Kapitel 3

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POV Valeria

Völlig erschöpft liess ich mich am selben Abend ins Bett fallen. Ich hatte total vergessen, wie sehr mir die langen Tage und die intensive körperliche Belastung an die Energiereserven gingen. Schwerfällig zog ich meine Schuhe und die Jacke aus, legte beides sorgfältig an ihren Platz und bereitete mich mental darauf vor gleich wieder aufstehen zu müssen und mich von der wärmenden Kleidung zu befreien, um mich unter die Dusche zu stellen.

Gerade als ich mir den Hoodie über den Kopf ziehen wollte, klopfte es an der Tür. Sascha trat ein, schloss die Tür hinter sich und kam auf mich zu. Ich stand instinktiv auf. Er hatte eine völlig andere Wirkung auf mich, jetzt wo er wieder die ZEUSS Uniform trug. Obwohl er auch privat nur äusserst selten eine andere Farbe als schwarz trug, wirkte er in seiner Uniform gleich viel strenger und autoritärer.

Kurz vor mir blieb er stehen, musterte mein Gesicht, bevor er sachte mein Kinn in seine Hand nahm.

"Deine sportlichen Fähigkeiten begrenzen sich nicht auf den Sprint, Valeria. Zerbrich dir nicht den Kopf wegen Constanzo."
Seine nun sanfte Stimme zu hören war wie Balsam, besonders nachdem ich sie heute fast ausschliesslich laut und streng rufen gehört hatte.
"Du hast uns beobachtet?"
Seine Blicke musterten mich bis ins kleinste Detail.
"Ich lasse dich nur ungern aus den Augen, Valeria. Natürlich habe ich dich beobachtet."
Ich nickte stumm und wollte soeben mein Gesicht zu Boden wenden, als Saschas Griff um mein Kinn meinem Vorhaben entgegenwirkte. So schaute ich ihm wieder in die Augen.
"Dieses zermürbende Gefühl, das dich deswegen innerlich zerreisst, ist dein gekränkter Stolz, nichts weiter."
Wieder nickte ich stumm.
"Lege ihn ab. Stolz wird dich nie im Leben weiter bringen. Er vergiftet dich nur."
Diesmal schüttelte ich den Kopf.
"Das kannst du ja leicht sagen. Du bist perfekt. Aber ich bin es nicht. Und das Einzige, in dem ich die Beste war, wurde mir jetzt genommen."
"Reduziere dich selbst nicht auf diese eine Disziplin, Valeria. Du bist ganzheitlich vollkommen, das Vollkommenste, auf das ich in meinem ganzen Leben gestossen bin."
Erst jetzt löste sich sein Griff um mein Kinn allmählich und er legte seine Hand in meinen Nacken. Er zog mich ein Stück zu sich, bis ich die Stirn gegen sein Brustbein lehnte. Dann fuhr er mit der Handfläche über meinen Rücken.
"Leg dich schlafen, Babygirl. Morgen wartet ein herausfordernder Tag auf dich."
"Noch beschissener als der Heutige kann er ja kaum werden."
Ich hörte ihn leise schmunzeln. Dann gab er mir einen Kuss auf die Stirn und verliess mein Zimmer.

"Die Herrschaften!"
Müde blickte ich am nächsten morgen zu Sturm nach vorne, der mit stolzer Körperhaltung die Aufmerksamkeit der ganzen Gruppe genoss, während ich zusammen mit meinen Mitschülern in einer Reihe da stand.
"Die Dame"
Wie immer nickte er kurz zu mir rüber.
"Sie werden heute mit dem Kältetraining, unserem Eisbecken und den gesundheitlichen Vorteilen von Kälte vertraut gemacht!"
Na toll! Ich hätte es wissen müssen! Ich hätte bereits drauf kommen können, als Sturm mich heute früh dazu aufforderte meinen Badeanzug unter der Uniform anzuziehen. Oder als er uns vor dieses Eisbecken zitiert hatte. Nun standen wir da bei Minustemperaturen, auf dem Asphalt unter meinen Schuhen lag eine dünne Schneeschicht, während uns Sturm gerade erklärte, dass wir uns gleich in Dreiergruppen aufteilen sollten, um uns in das teilweise zugefrorene Wasserbecken zu stürzen, das wie der Endgegner vor uns lag.
Wieso bin ich heute früh überhaupt aufgestanden? Ich hätte einfach sagen sollen, dass ich mich nicht wohl fühlte und hätte mich dann den ganzen Tag im Bett verkriechen können.
Dann wurden wir dazu aufgefordert uns unseren Kleidern zu entledigen. Ich holte tief Luft, bevor ich meine Jacke von den Armen streifte, meinen Gürtel und die Hose öffnete, die Schuhe auszog, gefolgt von meiner Cargohose und schliesslich den Hoodie über den Kopf zog. Es war so verdammt kalt, dass es mir schwer fiel ruhig zu atmen. Und der schwarze Badeanzug war selbstverständlich an keiner einzigen Stelle gepolstert oder verstärkt, sodass ich meine Arme schützend vor meiner Brust verschränkte und dabei die Schultern nach oben zog. Ich hatte Gänsehaut am ganzen Körper. Im Augenwinkel konnte ich ausserdem bereits Stamm erkennen, der von rechts auf mich zukam. Anhand seines Grinsens und seinen Blicken, die lüstern über meinen spärlich bekleideten Körper wanderten, konnte ich seine Absichten bereits 10 Kilometer gegen den Wind riechen. Er war nun etwa zwei Meter von mir entfernt und wollte gerade um mich herum gehen. Seine Hand war bereits ausgestreckt, während er meinen Po anpeilte. Doch bevor er auch nur etwas sagen, geschweige denn tun konnte, hielt Sturms strenge Stimme ihn von seinem Vorhaben ab.
"Da wir alle erwachsen sind, werden wir unsere Blicke weiterhin nach vorne richten und unsere Aufmerksamkeit verdammt nochmal der bevorstehenden Aufgabe widmen!"
Sein strenger Blick haftete beinahe schon statisch auf Stamm und folgte jeder seiner Bewegungen, während dieser nun wieder den Weg zurück zu seinem Platz in Angriff nahm. Wir standen also wieder in einer Reihe vor Sturm und hörten seinen weiteren Anweisungen zu.
"Der erste Kälteschock kann dazu führen, dass Sie ihr Bewusstsein verlieren. Es ist deshalb essenziell, dass Sie Ihren Körper langsam an die Kälte gewöhnen und sich auf eine ruhige und tiefe Atmung konzentrieren."
Sein analytischer Blick schweifte während seiner Rede immer wieder rüber zu Stamm.
"Sie befinden sich hier in einem geschützten Umfeld. Sollten Sie also tatsächlich das Bewusstsein verlieren, werden Sie rasch aus dem Wasser gezogen. Mitte Februar werden wir zusammen mit der Performer Gruppe B für zwei Wochen ein Camp besuchen, bei dem Sie realeren Situationen ausgesetzt werden."
Blitzartig drehte er seinen Kopf rüber zu Stamm.
"STAMM! Runter auf den Boden. SOFORT!"
Ich hörte die schnellen Bewegungen von Stamm und konnte erahnen, dass er Sturms Befehl in Windeseile gefolgt war und sich nun in der Planking Position befand. Im nächsten Moment sah ich zu, wie Sturm rüber zu ihm ging und kurz vor seinem Kopf stehen blieb. Nun sah er streng und etwas verärgert zu ihm runter.
"Wenn Sie, zusammen mit dem Rest der Gruppe, im Bereit stehen, wird von Ihnen verlangt regungslos nach vorne zu blicken! Was zum Teufel haben Sie daran nicht verstanden?"
"Es tut mir leid, Sir!"
Stamms Stimme klang angestrengt.
"Ich will Sie verdammt nochmal kein weiteres Mal daran hindern müssen, dass Sie sich Rückwerts aus der Reihe schleichen, bloss um gewissen Anwesenden auf den Hintern zu starren, Stamm!"
Ich musste schmunzeln.
"Ja, Sir! Tut mir leid, Sir!"
Sturm trat wieder zurück und widmete sich der Gruppe. Während wir uns in Gruppen aufteilten und sachte den ersten Kontakt mit dem kalten Wasser suchten, verharrte Stamm weiterhin in der Planking Position. Sturm befreite ihn erst am Ende der Übung davon.

"Verdammte Scheisse!" fluchte ich, als ich gerade wieder zu mir kam. Natürlich war ich ohnmächtig geworden. Es war mir ein Rätsel, wie es den anderen geling diese Kälte ohne Weiteres zu ertragen. Ich schlotterte am ganzen Körper, meine Haut schmerzte, der Kopf dröhnte vor Kälte. Alles in mir weigerte sich noch einmal in dieses Höllenloch zu springen. Rico, der sich inzwischen wieder seinen Hoodie angezogen hatte, kauerte neben mir und lachte mich aus. Idiot.

