Kapitel 3

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„Ist alles okay? Geht es dir gut?" Ich saß reglos auf meinem Stuhl, während das pulsierende Gedankenkarussell in meinem Kopf raste. Es ging mir alles andere als gut. Jemand schien mich förmlich an diesen Stuhl gefesselt zu haben, und ich sehnte mich danach, von diesen unsichtbaren Fesseln befreit zu werden. Nach ein paar quälend langen Sekunden erhob ich mich mit einer kurzen Entschuldigung von meinem Platz und stand auf. Meine Umgebung verschwamm und bald waren die Besucher des Restaurants zu einer großen bunten Masse geworden. Mit klopfendem Herzen hangelte ich mich von Stuhl zu Stuhl bis ich schließlich den Ausgang des Restaurants erreichte und mich mit einem müden Seufzen an einem Zaunpfahl festhielt.

Zumindest hatte mein Kopf das so geplant, aber meine Hände griffen ins Leere. Ich bereitete mich schon darauf vor, den Sturz mit meinen Händen abzufangen, als ich plötzlich spürte, wie meine Handgelenke von einer anderen Hand umklammert wurden – und es war nicht meine eigene. Einige Zeit später wurde mir im wahrsten Sinne des Wortes klar, dass diese Hand zu dem Jungen aus dem Restaurant gehörte. „Alles wieder gut?" Seine raue Stimme hatte etwas, das mich ansprach und irgendwie war sie genauso, wie ich sie mir vorgestellt hatte. Sie passte zu ihm.

"Ich hatte alles unter Kontrolle, danke", erwiderte ich knapp, während ich ihn ansah. Zuerst auf seine Hand, die immer noch meine umklammerte, dann in seine Augen. Seine Augenbrauen zogen sich überrascht und verwirrt zusammen, als ob er sich wunderte, wie ich reagieren würde.

"Mein Arm", erklärte ich schließlich und deutete auf die Hand, die mich festhielt.

"Ah, richtig", murmelte er, ein leicht nervöses Lächeln auf den Lippen, bevor er meinen Arm losließ. "Widerlich da drinnen, nicht wahr?" Sprach er von dem Essen? „Keine Ahnung, ich war hier noch nie essen", gab ich mit einem Schulterzucken zu. Dass er mit seiner Aussage vermutlich nicht auf das Essen anspielte, merkte ich, als seinerseits ein Lachen ertönte. „Oh nein, ich rede vom Essen. Das ist bestimmt nicht schlecht."

Er kratzte sich am Hinterkopf, als ich nicht antwortete. „Die Schuhe sehen scheiße unbequem aus, willst du die nicht mal ausziehen?" Ich sah geschockt zu ihm auf. Zugegeben, er war nicht so viel größer als ich, doch es reichte, dass ich aufsehen musste. „Das kann ich doch nicht machen, was würden die Leute denn da denken?" Skepsis machte sich auf seinem Gesicht breit. „Komm mal mit."-„W-was?", erwiderte ich verwirrt. Seine plötzliche Entschlossenheit ließ mich erstarren. Mit einem großen Fragezeichen im Gesicht tat ich jedoch schließlich, was er sagte.

"Wow. Wäre ich ein Killer, wär ich spätestens jetzt gelangweilt. Du machst es mir echt viel zu einfach." Ich erwiderte nichts, denn er hatte recht. Was zum Teufel fiel mir ein, spätabends einem Jungen, dessen Namen ich nicht einmal kannte, zu seinem Auto zu folgen? Und als ob die Antwort auf meine nächsten Worte etwas ändern würde, fragte ich: „Wie heißt du?"

Er war gerade dabei seine Schlüssel aus der Tasche zu kramen, als er sich überrascht zu mir umdrehte. „Oh?", entwich es ihm und ich war mir ziemlich sicher, dass das Geräusch in diesem Moment unabsichtlich seinen Weg nach draußen fand. Er räusperte sich. „Jonathan." Ich lächelte leicht. „Ich bin-", in diesem Moment wurde ich durch eine schrille Stimme unterbrochen. „Camila Amanda Flores!", schallte es von dem Eingang des Restaurants. „Tja ich schätze, jetzt kennst du gleich meinen kompletten Namen", versuchte ich mit einem nervösen Lachen die Stimmung zu lockern. Meine Mutter kam mit grimmigen Schritten auf mich zu. Hätte sie sich selbst in diesem Moment gesehen, würde sie aufhören, mich in meiner Gangart ständig etwas Besseren belehren zu wollen. Etwas hilflos sah ich mich um.

Von meiner Mutter würde ich jetzt ein ordentliches Donnerwetter erleben, das war klar.

Ich blickte zu Jonathan als könnte er mir eine Lösung für mein Problem liefern und als hätte irgendjemand es gut mit mir gemeint, hielt er in dem Moment die Beifahrertür seines alten Mustangs auf und bedeutete mir, einzusteigen. „Jetzt oder nie." Ich sah zu meiner Mutter, welche weiterhin in meine Richtung stapfte und wieder zu Jonathan der mir mit seinem Blick deutlich signalisierte, dass ich doch gefälligst schnellstens einsteigen sollte.

DEAR JONATHANWo Geschichten leben. Entdecke jetzt