindheit im Keim erstickt. Seit ich mich zurück erinnern kann, steht Disziplin immer an erster Stelle. Für manche Dinge, die anderen logisch erscheinen, muss ich ein zweites Mal nachdenken und mein eigenes Verhaltensmuster hinterfragen. Das ist gar nicht so einfach. Verstehst du, was ich meine?"

Ich nickte und ging auf ihn zu. Schüchtern legte ich meine Hände auf seine nackte Brust. Sie war eiskalt und nass. Er beobachtete währenddessen jede meiner Bewegungen. Manchmal wirkte es so, als würde er das Verhalten von anderen Leuten so genau analysieren, um besser zu verstehen, wie menschliche Interaktionen funktionieren.