„Ich benötige ein Darlehen", sagte Alexander zu dem Bediensteten am Schalter.
Die Bank lag im Norden von Schlossgraben. Ein altehrwürdiges Gebäude, das früher einzig dazu diente, den Staatsschatz zu hüten. Nun erfüllte neben einer Unzahl von Wachen angeregtes Treiben die Räumlichkeiten, welche auf einer unermesslichen Menge von Gold und Silber thronten.
Viele Adlige, die ein schnelles Geschäft zu tätigen hatten, gingen hier ein und aus. An den Tischen rund um ihn herum wurde disputiert, wurden Verträge aufgesetzt und Schulden beglichen. Es war zu einer üblichen und sichereren Bezahlungsmethode geworden, größere Geschäfte mit Hilfe von Bancozetteln zu tätigen. Im Grunde waren es Schuldscheine, die die Bank gegen einen entsprechenden Gegenwert aushändigte. Häufig wurde dieser erst im Nachhinein geliefert. Beispielsweise bis der Zehnt von den Bauern erbracht wurde. Somit konnte ein Kaufvertrag bereits besiegelt werden und sobald der Käufer seine Schuld in Münze bei der Bank aufwog, gelangte der Verkäufer an sein Geld. Entsprechend wohlhabenden Schuldnern schenkte die Bank einen Vertrauensvorschuss, sodass der Gläubiger sein Geld erhielt, bevor der Käufer dieses eingelegt hatte. Ein Vertrauen, das den Zins solcher Angelegenheiten natürlich um einiges in die Höhe trieb.
„Über welche Höhe darf ich Euch einen Bancozettel aushändigen, Herr Arling?", fragte der Bankbedienstete.
„600 Gulden", sagte Alexander, der sogleich die Schuld des Zirkusses miteinkalkuliert hatte. Was brächte es ihm, Florentine zu befreien, wenn sie schlussendlich in der Schuldknechtschaft landete? „Und ich brauche es in barer Münze."
Der Bedienstete sah ihn misstrauisch an. Er wäre nicht der Erste, der versuchte, die Bank um einen erheblichen Betrag zu erleichtern, um dann auf Nimmerwiedersehen zu verschwinden. Einen Bancozettel konnte die Bank als nichtig erklären, aber entliehene Münzen verschwanden mit dem Leihenden.
„Habt Ihr denn entsprechende Sicherheiten bei Euch, gnädiger Herr?"
Üblicherweise musste man bei solchen Summen irgendeine Besitzurkunde als Pfand hinterlassen. „Mein Vater ist der Graf von Arling."
Der Bedienstete lächelte beflissentlich. „Das ist mir wohl bewusst, jedoch, in diesem Fall sollte wohl Euer Vater selbst das Darlehen beantragen."
Alexander räusperte sich. „Es geht um eine Angelegenheit, die allerhöchste Eile verlangt. Leider ist mein Vater verhindert."
„Ich verstehe. Vielleicht Euer Bruder, der Erstgeborene?"
Alexander fühlte Wut in sich aufsteigen. Die Uhr tickte und dieser Bürokrat stand seinem Ziel in empfindlicher Weise im Weg. „Ich habe keine Zeit für derlei Unsinn!"
„Verzeiht, mein Herr, doch ich habe meine Vorschriften."
„Wie viel könnt Ihr mir geben?"
Der Mann musterte ihn nachdenklich und schob eine Kugel auf seinem Rechenschieber hin und her. Schließlich entschuldigte er sich für einen Moment und verschwand in den Tiefen des Gebäudes. Alexander tippte unruhig mit dem Fuß auf dem Boden. Er war versucht, den nächsten Angestellten anzusprechen, ihm am Revers zu packen und die Dringlichkeit seines Ersuchens klar zu machen. Aber bevor er sich seiner Leidenschaft hingeben konnte, kam sein Gesprächspartner zurück. „Eures Namens wegen will ich Euch vertrauensvoll die Hälfte anvertrauen. Jedoch bedenkt, dass ein Bargeschäft, noch dazu ohne jegliche Sicherheit, einen entsprechenden Zins verlangt."
„Das ist mir wohl bewusst."
„Und wir erwarten die Rückzahlung binnen einer Woche, sofern Ihr keine entsprechenden Sicherheiten nachbringt oder Euer Vater das Darlehen übernimmt."
Alexanders Hand formte eine Klaue. Er mimte Selbstbeherrschung, wenngleich ihm der Schweiß aus den Poren trat. Eine Woche? Er sah sich bereits die Pferde satteln und fluchtartig die Stadt verlassen. Er unterzeichnete den Vertrag, der dem, den Florentine im Freudenhaus abgeschlossen hatte, in nichts nachstand. Doch darüber würde er sich später Gedanken machen. Nun galt es, sich zu beeilen, ehe all seine Mühen umsonst wären.
Doch erneut wurde seine Geduld auf die Probe gestellt. Das Geld wurde direkt aus der Schatzkammer hochgeholt, penibel durchgezählt, in kleinere Beträge aufgeteilt und schlussendlich platzte Alexander der Geduldsfaden. Der Vertrag war unterschrieben und somit gültig. Er schnappte sich den Stoffbeutel, der den gesamten Betrag fassen sollte, und schob die Münzen mit boshaftem Lächeln vom Tisch des Angestellten in das Behältnis. Ohne auf dessen Widerworte zu achten, verließ er eilends die Bank.
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Tanz der Stände
Historical FictionTeil 1 der Tanz-Trilogie Auf der Bühne ist Florentine eine Königin, in den Straßen nur eine Frau des niedersten Standes. Die junge Zirkusartistin sehnt sich nach einem Leben fern des Trubels in den sicheren Armen einer Liebeshochzeit. Als Florentin...