* Vampirische Verwirrung*

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„Er ist es nicht wert", sagte Ren eindringlich. Doch Melcon grinste nur weiter. „Ach, das war doch nur eine kleine, freundschaftliche Übereinkunft, nichts Schlimmes." Ren blinzelte ungläubig und sah zu dem Vampir hinüber, der trotz seiner Verletzungen eigentlich gar nicht mehr leben dürfte.

Ein Arm war seltsam nach außen gebogen, während beim anderen die Knochen herausragten, als hätte man sie herausgepresst und dann wieder hineingeschoben. Beide Beine waren einmal verdreht. „Das nennst du eine Übereinkunft? Schau es dir doch bitte genau an", sagte Ren und versuchte, Melcon irgendwie zur Vernunft zu bringen. Seine Stimme verriet seine Angst, doch er versuchte, ruhig zu bleiben.

Melcon schien kurz nachzudenken und sah sich die Szene tatsächlich etwas genauer an. „Da hast du recht", sagte er schließlich. Rens Miene hellte sich auf, erleichtert, dass er Melcon vielleicht doch zur Vernunft gebracht hatte. Doch dann fügte Melcon hinzu: „Er hat noch viel mehr verdient."

Mit diesen Worten richtete Melcon seinen Blick wieder auf den Vampir. Die Haut des Wesens begann sich langsam von seinem Körper zu lösen. Ich konnte es nicht mehr ertragen. Ich schloss die Augen. *Wach auf, bitte wach auf!*

Die Schreie des Vampirs hallten durch die Bibliothek, und ich wollte nur noch weg, irgendwohin, weit weg von hier.

„Mari!" „Mari, wach auf!", rief plötzlich eine Stimme, die mir vertraut vorkam. Lisa? Was will sie denn? „Wach auf, Mari!"

„Wach auf!", drängte sie weiter. Ich öffnete meine Augen und blinzelte gegen das grelle Licht. Was war denn hier los? Lisa stand vor mir und sah aus, als hätte sie eine Panikattacke.

„Was ist los?", fragte ich gähnend und versuchte, mir nichts anmerken zu lassen, obwohl ich innerlich überglücklich war, dass ich aufgewacht war. Es war also nur ein Traum. Zum Glück.

Lisa starrte mich erschrocken an. „Was los ist? Du hast den ganzen Turm zusammengeschrien!"

Ich... habe geschrien? Großartig. Jetzt fange ich auch noch an, in meinen Träumen zu schreien. Lisa lächelte mich aufmunternd an. „Sag mal, woher kannst du eigentlich Italienisch?"

Italienisch? Ich kann kein Italienisch. Wie kommt sie darauf? „Ähm, ich kann kein Italienisch. Wieso fragst du?"

Jetzt sah sie mich regelrecht geschockt an. „Äh, doch. Du hast gerade die ganze Zeit fließend Italienisch gesprochen."

Fantastisch. Nach Spanisch jetzt also auch noch Italienisch. Wie viele Sprachen will mein Unterbewusstsein denn noch sprechen? Zwischen uns entstand eine peinliche Stille. Schließlich unterbrach Lisa sie.

„Komm, lass uns wieder schlafen gehen. Du musst erst in drei Stunden aufstehen. Weck mich dann bitte nicht. Ich habe erst im zweiten Block Unterricht."

Na großartig, dachte ich. Aber besser frage ich jetzt, als später. „Hat einer der Jungs in der ersten Stunde Deutsch?"

„Finn, glaube ich. Kurs zwei", antwortete sie schlaftrunken.

Super, dachte ich mir. Ich habe also mit Finn zusammen Deutsch. Lisa warf mir einen vielsagenden Blick zu und grinste leicht.

„Finn und du – was läuft da eigentlich?", fragte sie unvermittelt.

„Was meinst du?", entgegnete ich verwirrt.

„Ach komm schon. Du weißt genau, was ich meine. Zwischen euch beiden... läuft da was?"

„Naja, nicht wirklich", murmelte ich. „Versteh mich nicht falsch, er ist süß und witzig, aber ich weiß nicht, ob wir es beide wirklich wollen. Passen wir überhaupt zusammen?"

„Ihr passt gut zusammen", sagte sie schlicht und drehte sich um, um das Licht auszuschalten. „Gute Nacht."

Und das war's. Einfach so hatte sie das Gespräch abgebrochen. Ich wollte noch etwas sagen, aber als ich den ersten Ton hervorbrachte, hörte ich sie schon leise schnarchen. Ganz großartig. Aber was meinte sie nur damit, dass wir gut zusammenpassen?

Am nächsten Morgen weckte mich das Klingeln meines Weckers. Müde schlich ich mich mit meinen Klamotten und Schulsachen aus dem Zimmer, um Lisa nicht zu wecken. Schnell putzte ich mir die Zähne, zog mich an und überprüfte, ob ich alles Wichtige dabeihatte. Dann wartete ich im Vorraum, bis die anderen Mädchen zum Frühstück kamen. Den Weg zur Cafeteria hatte ich mir dummerweise nicht gemerkt.

In der Cafeteria saßen Ben und Finn wie gewohnt am Tisch. Zur Begrüßung murmelten sie nur ein verschlafenes „Morgen". Weder Finn noch Ben schienen Morgenmenschen zu sein, also aßen wir in stiller Übereinkunft.

Nachdem wir fertig waren, gingen Finn und ich gemeinsam zum Deutschunterricht. Zu meiner Überraschung wurde Finn während des Unterrichts gesprächiger. Vielleicht lag es daran, dass unser heutiges Thema Debatten waren – das brachte wohl den Redner in ihm hervor.

Ich zählte bereits die Sekunden bis zum Ende des Unterrichts. Als es schließlich klingelte, atmete Finn erleichtert auf. „Zum Glück! Das hält man ja nicht mehr aus", seufzte er. Wir gingen zusammen aus dem Klassenzimmer und hatten beide gerade bei der „Nörgel-Tante", wie wir sie nannten, Unterricht gehabt. Wie hieß sie nochmal? Unglaublich, dass mir ihr Name einfach nicht einfallen will.

„Steht das mit heute Nachmittag noch?", fragte Finn dann plötzlich.

„Natürlich, ich freue mich schon darauf", antwortete ich mit einem Lächeln.

„Schön! Welches Fach hast du eigentlich davor?", fragte er, bevor er sich selbst gegen die Stirn schlug. „Ach stimmt, wir haben ja Wahlpflichtfächer... Vergessen, ich Trottel."

Er sah mich verlegen an, und ich lachte.

Ich und begabt, dass kann ja nur schiefgehen (wird überarbeitet) Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt