Kapitel 8

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Ich starrte gedankenverloren in die Luft. Der leichte Sommerwind war angenehm auf meiner Haut und wenn ich mich gerade nicht auf dem Schulhof dieser versnobten Schule befinden würde, könnte ich diesen Moment vielleicht sogar genießen. Wie sie alle hier herumstolzierten, ihre Nasen hoch in der Luft, als würde die Welt ihnen zu Füßen liegen.

Ich meine, in gewisser Weise tat sie das wohl auch. Und dabei haben die meisten dieser Menschen in ihrem Leben nicht mehr geleistet, als mit dem richtigen Namen geboren worden zu sein. Ich schloss mich da natürlich nicht aus. Ich war genauso privilegiert wie jeder einzelne, der an mir vorbeiging, auch wenn mir das zu diesem Zeitpunkt noch gar nicht wirklich bewusst war.

"Worüber denkst du nach?", unterbrach Eli meine Träumerei.

"Ach nichts", wimmelte ich ihn ab, in der Hoffnung, er würde keine weiteren Fragen stellen.

"Es ist nur-"-"Mathe?", unterbrach er mich.

"Ja genau." Ich nickte. "Mathe."

„Du, sag mal-", begann er, „warum hast du mich gestern nach diesem Bates gefragt?" Ich fuhr wie von der Tarantel gestochen hoch.

„Hm?"

Eli schaute mich noch immer eine Antwort erwartend an. Ich setzte mich auf und räusperte mich. Schließlich zwang ich mich einen Satz herauszupressen.

„Was meinst du?", tat ich unwissend. Die Nummer würde er mir niemals abkaufen, dafür kannte er mich zu gut.

Er kniff verwundert die Augenbrauen zusammen. „Gestern. Du hast mich nach diesem Bates-Jungen gefragt. Wieso?" Ich lachte etwas erzwungen und biss mir auf die Unterlippe. Noch auffälliger geht es jawohl kaum. Schließlich zuckte ich mit den Schultern.

„Ich weiß nicht. Ich fand, er hat gut gespielt", murmelte ich verlegen und schaute auf meine Füße. „Okay... ich tue jetzt einfach mal so, als wenn ich nicht wüsste, dass du absolut keine Ahnung von Football hast und diese Aussage dementsprechend kompletter Blödsinn ist. Aber was auch immer in deinem Kopf gerade vor sich geht- der Typ ist komisch. Also vergiss das am besten schnell wieder."

„Ich hab überhaupt nicht-, ich meine- also- warum ist er komisch?" Sofort bereute ich die Frage und biss mir auf die Zunge. Wieso konnte ich meine verdammte Neugier nicht ein einziges Mal im Zaum halten?

Meine Hoffnung, er hätte meine Frage überhört, hatte ich schnell aufgegeben, als Elis Augenbrauen in die Höhe schnellten. Mein Blick schweifte unter seinem Prüfenden zu Boden.

„Ich kenne ihn kaum, aber beim Training ist er immer so merkwürdig still. Und wenn immer er dann doch mal den Mund aufmacht, kommt nur irgendeine verachtende Wertung aus seinem Mund. Keine Ahnung, was bei diesem Typen nicht stimmt, aber er tut so, als wäre er etwas besseres. Dabei läuft er jeden Tag mit dieser Lederjacke rum, die aussieht, als hätte sein Großvater sie schon getragen."

„Und wenn es so wäre?"

Eli sah mich an, als würde vor ihm ein Alien sitzen.

„Ich meine nur, ich finde, man sollte nicht vorschnell urteilen. Vielleicht ist er ja ganz nett", hängte ich schnell hinten dran.

„Ähm, hallo? Erde an Camila? Ist alles gut bei dir? Du verhältst dich merkwürdig", bemerkte Eli spitz. Begann ich jetzt auch schon, diesen Kerl Eli gegenüber in Schutz zu nehmen? Eli kannte ich seit vielen Jahren, Jonathan hingegen- wie lange? Zwei Woche? Drei? Zudem war bis auf seinen Namen, so ziemlich alles, was er mir aufgetischt hatte, nichts als eine Lüge gewesen.

„Ich weiß auch nicht, was in mich gefahren ist, ich schätze, der Schlafmangel hat sein Übriges getan. Hinzu kommt Mathe. Ich habe meiner Mutter noch immer nichts von der Versetzungsgefährdung erzählt."

DEAR JONATHANWo Geschichten leben. Entdecke jetzt