10. Kapitel

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Haselfell betrachtete gerade den Himmel, der sich langsam rot färbte, während sie am Sonnenfluss Ufer saß. Sie fühlte sich leer. Sie hätte mit ihren Freunden hier sein können, mit Rochenherz. Denn andere Freunde hatte sie nicht. Sie war ... allein. 

Haselfell durchfuhr ein Schauer als ihr das bewusst wurde. Wie komisch und grausam sich Alleinsein anfühlte. 

Hinter sich hörte sie Geräusche und fuhr herum. Es waren Frostwind, Nebelfluch und Splittersprung. Frostwind bemerkte sie als erste. "Was tust du hier so allein, Haselfell?"

Die Angesprochene hatte darauf selbst keine richtige Antwort. "Ich schätze mal, sie redet mit dem Wasser", scherzte Splittersprung. "Das ist nicht witzig", blaffte Nebelfluch ihn an. Sie trat vor und setzte sich neben Haselfell. "Vielleicht", überlegte sie. "Sollten wir uns, alle Katzen, einmal die Zeit nehmen über unser Leben nachzudenken"

Frostwind nickte und setzte sich. Die Graue sah in ihr Spiegelbild, sie sah auf Splittersprung, sie sah auf Haselfell und auf Nebelfluch. Dann verfiel sie, wie auch die anderen in angenehmes Schweigen. So alleine bin ich nicht..., kam es Haselfell zufrieden durch den Kopf. 

Sie saßen noch eine Weile schweigend da, bis es Splittersprung wohl zu langweilig wurde. "Was können wir sonst noch so machen?", fragte er in die Runde. Frostwind zuckte die Schultern. "Keine Ahnung. Da du meine wunderschöne Denkpause zerstört hast werde ich wohl ins Lager zurückkehren", miaute sie. 

Haselfell entwich ein Schnurren. "Ich bleibe noch ein bisschen hier", verkündete die junge Kriegerin. Immerhin muss ich irgendwie zu Tahnee kommen... 

Sie legte sich ins Gestrüpp und erhob sich erst wieder, als die anderen außer Sichtweite waren. Bis zu ihrer schwarzen Freundin hatte Haselfell noch ein ganzes Stück Weg vor sich. Zuerst musste sie zur Geisterinsel und von da aus über ein Clan-Territorium den Weg in Tahnees Lager finden. 

Seufzend lief Haselfell los. Theoretisch hätte sie ihre Gabe benutzen können, aber sie war viel zu aufgeregt, dass hatte sie bemerkt, als sie vorhin versucht hatte zwischen Orten zu wechseln. An dieser Kraft muss ich auf jeden Fall noch üben, überlegte sie. Vielleicht sollte sie in der Nacht trainieren, sich an andere Ort zu träumen und auch da wieder aufzuwachen. Und sie musste die Nachteile hinter dieser Gabe herausfinden. 

Womöglich war die einzige Katze, die ihr diese Fragen beantworten konnte Blattstern. Und aus diesem Grund musste sie es selbst herausfinden. 

Aber jetzt hatte sie sich sowieso mit anderen Dingen zu beschäftigen: Welchen der zwei Wege sollte sie gehen? Schlussendlich entschied sich Haselfell für die etwas kürzere und gleichzitig etwas ungefährlichere Variante. Also den neueren Weg, auf dem sie Tahnee im Traum verfolgt hatte. 

Tatsächlich schaffte die Braune es kurz bevor der Mond genau zwischen Horizont und Mondhoch stand, zur Geisterinsel zu gelangen. Nur etwas hatte sie nicht bedacht: Halbmond und das hieß, dass Aschensand sich hier mit den Heilern treffen würde. Und eben diese Heiler trafen sich oftmals früher am Eingang der Grotte um Sachen zu besprechen. 

Genauer gesagt trafen sie sich genau jetzt. Vogeldreck, fluchte Haselfell in sich hinein. Wenn man sie erwischen würde, würde es nicht sonderlich gut für sie aussehen, immerhin wäre sie dann eine Clankatze, die ohne Erlaubnis die Geisterinsel betreten würde. Beim Halbmondtreffen durften selbst Kiesel- und SandClan-Katzen nicht hier jagen.  

Sie versuchte hinter Büschen lang her zu schleichen, wohlwissend, dass sie mindestens eine Heilerkatze entdecken würde. Vielleicht hatte sie ja Glück und es war Aschensand. Dann wäre sie die Bestrafung des GeisterClans schon mal los. 

Sie sauste weiter über die Landschaft, wich hier und da einigen Bäumen aus, prang über herumliegendes Unterholz und atmete dabei die frische Nachtluft ein. Sie sprang nun gemächlich den Pfad entlang und machte eine kurze Pause, um sich zu orientieren. 

Schnuppernd erkundete sie die Gegend, bis sie langsam wieder wusste, wo sie sich befand. 

Noch ein kleines Stück, und sie hätte ihr Ziel erreicht. Tatsächlich ragte vor ihr nun das Lager auf, in dem Ace und ihre Gruppe lebten. Haselfell legte nochmals einen kurzen Sprint ein und blieb vor dem Eingang des Lagers stehen, wo Akita Wache hielt. "Was machst du schon wieder hier?", fragte er leicht perplex. 

