34. Wer hat wem gesagt, dass es eilt?

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„Kat!" Das rote Licht ist mir vom einen auf den anderen Moment vollkommen egal. Ich stürze praktisch in die Richtung, aus der ich die Stimme meiner besten Freundin gehört habe. „Kat, geht es dir gut?"

„Ich denke doch." Ihre Stimme ist dünn und ich kann sie immer noch nicht sehen, aber allein die Tatsache, dass ich sie hören kann, ist mehr, als ich vorhin noch zu hoffen gewagt habe.

Endlich gewöhnen sich meine Augen ausreichend an die Dunkelheit, dass ich etwas erkennen kann. Und da ist Kat. Sie sitzt einfach an der Wand, die Knie bis an ihre Brust herangezogen, die Arme darum geschlungen. Ihre langen schwarzen Haare liegen wie ein Schleier auf ihren Schultern.

Sie rührt sich nicht, auch, als ich vor ihr auf die Knie falle.

„Kat, was ist mit dir passiert?"

Kat starrt mich einfach nur an.

„Was ist los?" In meine Stimme hat sich ein Beben eingeschlichen. Ich spüre es wahrscheinlich mehr als dass man es tatsächlich hören kann, weil Mireors Alarm noch immer in meinen Ohren dröhnt.

„Lass uns gehen!", sage ich nachdrücklich, aber Kat starrt mich immer noch nur an. „... Kat?"

„Ich falle da nicht mehr drauf rein." Ich bin so erleichtert, dass sie spricht, dass es eine Weile dauert, bis zu mir durchdringt, was sie gesagt hat. Mein Herz stolpert.

„Was meinst du damit?"

„Ich weiß nicht, was ihr diesmal wollt, aber ich bleibe jetzt genau hier sitzen."

Eine Ahnung macht sich in mir breit, wie Tee, der sich im heißen Wasser verteilt.

„Kat, ich bin es", flüstere ich. Kurz denke ich, sie hat mich nicht gehört, aber dann antwortet sie doch.

„So wie das letzte Mal?" Kats Stimme ist eisig. „Was soll ich diesmal machen? Willst du mich wieder in dem verda... in diesem Spiegellabyrinth allein lassen? Oder ist dir etwas Besseres eingefallen?"

Ich glaube, Schritte zu hören. Vielleicht spielt mir aber auch meine überreizte Fantasie einen Streich. Wie dem auch sei, wir müssen unbedingt hier raus.

„Kat, ich bin es wirklich", flüstere ich und hoffe, dass sie mir endlich glaubt. Dann ist es, als wäre ein Schalter in meinem Kopf umgelegt worden. Mein Schalter ist echt langsam. „Du hast mir eine SMS geschrieben, weil du Menstruationsprobleme hast."

Kats Augen verengen sich zu Schlitzen.

„Du wolltest neulich eine Geschichte über ein Mädchen und einen Lollipop in einem ... Gespensterhaus schreiben?", rate ich mir zusammen, was ich von Kats letzter Geschichtenidee noch weiß.

Stille tritt ein, nur durchbrochen von dem Alarm, der immer noch die Mauern der Fake-Burg erbeben lässt.

„Eliza", wispert Kat schließlich und ich finde mich in einer knochenzerbrechenden Umarmung wieder. Es sind die schönsten Schmerzen, die ich jemals empfunden habe. Kat lebt. Kat geht es gut. Es ist, als hätte jemand ein kleines, wärmendes Feuer in meinem Magen entzündet. Vielleicht leuchte ich sogar.

„Wir sollten gehen", ringe ich mich trotzdem durch, zu sagen. „Hier tauchen bestimmt –"

„– jeden Moment Leute auf", ergänzt Kat, deren Schalter offenkundig schneller reagiert als meiner.

Wir halten uns noch an den Händen, als wir uns durch das Spiegellabyrinth schlängeln. Die Kälte macht mir diesmal nichts aus. Soll Mireor doch machen, was er will.

Ich komme nie wieder hierher zurück.

Wenn ich einmal raus bin. Was ich erst einmal schaffen sollte. Nun. Kleines Hindernis.

Simsaladjinn - Ein Djinn für alle FälleWo Geschichten leben. Entdecke jetzt