Nein, das verstehe ich jetzt nicht

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Liebe Frau L,

Was ich Ihnen noch sagen wollte: „Nein, das verstehe ich jetzt nicht."

Ich kann es knapp halten. Ich leide, wie der Rest meiner Kolleginnen auch, unter einer schrecklich nervigen Berufskrankheit: Ich habe beinahe krankhaft Verständnis für alles und jeden. Und ich habe es so satt.

Nein, ich verstehe nicht, wie Sie so beschäftigt sein können, dass Sie es anderthalb Wochen nicht schaffen, mich kurz zurückzurufen, um einen Termin für ein Elterngespräch auszumachen. Nein, ich verstehe nicht, was Ihre Allergien damit zu tun haben. 

Nein, ich verstehe nicht, warum Sie es nicht schaffen, ihrem zehnjährigen Sohn morgens zu sagen, bei wem er abends schlafen wird. Ob bei Ihnen oder Ihrem Ex. Vor allem verstehe ich nicht, warum das seit Wochen jeden Tag so ist. Und nein, es ist mir absolut unverständlich, warum Sie diese Taktik weiterfahren, obwohl es Ihren Sohn kirre macht und er sich so nach Stabilität sehnt, dass er am liebsten bei uns einziehen würde. Welcher Junge plant denn ernsthaft in eine Klinik zu ziehen, in der es nicht mal Betten gibt?

Ich verstehe noch etwas nicht. Ich verstehe nicht, weshalb Sie sich noch Monate nach der Trennung täglich mit Ihrem Ex am Telefon streiten. Ich meine, macht Ihnen das Spaß? Muss wohl so sein, sonst würden Sie doch einfach damit aufhören, oder?

Und natürlich gehören immer zwei dazu. Und natürlich ist da auch Ihr Ex beteiligt. Und natürlich haben Sie beide eine lange Tradition miteinander. Sie sind aber auch beide erwachsene Menschen. Benehmen Sie sich gefälligst auch so!

Was ich dir noch sagen wollte...Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt