21. ... aber auf jeden Fall anders als geplant

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„Nichts läge mir ferner, als euch zu täuschen", wispert Horion und seine eisblauen Augen sind unverwandt auf Jessie gerichtet.

„Ich kenne die Maßgaben, nach denen ihr operiert", erwidert ser und es ist nicht nur sire Wortwahl, die sich verändert hat. Jessies gesamte Haltung ist anders geworden, aufrecht und kommandierend, nicht mehr wie die fröhliche, vielleicht ein wenig leichtsinnige Version von sir, die ich kenne. Was passiert hier? „Und ich weiß, dass das nicht die Wahrheit ist", fährt ser fort.

Horion versinkt daraufhin in eine Verneigung, die ihm die langen weißen Haare über die Schultern rutschen lässt und ihn selbst einmal sauber in der Mitte zusammen klappt. Es ist ein äußerst merkwürdiger Anblick. Wieso habe ich immer mehr das Gefühl, als würden die Djinn sich größte Mühe geben, die Verhaltensweise von menschlichen Körpern nachzuahmen, aber darin in einigen Punkten kläglich versagen?

„Ich stehe zu Euren Diensten", säuselt Horion.

„Ich wünsche -", setzt Jessie an und urplötzlich überkommt mich ein sehr unangenehmes Gefühl, das ich überhaupt nicht begründen kann.

„Das ist keine gute Idee", sage ich exakt gleichzeitig mit Jessies „dass du frei bist und keinen Wünschen mehr gehorchen musst."

„Wirklich schlechte Idee!", bekräftige ich noch meinen plötzlichen Instinkt.

Horion indes richtet sich langsam aus der unangenehmen Verneigung auf. Plötzlich erscheinen mir seine blau leuchtenden Augen bedrohlich. Sie bohren sich in Jessies braune und scheinen sich in sin Gesicht zu fressen. Dann wandert nach und nach ein Grinsen in Horions Gesicht, ergreift erst den linken, dann den rechten Mundwinkel und strahlt schließlich bis zu seinen Augen aus, ohne dabei jemals freundlich zu werden.

„Ich habe zu danken." Seine Stimme ist nicht mehr leise oder säuselnd, plötzlich ist sie laut und dröhnend und lässt meine Zähne sehr unangenehm aufeinander klappern. Gut, vielleicht hat Letzteres auch mit meiner Gefühlshaltung zu tun. Aber es ist besser für mein Ego, wenn ich es auf die beeindruckenden Schallwellen schiebe, die sich von Horion ausbreiten.

Horion löst sich von seiner Tasche. Klingt seltsam, ist aber genau das, was passiert. Etwas hat sich an ihm verändert. Der Hauch von blau-weißem Glitzer, den ich bei seinem ersten Auftreten wahrgenommen habe, ist nun wirklich präsent. Er umhüllt den Djinn als riesige Wolke und ein unsichtbarer Wind erfasst Horions Haare.

Draußen donnert es. „Das ist nicht gut, oder?", brülle ich gegen die Windböe, die plötzlich durch das Museum schießt.

Jessie antwortet nicht, aber ser hat die Lippen trotzig zusammengepresst und blickt unverwandt auf den soeben befreiten Djinn. „Jessie!", rufe ich. „Was passiert hier?"

Ob ser mich weiterhin ignoriert oder doch noch geantwortet hätte, werde ich wohl nie erfahren, denn in diesem Moment erhebt sich ein Lachen von Horion, das mir die Haare zu Berge stehen lässt. Es ist schrill und steigert sich von einem normalen Klang hinauf bis in irre Höhen, in denen es sich auch um die Schreie von Vögeln handeln könnte. Von dort aus sackt es ab in die Tiefen, wie man sie höchstens aus schlecht gemachten Horrorfilmen kennt.

Ein erneuter Windstoß fegt Jessie, Kat und mich von den Füßen. Mehr oder weniger sanft landen wir alle anderthalb Meter weiter hinten, der Wind kommt urplötzlich zum Erliegen.

Als wir uns mit unterschiedlichen Graden an Geschicklichkeit wieder auf die Füße kämpfen, ist Horion verschwunden. Nur noch die Ahnung eines Glitzerns hängt in der Luft, ähnlich dem Funkeln eines Schneefeldes, wenn der Wind darüber geblasen hat.

„Ich glaube euch", sagt Kat schwach.

„Wirklich", erwidere ich trocken, aber das Lächeln, auf das ich eigentlich abgezielt habe, will nicht auf mein Gesicht kommen.

Simsaladjinn - Ein Djinn für alle FälleWo Geschichten leben. Entdecke jetzt