Part 31: Bewegungsunfähig

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Manuel sah zu Boden. Taddl tat es ihm gleich. Manuel dachte darüber nach, wie es wäre, wenn Melina plötzlich auf das Internat kommen würde. Taddl tat ihm leid. Sollte er ihm vielleicht von Melina erzählen? Doch Taddl kam ihm zuvor: "Weißt du... sie... sie hat mich betrogen. Sie war nebenbei mit einem anderen zusammen..." Es tat ihm sichtlich weh, diese Worte auszusprechen. Manuel nahm ihn in den Arm. In diesem Moment fühlten sich beide unglaublich wohl. Taddl verstand Manuel und Manuel verstand ihn. Schließlich machten sie sich Hand in Hand auf den Weg zum Internat. Man hätte denken können, die beiden wären mehr als nur Freunde, doch in diesem Moment dachten beide gar nicht darüber nach. All die seltsamen Blicken, die ihnen zugeworfen wurden, bemerkten sie gar nicht. Erst als sie im Wohnheim ankamen, ließen sie sich los und lächelten sich an. So viele Glücksgefühle durchzogen die Körper beider Jungen, Gefühle, die den ganzen Abend über blieben. Den ganzen Sonntag verbrachten sie miteinander und das Lächeln verschwand nicht aus ihren Gesichtern. Selbst den Montag Morgen, den sie eigentlich nicht leiden konnten, fanden sie zum ersten Mal unbeschreiblich schön, nur, weil der jeweils andere da war. Sie waren verliebt, doch keiner der beiden bermerkte es. Manuel war der festen Überzeugung, nur er würde mehr als Freundschaft empfinden und Taddl dachte genau das Gleiche. Nur Ardy bemerkte die Funken, die zwischen beiden hin und her flogen, doch er behielt es für sich. Er war dabei gewesen, als Taddl mit Luna zusammen gewesen war und wusste noch ganz genau, wie verzweifelt sein bester Freund damals gewesen war. Damals hatte Taddl im Schlaf geschrien. Es musste schwer für ihn sein, dass Luna plötzlich im Internat aufgetaucht war. Und das war es. Doch Manuel lenkte Taddl ab, Manuel war sein Silberstreifen am Horizont.
Die ersten beiden Unterrichtsstunden über konnten sich die beiden Jungen gar nicht konzentrieren, da sie viel mehr damit beschäftigt waren, den jeweils anderen zu beobachten und schüchtern wegzuschauen, falls der andere den Blick von der Seite bemerkte. Die erste Hofpause begann und Taddl ging bereits auf den Hof. Manuel hingegen blieb vorläufig oben, da er Herrn Bergmann etwas zu der letzten Klassenarbeit fragen wollte. Während Taddl über den Schulhof schlenderte, bemerkte er plötzlich, wie sehr er Manuel jetzt schon vermisste. Er musste ihm bald seine Liebe gestehen. Aus einem für ihn unverständlichem Grund fühlte es sich für ihn so an, als würde er Manuel indirekt anlügen. Plötzlich wurde er zur Seite gezogen und weiter, in eine verlassene Ecke des Schulhofs. Er war viel zu überrumpelt, um sich zu wehren. Erst als er zum Stehen kam, sah er, wer sein Gegenüber war. "Luna...", zischte er durch die Zähne, "Was willst du eigentlich noch?" Sie hatte ihn betrogen, sie hatte ihn verletzt. Wieso kam sie nun zurück? Die Dunkelhaarige bis sich auf die Unterlippe und begann ihm immer näher zu kommen. Zu nah. Gerade als Taddl zurückzucken wollte, begann sie zu sprechen: "Ich will dich zurück." Taddls Augen weiteten sich. Das hatte er nun wirklich nicht erwartet. Wut breitete sich in ihm aus. Wieso tat sie ihm das an? Sie hatte ihn innerlich zerstört, sie hatte ihn wie ein Stück Dreck behandelt. Er hatte geweint, viele Tage lang. Viele Nächte, Monate und schließlich ein ganzes Jahr lang hatte er gebraucht, um über sie hinwegzukommen. Und nun kam sie zurück? Er war so wütend auf sie. Er war wütend, auf alles, was sie ihm angetan hatte. Er hätte sie gerne beschimpft, angeschrien, verflucht, oder sogar geschlagen. Doch er war unfähig, sich zu bewegen. Er stand regungslos vor Luna und konnte sich nicht bewegen, während sie ihm immer näher kam. Er spürte ihren Atem an seinem Hals, hätte sie gerne von sich gestoßen, doch er konnte nicht. Innerlich schrie er, bat um Hilfe, wollte, dass Luna verschwand. Doch schon lagen ihre Lippen auf seinen.
Hinter den beiden erklang ein kehliger Schrei. Erst jetzt erlangte Taddl seine Bewegungsfähigkeit zurück und riss sich von Luna los. Panisch schaute er in die Richtung, aus der der Schrei gekommen war. Er sah nur noch einen dunkelbraunen Haarschopf, der um die Ecke verschwand. "Manu!"

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