Kapitel 13

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POV Valeria

Mit festem Griff umklammerte ich die Olympiastange über mir, nahm sie von der Halterung, führte sie weit runter zu meiner Brust und stiess sie kraftvoll nach oben. Dann wieder runter und erneut mit aller Kraft empor. Sieben, acht Mal tat ich das, bevor die Energie in meiner Muskulatur nachliess, die Ausführung instabil wurde und ich die Stange mit zitternden Armen gerade so zurück in die Halterung hieven konnte. Dann setzte ich mich auf.

Ein paar Meter vor mir stand Rico am Squatrack. Er hatte seine Oberarme auf der Stange abgelegt, die auf Höhe seiner Schultern hing, und nickte lächelnd zu mir rüber. Dieses Lächeln... Wie um alles in der Welt sollte ich jemals darauf verzichten können?

„Das mit der Trainingspause wird wohl nichts, was?"
Ich schmunzelte und verdrehte die Augen.
„Jaja, jetzt komm mal wieder runter. Ich trainiere ja nur meinen Oberkörper."
Er lachte und schüttelte dabei bemitleidend den Kopf. Er wusste genau, dass ich tausend Mal lieber meine Beine trainierte als meinen Oberkörper.

Wie gerne wäre ich zu ihm hingegangen und hätte mit ihm zusammen eine Squat-Session absolviert, neue Rekorde aufgestellt, mich mit ihm gerangelt. Ich dachte an so manch vergangenen Moment, der mir gegenwärtig vorkam wie ein schöner Traum. Ich hätte diese Momente viel mehr geniessen müssen und hasste mein Vergangenheits-Ich dafür, dass ich all das immer als zu selbstverständlich gesehen hatte.
Eine Squat Session mit Rico würde so schnell nicht mehr vorkommen. Einerseits wegen der Trainingspause, andererseits weil ich auf Distanz bleiben musste. Zweiteres fiel mir massiv schwerer.

Als hätte er meine Gedanken gelesen, wandte er sich wieder zu Wort.
„Tja, du musst eifersüchtig sein auf mein heutiges Workout, was?"
Ich schmunzelte und schaute zu Boden.
„Da hast du gar nicht mal so unrecht."
Ich blickte wieder zu ihm hoch, bevor er mir den Rücken zudrehte, die Stange fest in den Griff nahm und sie sich auf die Schulter sattelte. Er hub sie aus der Halterung, machte zwei Schritte zurück und stellte sich hüftbreit hin. Dann schaute er über die Schulter hinweg zu mir.
„Schaust du mir etwa schon wieder auf den Hintern?" fragte er vorwurfsvoll, sein Grinsen stets aufrecht erhaltend.
„Was?!"
Lachend schüttelte ich den Kopf.
„Ich schau dir überhaupt nicht auf den Hintern, Diva!"
„Ja klar, glaubst wohl, ich spüre deine Blicke nicht, was?"
Dann zwinkerte er mir zu. Sofort schoss mir das Blut in die Wangen. Als wär nichts gewesen schaute er gleich wieder nach vorne. Er sammelte sich kurz, blickte seinem Spiegelbild konzentriert in die Augen, dann begann er mit der Ausführung.

Langsam und konzentriert ging er runter in die Knie, pausierte kurz, um das enorme Gewicht gleich darauf mit vollem Körpereinsatz empor zu stemmen. Währenddessen geschah es fast schon automatisch, dass meine Aufmerksamkeit etwas weiter runter rutschte und einen kurzen Blick auf seinen Hintern erhaschte.

Diese verdammten Cargohosen...

„Val! Hör auf mir ständig auf den Hintern zu starren! Ich kann mich nicht konzentrieren, wenn du mich so begaffst!"
Erst jetzt merkte ich, dass er mich durch den Spiegel vor sich beobachtete.
„Ich habe nicht... Ach halt doch die Schnauze!"
Peinlich berührt schaute ich weg und musste mir das Grinsen verkneifen. Ich hörte sein Lachen lauter werden.

Wie um alles in der Welt sollte es mir gelingen mich von ihm fern zu halten? Er war mein allerbester Freund, an so manchen Tagen war er der einzige Sonnenschein in einer trüben Suppe aus Müdigkeit und fehlenden Nerven. Besonders an Tagen hier bei den ZEUSS, wenn Sascha mir tausende Meilen entfernt schien. Wie die warmen Sonnenstrahlen im Gesicht, die mich mit neuer Energie versorgten.

Wie oft hatte mir seine Singstimme ein warmherziges und aufrichtiges Lächeln ins Gesicht gezaubert, während wir gemeinsam irgendwelche Lieder sangen. Die Frühlingsgefühle wurden dominanter bei diesen Erinnerungen. Ich konnte sie kaum unterdrücken. Es zerriss mir das Herz, wenn ich daran dachte, ihn zurück zu weisen, bei alltäglichen, freundschaftlichen Dingen. Der blosse Gedanke daran, ihn zu verlieren, liess meine Augen wässrig werden. Ich presste sofort die Augenlider zusammen, atmete tief durch und versuchte diese Vorstellung fern zu halten. Sie war zu schmerzhaft. Doch die tief sitzende Traurigkeit war zu präsent. Also stand ich auf und verliess fluchtartig die Trainingsfläche.

Discipline and Desire - An der Seite des MentorsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt