Part 36: So nah und doch so fern

681 54 2
                                    

Manuel drehte sich um und ging. Taddl hatte ihn schnell eingeholt und schritt neben ihm her, doch Manuel wusste, dass es keinen Sinn hatte, wegzurennen. Schweigend gingen sie nebeneinander her, immer weiter und ohne es zu merken, in die richtige Richtung, zurück zum Internat. Taddl wusste nicht, was er hätte sagen können, es hatte vermutlich sowieso keinen Sinn. Auch den ganzen Abend über sprachen sie kein Wort. Sie gingen sich nicht aus dem Weg, im Gegenteil. Sie gingen zusammen zum Speisesaal, sie aßen zusammen, sie gingen zurück zum Zimmer. Zusammen. Sie spielten eine Runde Minecraft Bedwars, die sogar ziemlich nervenaufreibend und spannend war, doch sie sprachen kein Wort. Keiner von ihnen zeigte irgendeine Emotion. Selbst als Manuel die Runde gewann, lächelte er nicht einmal. Und trotzdem verständigten sie sich auf irgendeine Weise. Sie standen gleichzeitig auf, um sich die Zähne putzen zu gehen. Taddl schaltete das Licht aus, als Manuel müde war. Doch trotz der Müdigkeit konnten beide nicht schlafen. Taddl sah hinüber zu Manuels Bett. Durch das fahle Licht, dass von einer Straßenlaterne in das Zimmer geworfen wurde, konnte er erkennen, das auch Manuel zu ihm schaute. Beide wussten, wie sehr sie den anderen brauchten. Seit Taddls Liebesgeständnis fühlten sie sich einander gleichzeitig so nah und doch so fern. Es war, als würde Taddl auf Manuel zurennen, ohne ihm näher zu kommen, und trotzdem seinen Atem zu spüren. Manuel war klar geworden, dass die Entscheidung bei ihm lag und diesen Druck hielt er nicht aus. Er fühlte sich durch den Druck beengt, wollte Abstand zu Taddl, doch gleichzeitig wollte er ihm in die Arme fallen. Im nächsten Moment kam er sich egoistisch und arrogant vor, unglaublich feige und gemein. Ihm war klar, dass er Taddl liebte, doch hatte gleichzeitig Angst vor der Liebe. Er musste Taddl vertrauen und tat das auch, doch irgendetwas oder irgendjemand stand ihm im Weg. Melina...
Taddl hingegen wusste nicht, was er denken sollte. Er liebte Manuel, sehr sogar, doch dieser hatte nie irgendetwas dazu gesagt. Er begann daran zu zweifeln, ob es einen Sinn hatte, länger auf Manuel zu warten. Vielleicht war diesem gar nicht bewusst, dass Taddl auf ihn wartete. Vielleicht sollte Taddl einfach loslassen... Doch das tat er nicht. Der Blonde war zwar für seine tiefe Bassstimme bekannt, jeder im Internat wusste, zu wem diese Stimme gehörte. Doch er war auch für seinen eisernen Willen bekannt, für seinen Ehrgeiz. Er würde nie aufgeben! Er würde auf Manuel warten, wenn es nötig war auch bis zu seinem Tod. So sehr es auch weh tat... das gehörte zur Liebe dazu. Taddl hatte schon einige Beziehungen geführt, die allesamt zerbrochen waren. Immer hatte er gedacht, er würde die Person lieben. Doch ihm war klar geworden, dass Manu ihm erst gezeigt hatte, was Liebe überhaupt war.
Verwirrend war das beste Wort, um die Gefühlslage beider zu beschreiben. War es Liebe oder Angst? War es Nähe oder Ferne? Je länger sie über diese Fragen nachdachten, umso verwirrter waren sie und kamen doch nicht auf einen grünen Zweig. Nebenbei wurden sie unglaublich müde, bis sie schließlich gleichzeitig einschliefen. Die beiden waren wie miteinander vernetzt, durch eine unbekannte Art von Technologie, wie programmiert. Und trotzdem fanden sie nicht zueinander...

GLPaddlWo Geschichten leben. Entdecke jetzt