Haselfell, etwas außer Atem schnappte nach Luft: "Tahnee hat mich doch gesucht" Akitas Augen blitzen kurz misstrauisch auf. "Sie ist gerade auf Jagt", erklärte der Braune schließlich. "Um diese Zeit?", fragte Haselfell erstaunt. 

Akita neigte den Kopf. "Sie ist eine ausgezeichnete Jägerin. Noch dazu kann sie unglaublich gut spüren - Nachtjagten sind ihre Spezialität" Haselfell nickte. "Soll ich warten oder sie suchen?", wollte sie wissen. "Kannst hier warten, sie kommt gleich zurück" 

Also machte Haselfell es sich im weichen Gras gemütlich und schloss kurz die Augen. 

***

Wenige Zeit später wurde sie unsanft geweckt. Kurz zuckte sie zusammen, als sie neben sich eine Gestalt ausmachen konnte, erinnerte sich jedoch wieder daran, wo sie war. "Hallo", begrüßte die Braune ihre Freundin. Tahnee warf ihr einen freundlichen Blick zu. 

"Was machst du hier?", fragte diese dann. Haselfell kniff kurz die Augen zusammen. "Ich dachte eigentlich, du suchst mich?", fragte sie leicht verwirrt. "Klar, aber woher weißt du das?", folgte spitz die Antwort. 

Sollte Haselfell ihr wirklich von ihrer Gabe erzählen? Im großen und ganzen war sie >verfeindet<, so wie jede andere Katze, die nicht zum Clan gehörte. Und nicht einmal Rochenherz wusste über Haselfells Fähigkeit bescheid, obwohl sie ihre beste Freundin war. "Ich war da, als du auf der Geisterinsel warst", log die Braune schließlich. 

So gelogen war das ja auch nun wieder nicht. Tahnee musterte sie. "Warum bist du nicht aus deinem Versteck, gekommen, als ich dich erwähnt habe?", fragte sie scharf. Krähendung! Jetzt brauche ich eine gute Ausrede, fluchte Haselfell. 

"Ich...ähm, dann hätte die Patrouille doch bemerkt ... äh ihre Vermutung bestätigen könne, dass ich spioniert habe, obwohl ich ja nur jagen war", stotterte sie zusammen und versuchte so glaubhaft wie möglich dabei zu klingen. 

Tahnee sah sie ernst an. "Lüg bitte so, dass ich es wenn möglich nicht mitbekomme. Immerhin ist das das Ziel der ganzen Sache" Verlegen, dass sie erwischt wurden war leckte sich Haselfell das Brustfell. 

"Ich werde nicht weiter Fragen, wenn du die Frage nicht beantworten möchtest", fuhr die Schwarze fort, "Und ja, ich habe dich gesucht. Erfolgreich haben wir diese räudigen Wildschweine vertrieben, einige Jungtiere konnten wir sogar töten. Und wir haben es ohne Streuner und Einzelläufer geschafft" 

Sie hörte sich wie ein freudiges Junge an, was seinen Eltern erzählte, was es alles erlebt hatte. "Und warum brauchst du dann Hilfe?", fragte Haselfell leicht verwirrt. Nicht sofort, aber kurz nach diesen Worten wurde Tahnees Gesicht wieder kühl. "Sodom hat sich schwer verletzt und wir können ihr nicht helfen. Vielleicht wissen du oder dein Heiler wie man helfen kann?"

Tahnee lief kommentarlos ins Lager, zu einem etwas kleineren Bau und führte Haselfell, die ihr folgte, hinein. Auf einer Art glatter Stein lag eine schildpattfarbene, normalgroße, schweratmende Kätzin. Ihre sonst blauen Augen waren geschlossen. Nur ihre atemringenden Geräusche machten darauf aufmerksam, dass sie noch lebte. 

Tahnee sah sich kurz um, nahm sich ein herumliegendes Bündel Kräuter und gab es Sodom, die es protestlos fraß. "Ein Wildschwein hat sie mit diesem großen Zahn an der Flanke erwischt", erklärte die Schwarze, ehe die Clan-Kätzin etwas sagen konnte, und deutete auf eine Stelle an Sodoms Flanke. 

Sie roch ein wenig komisch und der Eiter lief heraus. Haselfell versuchte sich ihr damaliges Heilerwissen in den Kopf zurückzurufen, jedoch gelang ihr das nicht. 

"Ich werde bald wiederkommen, okay? Und dann bringe ich Sodom hoffentlich was sie braucht", versprach Haselfell. 

"Ja. Wir geben ihr zur Zeit Spinnenweben auf die Wunde, Ringelblume und ihr selbst Mohnsamen...jedoch scheint das nicht so gut zu wirken"

***

Der Weg zurück zum Lager verlief Reibungslos. Vorsichtig stolperte Haselfell über die Krieger ihres Clans, legte sich still in ihr Nest und schlief müde ein. Die Nacht war für sie viel zu kurz gewesen...

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(Überarbeitet) 

Geheimes FlüsternWo Geschichten leben. Entdecke jetzt