Kapitel 4-3

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Baron Bocken stand mit einem Glas Wein abseits der Tanzfläche und beobachtete nur hin und wieder das bunte Treiben auf ebendieser. In angemessenem Abstand und doch in Hörweite unterhielt sich eine Gruppe von drei Damen miteinander. Sie nahmen keine Notiz von ihm und er tat, als nähme er keine von ihnen wahr. Das Gefühl, unbeobachtet zu sein, löste die Zungen der Lästermäuler.
„Habt ihr das Kleid von Madame Dingelfurth gesehen? Als ob dieser Ball nicht schon protzig genug wäre."
„Ob sie damit überhaupt tanzen kann?"
„Ich habe sie zumindest noch nicht auf der Tanzfläche gesehen."
„Nachdem Herr Dingelfurth schon in die Jahre gekommen ist; wer weiß, ob er überhaupt mit ihr Schritt halten könnte."
Sie kicherten gedämpft, ehe sie fortfuhren.
„Habt ihr schon von dieser Freymar gehört?"
„Diese Adlige aus dem Sarxenreich?"
Bocken rückte unauffällig näher heran, tat, als begutachte er eines der Gestecke an den Stehtischen.
„Nein, ich habe gehört, sie ist eine Nichte des Herzogs."
„Jedenfalls bandelt sie mit Herrn Arling an."
„Dem Grafen selbst?", fragte eine voller Erstaunen.
Daraufhin winkte die andere ab. „Red doch keinen Unsinn. Nein, mit seinem Zweitgeborenen, Alexander."
„Ich dachte, der wäre nicht am Heiraten interessiert?", fragte eine voll Widerwillen.
„Das hat sich offensichtlich geändert. Sie soll eine exotische Schönheit sein, genau wie ihr Bruder."
„Der übrigens mit Arlings Schwester schon den ganzen Abend im Gespräch ist."
Bockens Blick wanderte zu dem Pärchen hinüber, von dem gerade gesprochen wurde. Sie nahmen immer wieder seine Aufmerksamkeit ein. Wie zuletzt standen sie abseits der Menge, tuschelnd und scherzend wie Frischverliebte.
„Ein Traummann!"
„Habt ihr seine Statur gesehen? Ich wette, er ist ein Rittersmann."
„Ein Ritter im Kreise der Arlings? Ich glaube eher, er ist ein Prinz oder dergleichen. Sonst hätte der Graf ihn längst verjagt."
„Da könntest du Recht haben. Die Arlings hatten schon in der Vergangenheit ein gutes Händchen bei der Hochzeitspolitik."
„Aber mit einer sarxischen Adligen?"
„Vielleicht versuchen sie, durch eine Hochzeit für dauerhaften Frieden zu sorgen?"
„Was interessiert uns das? Mit den Sarxen können die Südländer sich ärgern."
„Habt ihr heute schon Lady Aisenberg gesehen?"
„Die Tratschbase?"
„Wen könnte ich sonst meinen?"
„Bestimmt weiß sie mehr, über diese mysteriösen Neuankömmlinge."
Bockens Aufmerksamkeit schweifte von dem Gespräch ab, als Bewegung in das junge Fräulein Arling und Herr Freymar kam. Er zog sie ungebührlich mit sich und sie folgte ihm fröhlichen Schrittes. In angemessenem Abstand ging Bocken den beiden nach. Sie verließen den Ball wie auf der Flucht. Vor der Tür stiegen sie in eine der vielen bereitstehenden Mietkutschen. Er beschleunigte seine Schritte, was von dem Diener am Eingang mit gerunzelter Miene begutachtet wurde. Auf dem Kutscherplatz wandte er sich an den erstbesten Fahrer, der auf einem unauffälligen Einspänner saß. „Ich brauche Ihre Kutsche."
„Sehr wohl, mein Herr. Wohin soll es gehen?"
Er deutete auf die Kutsche, die gerade in die Nordwallstraße einbog. „Folgen Sie der meiner Freunde."
Der Mann bedachte ihn mit gerunzelter Stirn. Ein Silberling in seiner Hand beseitigte jeglichen Argwohn. Bocken schob das Fenster zur Seite und reckte den Kopf nach draußen. Die Kutsche vor ihnen bog schon nach Kurzem auf die Teichpromenade ab, die sie entlang des Schlossteiches führte. Sein schmales Gefährt rumpelte gehörig auf dem unebenen Trampelpfad, bis sie auf den Schlossweg abbogen. Von dort war es nur einen Steinwurf zum Anwesen der Arlings. Er wollte dem Kutscher bereits das Zeichen zum Anhalten geben, da machte sein Gefährt einen Schlenker nach links und folgte weiter der Straße in Richtung des Schlosses. Bocken hielt in der Bewegung inne. Doch auch das Schloss war nicht das Ziel der Reise. Sie passierten die Steindammstraße und querten die Brücke, bis sie schlussendlich in Eichenthal landeten. Der Weg wurde merklich unebener und gröbere Steine erschwerten es der leichten Kutsche. Der Kutscher hielt an und trat zur Tür.
„Es tut mir leid, mein Herr. Hätte ich gewusst, dass Ihr bis nach Eichenthal wollt, hätte ich Euch eine größere Kutsche empfohlen. Ich kann ab hier nicht mehr weiterfahren, sonst laufe ich Gefahr, dass mir ein Rad bricht."
Bocken eilte hinaus und bezahlte ihn unwirsch. Er verfiel in leichten Laufschritt. Zu seinem Glück kannte ihn hier in der Gegend kaum einer, noch würde er hier jemanden von Stand antreffen.
Wahrscheinlich hielt man ihn für einen Geisteskranken, der in diesem Aufzug durch die Straßen hetzte. Die Kutsche des Paars querte den Jahrmarkt und stoppte kurz vor einem Zirkuszelt. Er schütze seine Nase mit einem Taschentuch, während er aus dem Schatten einer Werkstatt beobachtete, wie die beiden ausstiegen.
Elsa bemühte sich darum, ihren Verehrer auf Abstand zu halten, der sich mit dem Mund ungebührlich ihrer Wange näherte. Bocken trat einen Schritt nach vorne, bis Elsa einem Huhn gleich aufgackerte. Kaum war die Kutsche außer Sicht, ließ auch sie sämtliche Hemmungen fallen. Ihr Begleiter hob sie empor und trug sie über den Schlamm um das Zirkuszelt herum hinweg, bis sie vor einem schäbigen Wohnwagen hielten. Einem Gentleman gleich öffnete er ihr die Tür, durch die sie schritt, als betrete sie das Schloss des Herzogs.
Der Baron wagte es, sich näher heranzuschleichen. Vereinzelte Gestalten saßen um ein abendliches Lagerfeuer herum und amüsierten sich zu billigen Getränken. Er legte das Ohr an den Wagen und hörte vergnügte Laute von innen. Ein diebisches Grinsen schlich sich auf seine Lippen. Er rieb sich die Hände und schlenderte gemütlichen Schritts seines Weges.

Tanz der StändeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt