22. Ein glitzerndes Echo

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Wüsste ich es nicht besser, wäre mein Verdacht gewesen, dass jemand vor der Tür gewartet hat und uns jetzt zur Begrüßung einen Eimer Wasser ins Gesicht schüttet. Schlagartig sehen wir alle drei aus, als hätten wir geduscht. Kalt. Sehr sehr kalt.

Die Luft ist aufgeladen vor Energie, als wir auf die Plattform hinaustreten, die normalerweise einen wunderschönen Ausblick über New York bietet. Heute allerdings scheint das Empire State Building in einer pechschwarzen Höhle zu stehen.

Unter uns wirbeln Nebelschwaden und Rauch wie Wasserstrudel durcheinander. Ich versuche den Blick nach oben zu wenden, aber der Regen ist so stark, dass ich wohl eine Taucherbrille bräuchte, um das zu bewerkstelligen.

Im nächsten Moment allerdings dröhnt ein WEG DA so laut gegen unsere Ohren, dass sich jede weitere Suche nach Horion erledigt. Ja, ich habe seinen Befehl mit voller Absicht nicht in Anführungsstriche gesetzt, er ist so durchdringend und omnipräsent, dass er eher wie ein sehr laut gedachter Gedanke wirkt als ein Produkt einer anderen Stimme.

„Lass das bleiben!" Ich habe einen Trichter vor meinem Mund geformt und gehe einfach davon aus, dass er uns mit Sicherheit hören kann, wenn er uns schon entdeckt hat.

Habe ich uns eigentlich schon gratuliert, dass wir ihn so schnell gefunden haben? Ich finde, das ist durchaus eine Leistung für sich.

„Bilde dir nicht ein, mir Befehle erteilen zu können, Menschling!", dröhnt Horion und er erscheint vor uns auf der Balustrade. Seine blauweiße Robe flattert um ihn herum und wieder liegt Glitzern in der Luft, trotz des Regens.

„Sie haben mir Unrecht getan!" Horion stößt ein schrilles Heulen aus und gleich drei Blitze schlagen zwischen Kat, Jessie und mir in den Boden der Aussichtsplattform ein. Zu unserem Glück scheinen sie mehr zur Show zu sein als tatsächlich aus den Wolken zu kommen, doch sie sind mächtig genug, dass Jessie tanzend verschwindet, weil sin Schuh Feuer gefangen hat.

„Eingesperrt, vergessen und der Verdammnis preisgegeben!" Horions Augen leuchten nicht mehr nur blau, sie sind zu blauen Flammen geworden, die aus seinen Augenhöhlen herauslodern. „Treue Dienste habe ich ihnen geleistet, aber kein weiteres Binden, nein, ich hatte meinen Zweck erfüllt! Wie ein SPIELZEUG, DAS EIN KIND NICHT MEHR BRAUCHT!"

Ein neues Beben erschüttert die Stadt, ich höre ein lautes Knacken und dann ein Geräusch, als würde die Erde selbst auseinanderbrechen. Aus einem Straßenblock nicht weit von uns entfernt steigen Funken auf.

„Sie werden BRENNEN!", kreischt Horion. „Sie werden BÜSSEN!"

Ein erneuter Windschwall erfasst Kat und mich und drückt uns gegen die Wand des Aufzugs. Bitte geh jetzt nicht auf, flehe ich innerlich. Bitte geh nicht auf.

„Und ihr, IHR wollt mich aufhalten!" Blaue Blitze fräsen sich um mich und Kat in die Aufzugtüren, flirrende Hitze steigt davon auf und versengt unsere Haare. „Ihr habt nicht das Recht dazu!"

In diesem Moment steckt eines von Horions blauen Augenfeuern seine Augenbraue in Brand. Er macht einen erschrockenen Satz nach hinten, vergisst dabei aber offensichtlich, dass er auf einer Balustrade steht. Mit einem glitzernden Wirbeln seiner Robe verschwindet Horion aus unserem Blickfeld.

Der Druck auf Kat und mich lässt augenblicklich nach. Gleichzeitig stürzen wir zur Balustrade und starren nach unten, doch außer den wirbelnden Rauchschwaden ist nichts zu sehen. „Das kann es doch ..."

„Das wäre wirklich unwürdig."

„Au", sagt Jessie hinter uns. Ser kommt zu uns und hält einen halben Schuh sowie einen verkohlten Socken in der Hand. „Ich will nie wieder ein Wort darüber -"

Simsaladjinn - Ein Djinn für alle FälleWo Geschichten leben. Entdecke jetzt