*Lachanfälle und Handschuhe*

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„Jetzt beruhig dich mal wieder, Maris." Also heißt sein Freund Maris. Doch der lacht einfach weiter.

Wenn ich genauer darüber nachdenke, bin ich die Einzige, die überrascht ist. Dabei war ich doch diejenige, die gesagt hat, dass jemand kommt. Jetzt steckt mich sein Lachen an, und wir beide lachen.

Melcon wirkt zunehmend genervt: „Könntet ihr beiden jetzt mal aufhören zu lachen? Das nervt! Und was machst du hier, Leonardo?"

„Mir war langweilig, und Maris hast du ja mitgenommen, weil ihm langweilig war, also dachte ich..."

„Ich bin nicht euer Babysitter, aber setz dich hin und sei still."

Maris und ich hören auf zu lachen.

„Gut", sagt Melcon, „bevor wir mit dem Training beginnen, musst du drei Fragen beantworten. Erstens: Warum trägst du diese Handschuhe? Zweitens: Wie wurde deine Gabe ausgelöst? Und drittens: Wovor hast du Angst?"

Seine strenge Art macht mir immer noch Angst, aber ich will ihm wirklich nicht antworten. Meine Antworten würden nur noch mehr Fragen aufwerfen. Vielleicht erzähle ich es einfach in groben Zügen.

„Ähm, die Handschuhe sind irgendwie modisch... und die Angst... na ja, weil alles so seltsam ist." Irgendwie stimmt das sogar.

Melcon grinst seine Freunde an. „Dann kannst du sie ja ausziehen, wenn sie nur modisch sind."

Auf keinen Fall. Ich bin doch nicht verrückt! Ich will nicht wissen, was alles passieren könnte, wenn ich die Handschuhe ausziehe. Rede dich da irgendwie raus. „Ähm, lieber nicht. Meine Haut ist darunter sehr empfindlich."

Melcon schaut seine Freunde auffordernd an. „Mi ordonas." Welche Sprache ist das jetzt schon wieder? Und was soll das bedeuten? Plötzlich steht Leo auf – und ist im nächsten Moment verschwunden.

Etwas zieht an meinen Handschuhen, und plötzlich sind sie weg. „Hier hast du sie!" höre ich eine Stimme hinter mir. Wie ist er da bloß so schnell hingekommen? Egal, meine Handschuhe sind weg!

Nichts anfassen, außer deiner eigenen Haut, sage ich mir immer wieder.

Melcon grinst weiter: „Ach, nur modisch also? Selbst wenn ich nicht wüsste, wann jemand lügt, deine verspannte Haltung verrät dich. Also, was hat es wirklich mit den Handschuhen auf sich?"

Das geht ihn gar nichts an! „Kann ich sie bitte zurückhaben? Und es geht dich nichts an."

„Doch, es geht mich sehr wohl etwas an. Ich muss dieses Training mit dir leiten. Also los, raus mit der Sprache."

Ich schweige. Melcon starrt mich weiterhin an. Plötzlich schnellt seine Hand nach vorne, und bevor ich reagieren kann, berührt er meine Hand. Sofort durchströmen mich Bilder von ihm und seinen Freunden.

Ich bete, dass ich nicht in den Strudel seiner Erinnerungen gezogen werde.

Was bringt beten schon? Ich schaue mich um und stehe auf einer Wiese. Zwei Jungen jagen sich gegenseitig, während eine Frau danebensteht und zusieht. Ein Mann tritt aus den Schatten hervor.

Ich will wissen, was hier los ist. Die beiden Erwachsenen fallen sich in die Arme, während die Jungen heranlaufen.

„Leon, wie geht es Vater?", fragt – wie ich vermute – Melcon.

„Ganz gut. Linda, können wir ohne die Kinder reden? Es ist wichtig."

Die Frau, offensichtlich Linda, schaut ihn ernst an und ruft den Jungen zu: „Leon und ich gehen kurz weg. Wenn jemand kommt, versteckt euch, und Melcon, pass auf deinen Bruder auf."

„Linda, die Kinder wissen im Alter von vier und acht schon, was zu tun ist", antwortet Leon genervt.

„Es ist schon gut. Ich will nur mein Versprechen an ihre Mutter halten." Sie verschwindet mit Leon im Schatten.

Was ist hier nur los? Ich schließe die Augen und hoffe, dass diese Vision endlich endet. Doch es ist noch nicht vorbei.

„Melcon, was ist los?", fragt der jüngere Junge. Irgendwie kommt er mir bekannt vor.

Melcon sieht ihn liebevoll an: „Nichts, es ist nur gerade ein bisschen kompliziert. Komm, wir spielen Verstecken. Ich zähle."

Er schließt die Augen und beginnt zu zählen: „Eins, zwei..." Der kleine Junge rennt los, und sobald er außer Sicht ist, nähern sich zwei Männer. Sie bewegen sich lautlos, sodass Melcon sie nicht hört.

Als sie ihn packen, zappelt er kurz, wird dann aber ruhig. „Na, jetzt bist du nicht mehr so mächtig", sagt einer der Männer.

Doch plötzlich tauchen hinter den beiden Schatten auf. Als die Schatten sie berühren, beginnen die Männer zu schreien und lassen Melcon los. Melcon lacht – der war wohl schon als Kind gestört.

Die Schreie der Männer werden qualvoller.

„Könntet ihr das bitte leiser machen? Ich möchte nicht, dass mein Bruder euch hört. Er ist noch zu jung. Oder würdet ihr ihn auch entführen und dann töten?"

Zum ersten Mal in meinem Leben macht mir ein achtjähriger Junge Angst.

Mit diesem Satz verschwimmt alles, und die Vision löst sich auf. Tausende von Bildern rauschen an mir vorbei. Ich schließe schnell die Augen, um nicht wieder übel zu werden.

Zu spät. Mir ist so verdammt schlecht. Ich öffne die Augen und blicke in drei erstaunte Gesichter, die mich regungslos anstarren.

Schließlich löst sich Melcon als Erster aus seiner Starre: „Also, deine Gabe wird durch Berührung ausgelöst. Was hast du gesehen?"

Ich schweige.

„Ach komm schon", drängt er weiter. „Es war ja meine Vergangenheit, also."

Er hat recht. Warum sollte ich es ihm nicht erzählen? Es scheint ihm nichts auszumachen, dass seine Freunde zuhören.

„Na gut. Du warst mit deinem Bruder und einer Frau namens Linda auf einer Wiese. Ein Mann namens Leon kam dazu und wollte mit Linda reden. Sie verschwanden, und du hast mit deinem Bruder Verstecken gespielt. Dann..."

„Stopp, das reicht. Ich weiß, was du meinst. Hättest du auch in andere Teile meiner Vergangenheit sehen können?"

„Ja", antworte ich. Das ist mir schon bei Freunden passiert, als ich einen bestimmten Punkt in ihrer Vergangenheit berührt habe.

Bei diesem Prozess musste ich mich immer übergeben.

„Hat das irgendwelche Folgen?", fragt er.

„Ja, mir ist schlecht, und ich übergebe mich."

„Gut, gut. Und wann kommt dieses Licht aus deiner Hand?"

Ich schweige erneut. Darüber rede ich nicht.

Ich und begabt, dass kann ja nur schiefgehen (wird überarbeitet) Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt