Die Zeit unseres Lebens

Kapitel 40

Tess

Sechs Monate später

Ich hatte immer gewusst, dass dieser Tag kommen würde. Hatte mich monatelang innerlich auf ihn vorbereiten können. Mir einreden können, dass ich bereit bin. Bereit, ihn loszulassen.

Doch nun, als ich neben ihm in unserem Bett liege und seine Hand ein letztes Mal in meiner spüre und ihn ansehe, weiß ich es. Weiß, dass ich nie bereit dafür sein werde. Bereit dafür, Damon nie wieder zu sehen. Nie wieder seine Stimme zu hören oder seine Berührung auf meiner Haut spüren zu können.

Doch ich muss ihn gehen lassen. Das habe ich ihm versprochen, weshalb ich mich ein letztes Mal an ihn schmiege und von Erinnerungen überrollt werde. Von all den Momenten,  in denen wir so unendlich glücklich gewesen waren. Dankbar, für das Wunder, das uns zuteil wurde. Das Wunder,  trotz aller ärztlicher Erwartungen so viele Monate mit ihm erlebt zu dürfen. Die Ärzte hatten Damon bei seiner Diagnose nur wenige Monate gegeben, doch ihm wurden drei Jahre geschenkt. Drei Jahre, in denen er mich getroffen hat. Mein Leben verändert und mich gerettet hat. Vater werden und unsere Tochter kennenlernen konnte. Dabei war, als sie ihn das erste Mal angelächelt hat. Er konnte sie tausende Male im Arm halten und er war so unendlich glücklich gewesen. Strahlte in den vergangenen Monaten eine unbeschreibliche Freude aus und es gab immer wieder Tage, in denen man ihm seine Krankheit nicht ansah oder anmerkte. Tage, die wir häufig mit Josey, Katy und Nick zusammen am Strand verbrachten. Tage, in denen wir jede Sekunde genossen und an die wir uns für immer erinnern werden.

Doch mit der Zeit war Damon immer schwächer geworden. Konnte uns nicht mehr an den Strand begleiten, da er das Bett nicht mehr verlassen konnte. Sich zu schwach fühlte, um auch nur einen Schritt zu gehen. Diese Zeit verbrachte ich die meiste Zeit bei ihm. Legte mich zu ihm und schmiegte mich an ihn, während er mich in seinen Armen hielt. Wir in Erinnerungen schwelgten, während der Fernseher leise im Hintergrund einen Film oder eine Serie zeigte, die wir beide liebten. An einem Abend wünschte er sich, dass ich ihm aus meinen Buch vorlas, dass inzwischen veröffentlicht wurde. Daher las ich ihm bis in die Morgenstunden hinein vor, während Josey in Damons Armen schlief.

Die Tage zogen sich dahin und mir wurde schmerzlich bewusst, dass Damon mit jedem Tag, der verging, immer schwächer wurde. Kaum noch etwas essen oder trinken wollte und beinahe den ganzen Tag schlief. In dieser Zeit zog Katy bei uns ein. Damon hatte sie darum gebeten, da wir in dieser Zeit einander brauchten. Ich wusste nicht, was ich ohne sie gemacht hätte. Sie kümmerte sich liebevoll um Josey und half mir mit Damon. Spendete mir Trost, wenn ich in Tränen ausbrach. Wenn ich das Gefühl hatte, den Boden unter den Füßen zu verlieren. Sie fing mich auf, wenn ich fiel und auch umgekehrt war ich für sie da, wenn sie hingegen am Boden zerstört war. Wenn all der Schmerz uns niederdrückte und wir versuchen mussten, vor Damon stark zu bleiben, so hatten wir anschließend einander. Beide mit dem Schmerz verbunden, bald jemanden zu verlieren, dessen Verlust wir nicht ertragen können.

Doch gestern war Damon kaum noch ansprechbar gewesen. Hatte kaum die Augen öffnen können, weshalb wir einen Arzt rufen mussten. Dieser hatte uns mitteilen müssen, dass er nichts mehr für Damon tun könne, außer die Schmerzen zu lindern. Das wir uns verabschieden müssen.

Katy und ich hatten den restlichen Tag daher an Damons Seite verbracht, während Nick vorbeigekommen war, um sich um Josey zu kümmern. Erst in der Nacht hatte Katy schweren Herzens den Raum verlassen, um sich kurz hinzulegen. Doch ich konnte nicht einmal an Schlaf denken, weshalb ich mit tränenverschleierten Blick Damon angesehen hatte. Plötzlich öffnete er die Augen und unsere Blicke trafen sich. Er lächelte mich liebevoll an, während er mir sanft eine Strähne hinters Ohr strich. Es schien als habe er keine Schmerzen mehr. Als sei alles wieder in Ordnung und mein Herz begann wieder höher zu schlagen.