Nur wenig später fand ich mich im Performer-eigenen Fitnessstudio. Ich trainierte den ganzen Frust über die letzten beiden Tage aus mir raus, hörte dabei laut Musik, um sämtliche Gedanken zu übertönen.
*Erst dieser blöde Brian und jetzt auch noch das Kältetraining! Dieses Jahr könnte nicht beschissener starten!*
Laut liess ich die Langhantel zu Boden fallen, als ich die letzte Wiederholung der Deadlifts beendet hatte. Dann blickte ich auf. In der Eingangstüre konnte ich Quinn sehen, die mich schmunzelnd aus der Ferne beobachtete. Ich warf mir mein Handtuch über die Schulter und wollte gerade auf sie zugehen, als sie sich bereits auf den Weg zu mir machte.
Hier angekommen nickte sie kurz runter auf die Gewichte.
„Ist das etwa schon alles? Mehr schaffst du nicht?"
Sie zwinkerte mir zu.
„Sorry, ich bin eben keine ehemalige Powerlifterin wie du!"
Sofort merkte sie, dass mir ihr Spruch näher ging als beabsichtigt.
„Komm mal runter, Val! Das war nur ein Scherz! Heute lief's wohl nicht besser als gestern, was?"
Vielsagend schaute ich sie an.
„Das kannst du laut sagen."
Sie klopfte mir auf die Schulter, vergrub ihre Hände anschliessend tief in den Hosentaschen und schaute sich unauffällig um. Dann neigte sie sich zu mir nach vorne.
„Ich hab dafür was für dich."

Kurze Zeit später sassen wir in der Damen Umkleide nebeneinander auf der Holzbank. Quinn hielt mir eine kleine, weisse Plastikdose entgegen. Ich griff nach ihr, schraubte den Deckel auf und musterte die kleinen Pillen, die da drin lagen.
„Wieviel auf's Mal empfiehlst du mir?"
„Die Dinger sind hochdosiert. Eine reicht vollkommen."
Ich drehte meinen Kopf zu ihr.
„Danke, Quinn. Was bin ich dir schuldig?"
„Ach was" begann sie lachend. „Das einzige, was du mir schuldig bist, ist dass du kein Wort darüber verlierst, in Ordnung? Du darfst dich nicht dabei erwischen lassen. Wenn das rauskommt, fliegen wir beide hier raus."
Ich nickte und verstaute die Dose tief in meiner Sporttasche. Kurz darauf kamen wir wieder raus.

„Ist das Defender-eigene Gym etwa geschlossen, oder was?"
Rico nickte zu uns rüber, als wir aus der Umkleide kamen und die Trainingsfläche wieder betraten. Im selben Moment begann er frech zu grinsen.
„Weisst du Rico, eigentlich wollte ich nur mal schauen, ob ihr inzwischen eure jämmerliche Leistung verbessern konntet!"
Ihr Blick fiel auf die Kurzhanteln, mit denen Rico soeben seine Schultern trainiert hatte.
„Aber anscheinend dauert es noch einen Moment, bis ich hier auf ebenwürdige Konkurrenten stosse."
Ich musste mir das Grinsen verkneifen. Rico starrte sie mit offenem Mund an. Dann schüttelte er den Kopf, beugte sich runter, um die Gewichte hoch zu heben. Dann drückte er sie Quinn in die Hände.
„Na schön, fünfzehn Wiederholungen. Na los! Sollte ja kein Problem sein für dich!"
Herausfordernd blickte er ihr in die Augen, während sie die Hantel entgegen nahm, die zweite Hantel vom Boden aufhob und einen Schritt zurück machte. Als sie mit der Ausführung begann, widmete ich mich wieder meinem eigenen Training. Am selben Abend ging ich dann auf die rote Rennstrecke. Wieder und wieder versuchte ich meinen Rekord im Sprint zu knacken. Doch viel erfolgreicher als Gestern war ich leider nicht.

Die darauf folgenden Tage war ich jede freie Minute verbissen damit beschäftigt meine Leistung zu verbessern. Ich trainierte mehrere Stunden am Tag, die kleinen, magischen Pillen waren dabei mein ständiger Begleiter. Wie auch schon letztes Jahr mussten wir die ersten Wochenenden auf dem Areal verbringen und vertrieb dabei die Frust darüber mit noch intensiverem Training. Ganz egal ob es draussen regnete, schneite oder stürmte, die Verbesserung meiner Leistung stand für mich an oberster Stelle. Und wenn ich nicht draussen trainierte, war ich eben im Fitnessstudio.

Das Kältetraining wurde mein neuer, ärgster Feind. Immer wenn Sturm mich morgens dazu aufforderte den Badeanzug unter der Uniform anzuziehen, lief es mir kalt den Rücken runter. Mein Körper wollte sich einfach nicht daran gewöhnen.

Discipline and Desire - An der Seite des MentorsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt