Okay. Ich habe ein Problem. Irgendwie bin ich in diese Sache reingerutscht und habe keine Ahnung, wie ich da wieder rauskomme und schiebe jetzt ein klein wenig Panik, weil niemand, den ich kenne, schonmal in so einer Situation war und - Von vorne. Ich sollte wirklich von vorne anfangen. Also von vorne.
Seit einiger Zeit arbeite ich in einem kleinen Antiquitätenladen mitten in Manhattan. Der Besitzer, Mr. Skyler, ist der Typ älterer Herr, den sich jeder als Großvater wünscht. Wirklich. Inklusive weißem Bart, Stock, blitzenden Augen und sogar einer kleinen goldenen Taschenuhr.
Meinen Job verdanke ich der Tatsache, dass ich mich mehrere Tage lang stundenlang durch seine Auslagen gewühlt habe. Nur hat genau diese Angewohnheit jetzt leider dazu geführt, dass ich so ein Problem habe.
Versteht mich nicht falsch, ich liebe die Arbeit in dem Laden. Ich kann den ganzen Tag alte Bücher durchblättern, alte Klamotten sortieren und mir überlegen, was die Leute, die sie früher mal anhatten, wohl so erlebt haben ... Mr. Skyler schmunzelt manchmal und sagt im immer gleichen Tonfall: „Eliza Merry, bald kann ich diesen Hut nicht mehr mit der Beschreibung kaum getragen verkaufen."
Jetzt bin ich vielleicht ein bisschen abgeschweift. Der Punkt ist: Vor zwei Tagen kam ein Mann in den Laden, dem das Wort „Ich bin unglaublich mysteriös" praktisch auf die Stirn gestempelt stand.
Okay. Das war kein Wort. Das war ein Satz. Aber es sollte klar sein, was ich meine.
Dieser zwielichtige Typ (er hatte sogar einen langen schwarzen Umhang) hat sich vor Mr. Skyler auf und eine Truhe auf den Tisch gestellt, von der er behauptete, dass sie uralt ist und seiner Ururururgroßmutter oder sowas gehört hat.
Die Truhe war wirklich wunderschön gearbeitet, aus verschiedenen Hölzern und an den Rändern mit Gold beschlagen. Und der mysteriöse Mann wollte kaum was dafür haben. Um ehrlich zu sein: Wahrscheinlich hätte Mr. Skyler ihn wahrscheinlich noch herunterhandeln können.
Rückblickend war die Nummer vielleicht etwas verdächtig. Aber hinterher ist man ja bekanntlich immer schlauer.
Ich arbeite jetzt schon sieben Monate für Mr. Skyler und seit einem Monat ist es meine Aufgabe, freitags den Laden abzuschließen. Mein Chef selbst geht da immer schon früher, wahrscheinlich um sich irgendwo mit Freunden zu treffen, die genauso alt sind wie er und auch goldene Taschenuhren tragen. Ich bin stolz auf das Vertrauen, das er mir schenkt, und ich nehme meine Arbeit ernst. Und ich nehme auch zu gern das Angebot von Mr. Skyler an, dass ich nach dem Ladenschluss so lange im Laden bleiben darf, wie ich möchte.
Vorgestern war wieder einer dieser Tage. Für einen Antiquitätenladen ist der von Mr. Skyler ziemlich groß. So groß, dass ich tatsächlich durch die Gänge streifen kann. In diesen Momenten, wenn nur noch der Schein der Uraltstraßenlaterne von draußen Licht spendet und die hölzernen Dielen unter meinen Füßen knarren, dann kann ich mir fast vorstellen, dass die Sachen, die wir aktuell zum Verkauf haben, mir Dinge zuflüstern.
„Eliza, ich sollte eigentlich mit auf die Titanic genommen werden, aber ich wurde im letzten Moment im Schrank vergessen."
„Eliza, ich war ihr Lieblingsschuh, aber dann hatte sie mich an, als er mit ihr Schluss gemacht hat und sie hat mich nie wieder getragen."
„Eliza, ich habe gesehen, wie der Bruder meiner Besitzerin erschossen wurde."
Es sind nicht nur schöne Geschichten.
Die Truhe aber ... sie war noch einmal anders. Sie flüsterte nicht nur, sie schrie. Keine Worte, eher ein hoher, schriller Ton, wie man ihn manchmal im Ohr hat, wenn ein Wasserpfropf darin festsitzt.
Auf jeden Fall war es nichts, was ich ignorieren konnte.
Die Kiste stand direkt am Fenster, und um diese Uhrzeit zufälligerweise gerade noch in dem letzten Fleck, der nicht in Schatten getaucht war. Sie war wirklich wunderschön. Und als ich die Hand danach ausstreckte und sie berührte, fühlte sie sich warm an. Beinahe lebendig.
Ich hatte etwa zwei Sekunden Zeit, das wahrzunehmen. Dann ging der Ärger los.
Uns hatte der mysteriöse Typ gesagt, der Verschluss würde klemmen. Mr. Skyler konnte ihn nicht einmal bewegen. Also bin ich davon ausgegangen, dass er klemmt. Tja. Als meine Hand sie berührte, öffnete er sich.
Und dann, in einer Szene wie in einem Film, schwang der Deckel auf – ebenfalls wie in einem Film –, eine riesige Wolke schwarzer Rauch quoll daraus hervor und formte sich dann zu einer Gestalt.
Menschliche Züge, hager, bestimmt zwei Köpfe größer als ich. Von den Gesichtszügen her würde ich auf männlich tippen, könnte es aber nicht beschwören. Sie waren aber auch das einzige, was ich erkennen konnte, der Rest blieb dieses rauchig nebelige... Etwas.
Erwähnte ich die irislosen schwarzen Augen? Die Gestalt hatte irislose schwarze Augen. Und war mitten in einer Schimpftirade.
„... war mir ja klar, dass du so reagieren würdest. Das ist der einzige Weg, den du noch aus einer ungünstigen Situation hast. Einfach die Klappe schließen, nur leider nie die eigene. So ein kleines Vampirproblem regelt sich nicht von alleine und wenn du Mireor erzählst, dass du schon wieder gekniffen hast, kriegt er zwar einen Lachanfall, aber er reißt dir auch den Kopf ab. Also hast du dich doch dazu entschlossen -"
Ich bin mir ziemlich sicher, dass das der Moment war, in dem er mich bemerkte. Ich habe bestimmt einen eindrucksvollen Anblick geboten, in Jeans und Kapuzenpulli, die schulterlangen braunen Haare in alle Richtungen stehend, nur nicht in die, die sie sollten, den Mund überaus elegant offenstehen.
Auch wenn das mit den irislosen schwarzen Augen (erwähnte ich die bereits?) schwer zu sagen war, würde ich doch vermuten, dass er überrascht war.
Kurz trat Stille zwischen uns ein.
Dann explodierte der Rauch, hüllte mich ein, zog sich kurz darauf wieder zurück und bildete eine stattliche Robe um die Schultern des ... Wesens herum. Dessen Augen verfärbten sich von schwarz zu rot (echt keine Verbesserung) und seine Stimme lag plötzlich etwa drei Oktaven tiefer. Und hallte.
„Oh Sterbliche, du hast mit deinen Taten ein großes Unheil über dich gebracht. Du hast dich mit Kräften eingelassen, die deinen Verstand bei Weitem übersteigen. Es ist ein Spiel, aus dem es kein Entrinnen mehr gibt."
Ich glaube, ich reagierte, wie jeder halbwegs normale Mensch in dieser Situation reagiert hätte. Ich schrie und schlug die Truhe wieder zu. Das Wesen verschwand und ich ... verließ den Laden nicht unbedingt mit der Würde, die ich sonst selbstverständlich an den Tag lege.
Ja. Und jetzt habe ich ein Problem.
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Simsaladjinn - Ein Djinn für alle Fälle
UmorismoWusste ich, dass in dem Antiquitätenladen einiges ein wenig seltsam ist? Natürlich. Dachte ich, das würde mich jemals irgendwie betreffen? Nein. Bin ich davon ausgegangen, dass ein Djinn mit Erziehungsproblemen mich als Babysitter verpflichten wür...