Kapitel 14

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Am nächsten Morgen wurde ich durch laute Stimmen aus dem Schlaf gerissen. Ich räkelte mich und schwang meine Beine aus dem Bett. Nachdem ich meinen Morgenmantel übergezogen hatte, hastete ich die Treppe hinunter und betrat das Wohnzimmer, um zu sehen, was vor sich ging. Der Anblick, der sich mir bot, verschlug mir den Atem.

Mein Vater stand im Wohnzimmer, seine Stimme vermischte sich in einem lebhaften Gespräch mit der meiner Mutter. "Papá?", flüsterte ich überrascht. Ein Lächeln breitete sich auf seinem Gesicht aus, als er mich erblickte. Sein unangekündigter Besuch bewirkte in mir eine Mischung aus Freude und Verwirrung. 

"Camila, mi amor", sagte er und öffnete seine Arme für eine Umarmung. Ich zögerte einen Moment, eilte jedoch schließlich auf ihn zu und ließ mich in seine liebevolle Umarmung sinken. In seinen Armen fühlte ich mich sicher, fast wie ein kleines Mädchen, das Schutz suchte. "Was tust du hier?" fragte ich, als ich mich von der Umarmung löste, meine Gedanken ein einziger Wirbelwind. Er lächelte, seine dunkelbraunen Augen voller Liebe. "Ich wollte natürlich meine kleine Prinzessin überraschen."

Ein Lächeln huschte über meine Lippen, während ich versuchte, die aufflammende Enttäuschung über seine sonst übliche Abwesenheit herunterzuspielen. "Ich habe ein paar Tage frei und dachte mir, ich schaue mal wieder vorbei. Es tut mir leid, dass ich unangekündigt vorbeigekommen bin und ich hoffe, dass das eure Pläne nicht zu sehr durcheinanderbringt, Eleanor", sagte er nun in Richtung meiner Mutter.

Diese, ungewohnt begeistert, entgegnete: "Nicht doch, José. Ich- wir freuen uns selbstverständlich, dass du vorbeikommst." Ich versuchte mein Erstaunen darüber, dass ich auf ihren Lippen tatsächlich etwas erblickte, das aussah wie ein echtes Lächeln, zu verbergen.

"Ich mach uns Frühstück! Ich habe Auguste frei gegeben", rief meine Mutter enthusiastisch und verschwand sogleich in die Küche. Mein Vater lenkte sofort seine Aufmerksamkeit auf mich. "Also mija, dime! Wie geht es dir? Ich habe mir Sorgen gemacht nach unserem Telefonat neulich." Er legte mir eine Hand auf die Schulter und sah mich an, als könnte er so meine Gedanken lesen. "Es geht mir gut, Papá. Ich bin nur etwas überrascht von deinem Besuch." Er nickte verständnisvoll. 

Es war schön, meinen Vater wiederzusehen, und ich freute mich darauf, Zeit mit ihm zu verbringen. Trotzdem konnte ich nicht leugnen, dass er in der Vergangenheit leider zu oft den Eindruck gemacht hatte, als sei ich ihm egal. 

"Wie lange bleibst du?" fragte ich neugierig. Er zuckte mit den Schultern. "Ein paar Tage, vielleicht auch länger. Ich hoffe, du hast nicht allzu viele Pläne für die nächsten Tage", flötete er, seine Worte begleitet von einem Zwinkern.

Ich schüttelte lächelnd den Kopf. "Also gut, Camila. Lass uns schauen, ob deine Mutter Hilfe braucht." Ich folgte meinem Vater stumm in die Küche, nur um zu sehen, wie meine Mutter fröhlich vor sich her summte. Sie so zu sehen, war eine ungewöhnliche, aber willkommene Abwechslung zu ihrem sonst so distanzierten Charakter. 

Ein angenehmer Duft von frisch gebrühtem Kaffee erfüllte den Raum. Wir setzten uns alle um den Esstisch, und meine Mutter begann, das Essen zu servieren. Es war seltsam, aber gleichzeitig erheiternd, zusammen mit meinen Eltern an einem Tisch zu sitzen. Fast fühlte es sich an, als hätten wir die Zeit zurückgedreht und würden die glücklichen Momente unserer Vergangenheit wieder aufleben lassen.

Mein Vater strahlte über beide Ohren, während er uns mit Geschichten aus seinem Leben in Kuba unterhielt. Meine Mutter lauschte seinen Erzählungen gebannt und auch ich konnte mich dem Zauber dieses Moments nicht entziehen. Trotz der Verwirrung über die plötzliche Veränderung in der Dynamik meiner Familie fühlte ich mich dankbar und für den Moment fühlte es sich an, als wäre alles wieder wie früher. 

DEAR JONATHANWo Geschichten leben. Entdecke jetzt