Willst du mich eigentlich verarschen?!?

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Liebe C,

Was ich dir noch sagen wollte: „Willst du mich eigentlich verarschen?!?"

Deine Mutter hat mich heute angerufen. Du möchtest gerne wieder zu uns kommen. Du warst so gerne bei uns, du hast dich so wohl gefühlt, und es hat so, sooo viel geholfen. Achso, deshalb hast du vorzeitig abgebrochen, und nichts getan was wir empfohlen haben? Deshalb hast du dich an keinen Aktivitäten beteiligt und uns beinahe kontinuierlich gezeigt, wie Kacke du uns findest? - Logisch. Jetzt macht das natürlich alles einen Sinn. Nicht.

Innerlich so richtig gekotzt habe ich allerdings erst bei folgender Aussage: Mit mir konntest du über alles reden. - What. the. fuck!? Entschuldige, waren wir im gleichen Zimmer? Bin ich versehentlich in ein Wurmloch gefallen und in einem Paralleluniversum herausgekommen? Habe ich klammheimlich eine Psychose entwickelt und meinen Bezug zur Realität verloren?

In meinem Universum und in meiner Variante der Gespräche haben wir uns kaum unterhalten. Was vor allem daran lag, dass DU NICHT GESPROCHEN hast!

Deine Beiträge zum Gespräch bestanden in der Regel maximal aus einem Schulterzucken. Und das war an guten Tagen. An schlechten Tagen hast du dich mit verschränkten Armen von mir weggedreht und mir wortwörtlich die kalte Schulter gezeigt. Und geschnaubt. An wirklich schlechten Tagen hast du geschnaubt, wenn ich dich etwas gefragt habe.

Mein absolutes Lieblingsstück war aber unser vorletzter Termin. Sehen wir es positiv: Du hast gesprochen. In richtigen Worten und sogar einem ganzen Satz. Als ich nochmal kurz wegmusste und mich entschuldigt habe, dass ich gleich wiederkomme, hast du gesagt, O-Ton: „Ist egal, ich rede eh nicht mit Ihnen."

Du hast dich in diesen Gesprächen wohl gefühlt? Schön für dich. Ich nicht!

Ich weiß warum du so bist, ich weiß wie du so geworden bist und ich weiß, dass auch du selbst dich damit Kacke fühlst. Ich weiß das alles und ich kann es verstehen. Dein Leben war und ist Kacke.

Und ja, geteiltes Leid ist halbes Leid. Sagt man. Damit ist allerdings bestimmt nicht gemeint, dass man seine schlechte Laune an alle anderen weitergeben soll oder darf. Dein Leben wird nicht weniger Kacke, wenn du dem Rest der Welt den Tag versaust.

Natürlich war ich im Kontakt zu dir professionell. Ich habe dich verstanden, wenn du es gebraucht hast, und ich habe dir in den Hintern getreten, wenn du das gebraucht hast. Meine eigenen Gefühle haben nie eine Rolle gespielt, und wenn doch habe ich sie total therapeutisch wertvoll genutzt. Aber jetzt und hier, ganz privat, darf ich beleidigt und rachsüchtig sein. Und dir die vielen Stunden verschwendete Lebenszeit heimzahlen. Die Anspannung. Die Langeweile. Die aufgestauten Aggressionen.

Ich weiß, weshalb du wirklich wiederkommen möchtest. Von wegen Wohlfühlen und so. Du bist in der Realität angekommen und hast festgestellt, dass du die Schule noch ein bisschen mehr Kacke findest als uns. Deshalb willst du zurück.

Klappt aber nicht. Ätschibätsch.

Und bevor du mir jetzt unterstellt, hier nur meine Rache auszuleben: Manchmal muss man den Weg zurück versperren, damit Menschen einen Schritt nach vorne machen. Also ein letzter Tritt in den Hintern von mir: Los, ab in die Realität!

Was ich dir noch sagen wollte...Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt