Kapitel 45 - ,,Du bist nicht mehr allein."

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Wie die Krankenschwester prophezeit hatte, war Yamato ein psyschisches Wrack. Er wollte es sich zwar nicht anmerken lassen und wenn man nicht genau hinsah, merkte man es nicht sofort, aber es waren die kleinen Dinge, die seinen Zustand verrieten.

Aufgrund seiner Verletzungen musste er noch einige Zeit im Krankenhaus zur Beobachtung bleiben. Gebrochene Rippen, Dehydrierung und eine Gehirnerschütterung waren nur ein paar der von den Ärzten aufgelisteten Verletzungen.
Dies waren aber alles Dinge, die heilen würden. Seine Seele aber war gebrochen worden.

Wenn ich ihn besuchen kam, achtete ich besonders darauf, ihn nicht wieder in die Zeit der Gefangenschaft zurückzuversetzen. Da ich aber nicht genau wusste, wo seine Grenzen lagen und was schon ein Auslöser für ihn sein könnte, hielten wir meistens nur Smalltalk über Belanglosigkeiten oder schwiegen die meiste Zeit.

Alles, was Yamato in seiner Gefangenschaft durchmachen musste, stand zwischen uns und vergrößerte die Distanz zueinander täglich ein Stückchen mehr. Es war, als ob er wie ausgewechselt war und der Mann in den ich mich verliebt hatte, war nur noch eine schöne Erinnerung.

Nach zwei Wochen im Krankenhaus, in denen ich ihn täglich besucht hatte, wurde er entlassen.
Ich wollte ihn abholen und stand wartend im Türrahmen, während er seine wenigen Habseligkeiten zusammenpackte.

Ich lächelte ihn beruhigend an, doch er mied meinen Blick und konzentrierte sich fast schon zwanghaft auf seine Tasche.

,,Du musst nicht hier stehen und auf mich warten. Du kannst ruhig schon vorgehen und am Haupteingang warten. Ich komme gleich nach." Seine Stimme riss mich aus meiner Trance und ich sah ihn überrascht an.

,,Ist schon gut. Ich hab kein Problem damit, hierzubleiben. Wenn du willst, kann ich dir helfen", bot ich an, wie ich es auch bei meiner Ankunft im Krankenhaus getan hatte.

,,Nein wirklich, Hoshi. Ich komme allein klar und brauche nur etwas Zeit", erwiderte Yamato fester Stimme und sah mich heute zum ersten Mal an. Seine dunklen Augen spiegelten eine nie zuvor dagewesene Leere wider und unter ihnen hatten sich dunkle Augenringe gebildet.
Er hatte in den letzten Wochen nicht viel geschlafen und sich gegen Schlafmittel vehement gewehrt.

Ich schluckte hart und in meinem Hals hatte sich ein Kloß gebildet. ,,Ok, ich warte dann draußen", murmelte ich und versuchte, mir meine Bestürzung über seine Ablehnung nicht anmerken zu lassen.

Er schwieg, als ich das Zimmer verließ und den Gang entlang lief. Dabei kam ich an mehreren Ärzten und Schwestern vorbei, die mir aber nur wenig Beachtung schenkten. Dafür war ich zutiefst dankbar.
In den letzten Wochen war ich nicht von mitleidigen Blicken verschont geblieben. Jedes Mal, wenn ich Yamato besuchte und dabei auf Krankenschwestern traf, spürte ich jene Blicke, die ich so sehr verabscheute. Ich mochte es nicht, bemitleidet zu werden. Yamato konnte es zwar auch nicht leiden, aber er verdiente sie, denn schließlich war er in der Hölle auf Erden gewesen.

Doch ein bekanntes Gesicht hinderte mich auf dem Weg nach draußen. Es war Tsunade, die mir eine Hand auf die Schulter legte und mich an die Seite des Ganges führte.

,,Hallo, Hoshi. Wie geht es dir?", fragte sie bemüht beiläufig und doch sanft.

,,Es wird besser", murmelte ich und versuchte, mich selbst davon zu überzeugen.

,,Yamato ist immer noch abweisend?", erkundigte sie sich weiter.

Da war er nun, der mitleidige Blick. Am liebsten hätte ich sie angeschrien, dass sie damit aufhören solle, doch ich brachte kein Wort zustande. Der Kloß in meinem Hals war so groß wie noch nie zuvor.

Herz der Natur [Yamato x OC]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt