Prolog

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Die Nacht war ruhig und klar.
Keine Wolke schien am Himmel zu stehen und der Mond wachte über die verlassenen Straßen Londons. Der Big Ben stand wie ein riesiger Wächter da, und seine schier unermessliche Eleganz verlieh der Nacht einen friedvollen Anschein. Keiner konnte ahnen, welches Schauerspiel sich in der 26. Gondel des London Eye abspielte.
Das Riesenrad lag verlassen da - es drehte sich nicht und die großen Gondeln schaukelten langsam im Wind. Die 26. Gondel war am Boden und wankte sanft hin und her. Der Wind wehte gegen die Fenster und das große Gestell gab ein Knarren von sich, als wüsste es, was gleich geschehen würde und welche Konsequenzen dieser Tat folgen würden.
Plötzlich trat eine vermummte Person vor die Türe der Gondel. Sie zog einen Schlüssel aus ihrer rechten Westentasche und schloss die Türe leise auf. Sie steckte den Schlüssel wieder ein, sah sich um und betrat die Gondel. Diese schwankte ein wenig hin und her als die Person auf die Bank zu ging, die direkt in der Mitte der Gondel stand.
"Alles klar, ich bin drin.", flüsterte eine männliche Stimme und beugte sich über die Bank. "Ich platziere das Baby jetzt."
"Hör auf zu reden, Flachpfeife.", zischte eine weibliche Stimme zurück.
"Jaja, schon gut...", grummelte der geheimnisvolle Mann und zog etwas aus seiner linken Westentasche. Es war eine kleine Ampulle mit einer durchsichtigen Flüssigkeit. Er zog noch etwas anderes hervor. Einen Spritzenaufsatz, den er auf der Ampulle platzierte, ehe er diese unter die Bank führte und dort anbrachte. Die Spritze lugte nun minimal durch die Holzbalken der Bank, war allerdings, wenn man nicht genau hinsah, so gut wie unsichtbar. Als nächstes holte er aus einer der kleineren Westentaschen ein Alkohol getränktes Tuch und wischte damit seine Fingerabdrücke von der Ampulle und der Bank. Dann steckte er das Tuch wieder zurück und griff in eine andere Tasche. Aus dieser holte er einen kleinen Stanzer. Die Spitze war tatsächlich winzig, kaum größer als fünf Millimeter. Er stanzte ein kleines Emblem auf die Bank und packte das Teil wieder weg. Zufrieden richtete er sich wieder auf.
"Mission abgeschlossen."
"Die Mission ist erst abgeschlossen, wenn ich das sage.", zischte die Frau erneut. "Und jetzt komm zurück, du Flachpfeife."
"Das nächste Mal, nehme ich kein Funkgerät mit. Oder du hörst auf, mich zu beleidigen.", grummelte er und verließ die Gondel wieder, die jetzt wieder völlig ruhig dalag. Nichts gab einen Hinweis darauf, was gerade passiert war. Das einzige was eine Veränderung der Umgebung zeigte, war das Glitzern der Spritze als der Mond einen Moment genau in die Gondel 26 schien. 

New Identity - Die 26. GondelWo Geschichten leben. Entdecke jetzt