*Was soll man da bloß sagen?*

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Ben schaut gespielt überrumpelt. „Finn, du bist aber nett. Also, wie können wir dich nennen? Schwieriger Fall, oder sollen wir es einfach dabei belassen?"

Ich lache. „Nun, schwieriger Fall passt ganz gut, aber wenn ihr keine Lust darauf habt, könnt ihr mich auch einfach Mari nennen."

Finn lächelt mich an. „Mari freut mich, dich kennenzulernen."

Ben klatscht in die Hände: „So, da wir uns jetzt alle kennen, kommen wir zu den Tagesthemen!"

Lisa seufzt leise neben mir. „Was wären denn deiner Meinung nach die Schlagzeilen heute?"

Bumm! Plötzlich kracht ein lautes Geräusch, und ein Loch klafft in der Wand. „Da hat Frau Kukurucka wohl wieder schlechte Laune," meint Lisa trocken.

„Tolle Schlagzeile," erwidere ich schmunzelnd. Endlich mal jemand, der nicht geduzt werden will. Für einen Moment scheint Normalität einzukehren.

Ben schaut uns an: „Na dann, auf in die Höhle des Löwen."

Ich gehe zögernd in den Klassenraum, bleibe aber wie erstarrt in der Tür stehen. Vor mir steht eine Frau, die mich sofort zurückweichen lässt. Was war denn bei ihr schiefgelaufen? Ihre Haut ist schuppig, moosgrün, und sie trägt Lederklamotten. Feuerrote Haare umrahmen ihr Gesicht, fast wie bei einer Riesenechse – nur, dass sie wohl die Lehrerin war.

Sie dreht sich zu mir und fixiert mich mit ihren seltsam bunten Augen, in denen Gelb, Grün, Rot und Blau sich mit schlitzartigen Pupillen mischen. „Was starrst du so?", knurrt sie, ihre Stimme kräftig und irgendwie unheimlich. „Du bist wohl die Neue. Stell dich vor!"

Nicht schon wieder. Das Debakel im Musikunterricht war genug. Aber gut, dann eben nochmal. „Ich bin Mari, komme von einem Internat aus Kopenhagen und bin eine Begabte. Noch Fragen?"

Natürlich gab es die. Zwei Hände schießen in die Höhe – eine von einem Mädchen mit Brille und gebleichten Haaren, die andere von Finn.

„Finn." Er senkt seine Hand und grinst frech. „Hast du einen Freund?"

Nein. Leider nicht. Nur einen Fast-Freund, den ich ins Krankenhaus gebracht habe. Jetzt liegt er im Koma, kämpft um sein Leben – alles meine Schuld.

Nicht weinen, Mari. Reiß dich zusammen. Einfach „Nein" sagen, das ist nicht schwer. Du schaffst das.

„Nein," antworte ich kühl. „Noch irgendwas?"

Das Mädchen lächelt mich freundlich an. „Ich bin Kira, eine Eulenwandlerin, und wollte fragen, warum du mitten im Schuljahr zu uns kommst. Selbst bei Neuentdeckten wartet man doch meist bis zum Halbjahres- oder Schuljahresende?"

Komm schon, Mari. Tief durchatmen. „Also, na ja, ich wurde von meiner alten Schule geworfen, deshalb bot sich das hier an."

Kira scheint nicht zufrieden mit meiner Antwort und hakt weiter nach. „Was hast du denn gemacht, um von der Schule geworfen zu werden? Wegen ein paar fliegender Dinge fliegt man doch nicht einfach von der Schule, oder?"

Bevor ich eine Ausrede finden kann, steht die Lehrerin auf und fixiert Kira mit einem Blick. „Setz dich endlich hin, Mari! Rumstehen bringt den Schwachköpfen hier auch nichts bei. Und Kira, wenn du noch Fragen hast, stell sie in der Pause."

Ich suche verzweifelt nach einem freien Platz und sehe Finn, der mir zunickt. Neben ihm ist ein Platz frei. Gott sei Dank.

Als ich mich setze, stolziert die Lehrerin zur Tafel. „Wir waren beim letzten Mal bei... Angelina, hör auf, mit deinem Stift zu klopfen, das ist ja unerträglich. Und Julius, aufhören, aus dem Fenster zu starren, sonst wirst du nie was lernen." So ging es die ganze Stunde weiter. Hilfe.

Zum Glück ist der Unterricht schnell vorbei, und die Pause verbringe ich bei Lisa, Finn und Ben. Sie lassen mich zum Glück nicht allein im Raum stehen, das wäre zu peinlich gewesen. Den Lateinunterricht haben wir auch bei Jonathan, und obwohl er nicht gerade ein Traum ist, war er mir lieber als das, was jetzt kommt. Ich gehe mit Ben zum Training.

„Ich frage mich, warum die anderen nicht mit uns kommen?" Ben scheint in bester Laune zu sein. „Nur weil sie nicht unsterblich sind wie Vampire..."

Vampire. Ein echter Vampir. „Bevor du fragst: Was in den Büchern steht, ist teilweise richtig. Aber Knoblauch und Sonnenlicht schaden uns nicht wirklich. Erst nach etwa 720 Stunden in der Sonne zerfallen wir zu Staub, aber wer bleibt schon so lange draußen?"

Jemand, der sich einen extremen Sonnenbrand holen will, schießt es mir durch den Kopf.

Wir kommen an eine Tür, dahinter teilen sich zwei Gänge. „Du musst nach links, das sind die Mädchenumkleiden," erklärt Ben.

Ich gehe alleine weiter und höre hinter der nächsten Tür Gelächter. Hals- und Beinbruch, Mari. Du schaffst das.

Als ich eintrete, verstummt das Gelächter abrupt. „Du bist also die Neue," meint ein Mädchen, das neben Luna steht. Ich nicke nur und gehe zu dem einzigen freien Spind, öffne ihn und ziehe schnell meine Sportsachen heraus. Ohne weiteren Kommentar ziehe ich mich um und gehe wieder hinaus.

Ich und begabt, dass kann ja nur schiefgehen (wird überarbeitet) Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt