KAPITEL V | Ein Eilbrief an den Verbündeten

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Als Bentes Patrouille hinab in die Grube stieg, sah Kjell aus, wie ein lebendiger Toter. Ihm war jegliche Farbe aus dem nicht vernarbten Teil seines Gesichts gewichen.

Freyning kam als erster an ihre Seite gelaufen. „Was ist passiert?“, fragte der Soldat.

Skalli warf Kjell einen besorgten Blick zu. „Ein Microraptor hat uns angegriffen, uns ist aber nichts passiert.“

„Ein Microraptor?“, wiederholte Freyning überrascht.

Femke und Niek waren derweil auch bei den anderen eingetroffen und wechselten beunruhigte Blicke.

„Wahrscheinlich trug das Tier auch einen Parasiten in sich. Dekker oder Kappa sollen es untersuchen“, erkundigte der General die Aufständler. „Mulder, bring den Körper in die Heilerhöhle“, befahl er augenblicklich.

Taro nickte und marschierte geradewegs an seinen Kameraden vorbei. In seinen Händen hielt er ein Bündel, eingewickelt in Farnblätter. Niek konnte nur den langen Federschwanz des Raptors aus dem Bund heraushängen und leicht von einer Seite zur anderen wippen sehen.

„Dimer, folg Mulder. Dekker soll sich deine Wunden ansehen“, sprach Skalli schnell weiter und so entfernte sich auch Kjell von der Gruppe.

„Ich dachte, er wäre nicht verletzt“, warf Femke entsetzt ein.

Skalli nickte. „Nur Kratzer. Keine Bisse“, klärte er angebunden auf.

Die Blonde atmete erleichtert aus und entspannte sich sichtlich.

„Wir warten auf den Bericht der Heiler, bevor wir weiter darüber spekulieren, was das jetzt für uns bedeutet“, entschloss Skalli daraufhin. „Jetzt habe ich erstmal Hunger.“

„Die morgendliche Jagdpatrouille ist eben schon zurückgekommen. Sie haben heute große Beute gemacht“, erzählte Niek dem General. „Ein Psittaco, der im Wald Anschluss an seine Gruppe verloren hat.“

„Das klingt gut“, murmelte Skalli. Er machte einen Schritt nach vorne und knickte mit seinem verletzten Bein um.

Niek machte sich schon bereit, den anderen aufzufangen, doch Skalli fand noch rechtzeitig sein Gleichgewicht wieder und hinkte wortlos weiter voran. Sein Gesicht hatte er schmerzhaft verzogen. Die Augenbrauen hatte er so zusammengezogen, dass sich Falten über seine Stirn legten und das Band seiner Augenklappe ihm in die Haut schnitt.

„General, setz dich hin. Ich bringe dir Essen“, bot Niek ihm besorgt an.

„Alles gut. Ich kann sitzen, wenn du gleich versuchst deine Tagesverwandlung durchzuführen“, entgegnete der Ältere.

Niek gab auf, seinem Gegenüber einzureden, dass es unklug von ihm war, sich so zu verausgaben. Skalli hatte oft genug bewiesen, dass er zu dickköpfig dafür war. Irgendwo konnte Niek ihn schließlich auch verstehen – er hasste es ebenfalls, wenn er seinen Kameraden nicht helfen konnte.

Skalli erreichte das Lagerfeuer im Mittelpunkt von Ekliptik. Dort lagen noch Reste der erjagten Beute abgedeckt mit Stoff im Schatten des Baumstammes, welcher dort als Sitzgelegenheit platziert wurde.

Der General nahm sich das bereits gebratene Fleisch und etwas Brot. Taro und Kjell, die nicht viel später aus Joriks Höhle zurückgekehrt waren, und allesamt als Teil der Grenzpatrouille noch nichts gegessen hatten, bedienten sich ebenfalls.

Niek ließ sie allein und in Ruhe essen. Er verzog sich an den Rand des Lagers, dort wo die Felswände tiefe Schatten warfen und der Steinboden noch eine leicht kühlende Wirkung hatte. Er gönnte sich einen Augenblick der Ruhe, ehe er in Kürze sein Training anfangen würde.

Dragontale - Etappe IVWo Geschichten leben. Entdecke jetzt