Du hast mir meinen Tag versüßt

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Liebe J,

Was ich dir noch sagen wollte: „Du hast mir meinen Tag versüßt."

Meine Liebe, wir haben heute smalltalk geübt. Tatsächlich habe ich dich sehr gelobt, weil du für deine Verhältnisse brillante rhetorische Leistungen gebracht hast: Du hast in ganzen Sätzen gesprochen und in einer Lautstärke, dass ich dich in zwei Metern Corona-Abstand und trotz Maske tatsächlich verstanden habe. Das klingt jetzt vielleicht ein bisschen spöttisch, ist aber gar nicht negativ gemeint. Wenn man bedenkt wie unsere ersten Gespräche gelaufen sind, ist das ein unglaublicher Fortschritt.

Welches Thema dich so animiert hat? Du schreibst ein Buch. Keine Geschichte, nein, gleich ein ganzes Buch. Eigentlich wolltest du mir die Story gar nicht erzählen, weil du Angst hattest. Nicht das es peinlich wird oder sie schlecht sein könnte oder ich dich kritisieren könnte. Sondern dass ich das Buch dann nicht kaufen würde, sobald es veröffentlicht wird. Soviel zu gesundem Selbstvertrauen.

Ich habe dir also versprochen, dein Buch auf alle Fälle zu kaufen, wenn es veröffentlicht wird. Du musst mir dann nur eine Mail schreiben, damit ich Bescheid weiß.

Es geht um Liebe. Worum auch sonst. Um zwei Männer. Einer 21, Geschäftsführer. Einer 17. Wie sie sich kennenlernen? Der eine schüttet dem anderen Kaffee übers Hemd. Deshalb hassen sie sich auch erst. Dann verlieben sie sich aber doch. Wie es dazu kommt, weißt du selbst noch nicht genau.

Jedenfalls kommen sie dann zusammen, aber weil ihre Familien homophob sind, halten sie es erst noch geheim. Dann kommt es raus. Wie genau weißt du auch noch nicht. Dann gibt's Drama und sie trennen sich. Und für den Rest der Geschichte muss der Leser den zweiten Teil kaufen.

Ich habe dir jetzt mal den Tipp gegeben, die Geschichte vielleicht schonmal jemandem zum Lesen zu geben. Es gibt da diese nette Seite, Wattpad, da kriegt man dann auch ganz viele Tipps und Rückmeldungen, was man noch besser machen kann.

Außerdem noch ein Tipp, ganz therapeutisch: Viele Autoren verarbeiten in ihren Büchern auch eigene Themen. Zum Beispiel Liebeskummer. Den kann man dann besonders gut beschreiben, weil man weiß wie es sich anfühlt. Das kommt bei den Lesern immer besonders gut an. Und, kleiner Nebeneffekt: Dann muss ihn sich deine Therapeutin vielleicht nicht zum 111. mal anhören.

Für den zweiten Tipp hast du dich bei mir bedankt. Das Jugendliche sich tatsächlich bedanken, passiert nicht oft. Damit hast du mir jetzt wirklich den Tag versüßt. Vielen lieben Dank dafür.

Was ich dir noch sagen wollte...Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt