XVIII

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"Also...", hob John an.
Wir saßen, beziehungsweise standen, gemeinsam in der Küche, und während ich Essen kochte, erzählte mein Bruder von dem Plan, den er gemeinsam mit den Holmes Brüdern ausgeheckt hatte.
"Sherlock hatte erzählt, dass du mit Nicky ein Kunstprojekt hättest. Was mich dann wiederum auf die Idee gebracht hatte, dass wir sie doch einfach morgen zu uns einladen könnten. Dann könnt ihr gemeinsam lernen, an Kunst arbeiten und hier ist sie weitestgehend sicher. Sherlock und ich arbeiten Parallel mit Greg und Mycroft an der Aufklärung des Falles. Mycroft meinte ja, er hätte möglicherweise Hinweise auf den großen Boss. Während wir also versuchen zu klären, um wen es sich dabei handelt, musst du unauffällig auf deine Freundin aufpassen, damit euch beiden nichts passiert."
Ich schnitt Salat, hörte ihm aufmerksam zu und ließ mir seine Worte mehrmals durch den Kopf gehen. Ich hatte bereits Wasser aufgesetzt, um gleich Nudeln zu kochen.
"Das heißt, ich gehe morgen ganz normal zur Schule und tue so, als wäre nichts gewesen, passe aber insgeheim auf, dass Nicky nichts passiert."
"Und dir auch nicht.", fügte John hinzu und ich lächelte, was er nicht sehen konnte, da ich mit dem Rücken zu ihm stand. Ich fand es süß, wie sehr er sich um mich sorgte, auch wenn ich nicht seine echte Schwester war.
"Natürlich. Mir auch nicht."
"Exakt. Es ist nicht die optimale Lösung, aber im Moment das einzige, was wir tun können."
Ich nickte langsam, kippte den Salat in eine Schüssel und holte Öl und Essig aus einem Schrank. Dann kippte ich die Nudeln in das inzwischen Kochende Wasser.
"Und wo wollt ihr anfangen?", erkundigte ich mich und hörte ihn tief seufzen.
"Das habe ich auch noch nicht so ganz begriffen. Du kannst vielleicht nachvollziehen, wie es ist, wenn die beiden sich irgendwelche Blicke zuwerfen, plötzlich nicken und dann einfach über etwas anderes reden, als hätten sie die Gedanken des anderen gelesen."
Ich kicherte. "Ja, ich weiß, was du meinst. Aber glaub mir, zwischen dir und Sherlock sieht es auch oft so aus."
"Meinst du?"
"Absolut. Wann siehst du das nur ein?", ich seufzte theatralisch und begann, noch ein paar Tomaten in den Salat zu schneiden. "Aber gut. Ich glaube an euch - ihr schafft das schon noch."
"Will ich wissen, worüber ihr euch unterhaltet?", fragte plötzlich Sherlock und ich konnte förmlich spüren, wie Johns Puls einen Moment in die Höhe schoss.
"Wir lästern über dich, ist doch klar.", gab ich zurück, ohne mich umzudrehen.
"Ach, ist das so?", fragte der Lockenkopf, kam zu mir und stibitzte eine frisch geschnittene Tomate von dem Brett, auf dem ich das Gemüse schnitt.
"Ey! Frechheit.", protestierte ich und sah ihn finster an, doch er steckte sich die Tomate nur in den Mund, grinste und setzte sich zu John an den Tisch. Wir begannen uns noch ein Wenig über dies und das zu unterhalten, dann stellte ich den Salat auf den Tisch und begann auch Geschirr darauf zu stellen. Als ich damit fertig war, wollte ich mich zu den beiden setzen, als plötzlich ein Handy klingelte.
"Das ist nicht meins.", sagte John und wir blickten zu Sherlock, dessen Handy schließlich immer auf Empfang war.
"In meinem Mantel.", sagte der Consulting Detectiv und sofort verließ ich die Küche, um das Handy zu holen. Als ich es aus dem Mantel zog, erkannte ich sofort Gregs Nachnamen darauf und ging ran.
"Hallo Greg, wie geht es Ihnen?", fragte ich und blieb im Flur stehen.
"Oh, habe ich mich verwählt? Ich hätte schwören können, Sherlock angerufen zu haben..."
"Nein, nein. Sie haben schon alles richtig gemacht. Ich wurde nur geschickt, dass Handy zu holen."
"Ach na dann. Ist ja auch egal. Ich kann auch dir sagen, was rum gekommen ist. Wir haben begonnen Montegiu zu verhören und- Nenn ihn nicht Freak, Sally!", rief er so unvermittelt, dass ich zusammen zuckte. Offenbar hatte Donovan Sherlock mal wieder beleidigt. "Entschuldigung. So. Wo war ich? Genau, wir haben ihn verhört, aber dann kam auf einmal sein Anwalt und meinte, dass wir keine handfesten Beweise gegen seinen Mandanten hätten und wir ihn deshalb nicht weiter festhalten könnten."
"Aber das stimmte nicht, oder?", fragte ich hoffnungsvoll, auch wenn ich mir bewusst war, dass es vermutlich nicht so war.
"Leider doch. Wir mussten ihn gehen lassen, auch wenn er ganz offensichtlich der Mörder war. Aber Hören, Sagen gilt vor Gericht nicht...", sagte Greg zerknirscht und ich seufzte.
"Da ist nichts zu machen, nehme ich an..."
"Nicht wirklich. Aber keine Sorge, Beweise finden wir schon noch. Bis dahin ist dieser Mörder nur halt auf freiem Fuß. Ich dachte, dass solltet ihr vielleicht wissen."
"Danke Greg. Schönen Abend noch.", verabschiedete ich den Inspector.
"Genau, gute Nacht. Heute besser etwas früher, schließlich ist morgen wieder Schule."
Ich lachte sarkastisch auf. "Wem sagen Sie das? Haben Sie eigentlich noch etwas geschlafen?"
"Ja, nachdem Mr Holmes unser Meeting", er schien das Wort "Treffen" oder gar "Date" ganz bewusst zu vermeiden. "verschieben mussten, bin ich nach Hause gefahren, und habe mich noch ein wenig ausgeruht."
"Das klingt gut.", ich grinste leicht. "Aber habe ich das richtig verstanden? Sie und Mycroft holen das Treffen noch nach?"
Die Antwort ließ einen Moment auf sich warten. "Ja..."
Verschwörerisch grinsend nickte ich. "Na dann, ruhen auch Sie sich diese Nacht besser noch aus. Auf Wiederhören, Greg."
"Bis bald, Lilith."
Ich legte auf und ging zurück zu Sherlock und John, die ein offenbar ziemlich intensives Gespräch führten, den Blicken zu urteilen, die sie sich zuwarfen. Selten hatte ich etwas gesehen, was so nach Liebe schrie, wie diese beiden.
"Das war Greg.", erklärte ich, um die Aufmerksam auf mich zu lenken.
"Offenkundig.", gab Sherlock zurück, löste seinen Blick allerdings nicht von John, der seinem Blick ebenso begegnete.
Kopfschüttelnd ging ich zum Herd, um die Nudeln zu probieren.
"Wenn euch nicht interessiert, was er gesagt hat, dann behalte ich das wohl besser für mich."
"Doch, bitte.", sagte John und als ich mich zu den beiden umdrehte, unterbrach er den Augenkontakt zwischen den beiden und sah stattdessen mich an.
"Montegiu ist wieder auf freiem Fuß.", sagte ich und probierte eine der Nudeln, die perfekt al dente war.
"Wie?", fragte mein Bruder schockiert und auch Sherlock setzte sich etwas aufrechter hin, was seine Aufmerksamkeit zeigte.
"Der Anwalt hat ihn raus geboxt, mit dem Argument, dass die Beweise nicht handfest wären."
"Oh, die ziehen wieder diese Masche ab.", murmelte der Consulting Detectiv und dieses Mal war ich es, die verwirrt war. Offenbar spürte er das, denn ohne mich anzusehen erklärte er: "Vor einigen Jahren, als Moriarty noch gelebt hat, war er einmal vor Gericht, weil er die Kronjuwelen der Queen... in seinen Besitz genommen hat, kam allerdings frei, weil er die Geschworenen erpresst hatte. Dass es dieses Mal ohne Erpressung von statten gegangen ist, zeigt nur, dass es nur ein Nachahmungstäter ist."
Langsam nickte ich und schüttete das kochende Wasser weg, um die Nudeln dann auf den Tisch zu stellen. Aus dem Kühlschrank holte ich noch Pesto, dann setzte ich mich an das Kopfende zwischen John und Sherlock und sah die beiden ernst an.
"Die Situation ist echt beschissen.", sagte ich. "Aber es gäbe keine Personen, mit denen ich sie lieber durchstehen würde, als mit euch. Guten Hunger."

New Identity - Die 26. GondelWo Geschichten leben. Entdecke jetzt