KAPITEL XIV | Ratschlag

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„General."

Skalli schlug träge sein Auge auf. Neben ihm im Bau lag Niek und schlief.

„General!"

Dieses Mal klang die Stimme deutlicher. Sie gehörte zu Dekker und sie drang vom Eingang des Baues zu ihm hinein in die Höhle.

Skalli fischte sich hastig seine Augenklappe vom Boden und zog sich diese über den Kopf, ehe er sich auf die Beine rappelte und dabei aus Versehen Niek anstieß, der daraufhin ein genervtes Murren von sich gab.

„Entschuldige", flüsterte er an seinen Freund gewandt, ehe er zum Eingang der Höhle eilte. Dort zog er einen Vorhang von Ranken zur Seite, die über die vergangenen Tage überraschend viel gewachsen waren – die Sonne musste ihnen guttun. „Jorik", grüßte er den Heiler vor dem Eingang unpräzise. „Was ist los?"

„Ich habe leider schlechte Neuigkeiten", setzte Dekker an.

Skalli mochte es nicht, wenn man ihn mit diesen Worten weckte. Er mochte es auch nicht, diese Worte im Laufe des Tages hören zu müssen oder gerade, wenn er sich schlafen legen wollte.

„Ich bin gerade noch einmal zu dem Busch gegangen, unter dem Linus gefunden wurde, weil Bente es gestern ja nicht mehr geschafft hatte", fuhr Dekker fort und zog ein Büschel brauner Haare aus einem Blätterumschlag, den er in seiner Hosentasche mit sich getragen hatte. „Das habe ich in den Dornen dort gefunden."

„Braune Haare", kommentierte Skalli den Fund und inspizierte ihn daraufhin genauer. Das Haar war mittellang und glatt. Sogar die Haarwurzeln konnte man noch erkennen, sie mussten mit Gewalt herausgerupft worden sein. Es stammte sicherlich nicht von einem Nagetier, nicht mit solch einer Länge, und erst recht gehörte es nicht zu einem Drachen. Es musste von einem Menschen stammen. „Linus hatte keine braunen Haare und sie passen auch nicht zu Niek, Bente oder Ningyo, die den Jungen da rausgeholt haben. Für Anton sind sie zu kurz", spezifizierte Skalli genauer.

„Dann...", fing Dekker zu sprechen an und unterbrach sich selbst noch einmal, um seinen Satz zu überdenken: „Rein hypothetisch, wenn wir kurz mal annehmen, Linus trug keinen Parasiten in sich, worauf die Spuren derzeit nun einmal hindeuten, dann... Dann könnten die Haare zu der Person gehören, die Linus dort verbuddelt hat und demnach war es gezielter Mord, der vertuscht werden sollte."

„Womit wir wieder bei unserem Phantom-Bewohner wären, der hier im Wald umherstreift", spann Skalli den Faden weiter.

Dekker nickte mit ernster Miene.

„Ich werde noch einmal mit Freyning reden, wie es mit einer Patrouille aussieht", kündigte der General an und stiefelte sogleich davon.

„Du möchtest nach dem Phantom suchen?", hakte Dekker skeptisch nach.

Skalli nickte. „Oh", machte er, als ihm bei dem Gespräch plötzlich ein ganz anderes Thema in den Kopf kam. „Und könntest du nach Osiek schauen? Er wird dich nicht dahaben wollen, aber du solltest hartnäckig bleiben."

Der Heiler nickte und lächelte schwermütig. „Kein Problem, ich werde ihn mir mal anschauen."

Danach dauerte es nicht mehr lange, bis Skalli Freyning bei Kadiras Waffenlager am Geröll im hinteren Grubenteil ausfindig gemacht hatte.

„Freyning", kündigte der General sich an. „Wolltest du gerade zur Grenzpatrouille aufbrechen?"

Der Soldat nickte schweigend.

„Ich möchte, dass deine Patrouille dieses Mal die Grenze erweitert – über den Bach hinaus, damit ihr dort nach dem Phantom Ausschau halten könnt", kam Skalli sogleich auf den Punkt.

Dragontale - Etappe IVWo Geschichten leben. Entdecke jetzt