12. Kapitel

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Ich betrachtete mich im Spiegel. Der Anzug lag einfach perfekt und auch meine Haare hatten sich heute überraschend kooperativ gezeigt. Die Visagistin, die meine Mutter ein beordert hatte, widmete sich bei mir nur kurz Augenringen und Narben und wand sich dann wieder dem Rest der Familie zu. Es war alles perfekt vorbereitet, aber die Gemüter eckten immer wieder an. Es war ja auch kein gänzlich unbedeutender Anlass für unsere Familie. Die letzte Woche war wie im Flug vergangen und dass meine Schwester und ich nun doch am Fest teilhaben wollte, hatte die Planung ganz schön durcheinander gebracht. Kleid und Anzug waren allerdings noch rechtzeitig fertig geworden und die einzigen von denen ich Vorwürfe duldete waren Vaters Eventplaner und Redner. Keine Minuten zu spät stiegen wir schließlich in den vor dem Haus wartenden Rolls Royce und ließen uns hinüber zum Firmen-, bzw. heute Festgelände fahren. Mein Vater nutzte einen separaten Wagen.
Das Festgelände war bereits bestens besucht als unser Wagen schließlich vorfuhr. Die Tür wurde geöffnet und Lucia stieg zuerst aus dem Wagen, ihr folgten meine Mutter und ich. Mein Vater ließ sich feiern wie einen Superstar. Es war banal, eigentlich lächerlich, machte man es sich überhaupt mal bewusst... Für ein paar Stunden, wurde gerade den minder bezahlten Beschäftigten, das Trugbild vermittelt sie seien Teil eines Großen und Ganzen und nicht etwa problemlos zu ersetzen. Das dem nicht so war schienen sie für den Moment tatsächlich aber vergessen zu haben. Zelebriert wurden Lohnerhöhungen für die Beschäftigten, Bonusgelder bezüglich der Feierlichkeiten, sowie die Erschließung neuen Firmengeländes und die Fertigstellung einer weiteren Tochterfirma in Rumänien. Bürgermeister, der Ministerpräsident unseres Landes, unzählige ausländische Vertreter von eigenen und kooperativen Firmen und wer auch immer sonst, hatte sich hier eingefunden. Auch sonst natürlich alle Lokalen von Rang und Namen, durften sich zu den geladenen Gästen zählen.
Das letzte Jubiläum unter meinem Opa war bereits mehr als nur extravagant gewesen, sofern ich Aufzeichnungen und Schilderungen glauben durften. Es war absehbar gewesen, dass mein Vater dem Ganzen noch die Krone aufsetzen musste. Größenwahnsinn lag wohl bereits bei uns in den Genen, mein Vater war seine Verkörperung.
Trotz zwei Weltkriegen oder vor allem wegen eben diesen, hatte sich der Wohlstand meiner Ahnen gemehrt. Wir waren einige der wenigen Gewinner des Untergangs gewesen. Keinesfalls mit guten Mitteln und nichts worauf es stolz zu sein galt. Nach Kriegsende war es mein Uropa gewesen, der aus Not und Verzweiflung der Menschen seinen Profit schlug, nicht das er das schon zur Genüge währen des Krieges getan hatte... Rechenschaft hatte dafür niemand ablegen müssen, man hatte seine Absichten stehts nicht nur zu decken, sondern auch zu legitimieren gewusst.
Es wurden massenhaft Präsentationen und Reden gehalten, ob nun über Vergangenheit oder zukünftige Zeiten. Mein Vater und sein Vater ließen sich loben und preisen. Trotz, dass die beiden in letzter Zeit kaum ein Wort gewechselt hatten, schien zwischen ihnen nun nie irgendetwas vorgefallen zu sein. Wir grinsten für die Presse in die Kameras, als gäbe es kein Morgen mehr. Tosender Applaus erklang, als man Vater erklärte er wolle etwas von seinem Gewinn spenden, das das Geld nie oder zumindest nicht in solcher Summe floss, würde niemand von ihnen je erfahren.
Die Gesellschaft der Feiernden war gespalten. Nicht das dies jemand zu bemerken schien, gab sich mein Vater doch schon möglichst ,,volksnah". Dennoch trennte uns von den anderen, in etwa ein anderthalb Meter hohe Empore. Die wirklich geschätzten Gäste meines Vater, waren unmöglich mit dem von Freibier und Currywurst profitierenden Arbeitern gleichzustellen. Auch wenn hier jedem ein Glas Sekt zustand, Champagner erhielten sie keinen und bei einem Glas, blieb es dann auch. Ich stand etwas am Rande der Veranstaltung und hatte mich meinem Glas Champagner zugewandt, als ich Julian in den Räumlichkeiten entdeckte. Er war gerade dabei sich mit meiner Schwester zu unterhalten, als sein Blick meinen traf. Ich löste meinen Blick schnell wieder von seinem, kurz darauf sah ihn aus dem Augenwinkel jedoch in meine Richtung steuern. Dicht neben mir blieb er stehen, so dass sich unsere Schultern leicht berührten: ,,Schöne Feier!", er schmunzelte und ließ seinen Blick über den Platz vor uns wandern, auf dem sich die restlichen Feiernden aufhielten. Von der Feier hielt ich wenig. Ich nickte knapp und schenkte ihm keine weitere Beachtung, bis er sich räusperte und meine Hand leicht anstieß. Ich öffnete sie automatisch ein wenig, er steckte mir etwas kleines rundes zu. Mein Blick wanderte zu ihm hoch, doch wie üblich schmunzelte er nur leicht. Ich wand mich ein wenig ab und drehte den Feiernden den Rücken zu, um mir die Tablette einzuschmeißen und spülte ganz klassisch mit Champagner nach.
,,Sieht man dich eigentlich später noch auf der After Party?", wollte ich wissen und stellte das leere Glas auf dem Tablet eines vorbeigehenden Kellners ab, etwas das es in den Bierzelten nicht gab. Auch die After Party war nur für ausgewählte männliche Gäste meines Vaters zugänglich, dass ich zu ihnen gehörte ehrte mich... nicht. ,,Klar, was denkst du denn?", er warf mir einen Seitenblick zu, nun musste ich schmunzeln.
Wir unterhielten uns noch eine Weile, bis mein Vater mich zu sich herüber winkte. Ich entschuldigte mich bei Julian und ließ mich dann Bekannten meines Vaters vorstellen, die ich in noch nie zuvor gesehen hatte. Die Droge machte sich bemerkbar, die Anspannung fiel von mir ab. Ich neigte nicht zu Lampenfieber oder der Angst Erwartungen nicht zu entsprechen und hatte auch sonst ein doch sehr gesundes Ego. Ich war geschult daran mich anderen verkaufen zu können und nichts anderes tat ich auch jetzt. Wahrscheinlich pushten Droge und Alkohol mein Ego zusätzlich.
Mein Vater der mich nicht immer gern reden ließ, zeigte sich überrascht. Zumindest entnahm ich dies dem Blick, den er mir von der Seite zuwarf und der Tatsache, dass er mich mit ihnen allein ließ und sich anderen Gästen widmete. Ich wurde herumgereicht wie ein Trophäe. Die Namen der Leute konnte und wollte ich mir so oder so nicht merken, aber so brachte es mich in eine doch recht unkomfortable Position.
Ich trank fleißig weiter, ließ mir meine beschränkte Laune nicht anmerken und verlor sie mit weiterem Konsum auch zunehmend wieder. Das Sieben Gänge Menü, war wohl kaum mit den Currywurst-Pommes für die Arbeiter gleichzusetzen gewesen. Vielleicht störte sich niemand daran, weil man hier zum Essen im Gebäude saß und dies von unten auch nicht einzusehen war. Mir missfiel es gewaltig und ich war fast froh, als ich mit dem Wagen aus dem Geschehen gebracht wurde.

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