Kapitel 6

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Zu Hause beschloss ich, mir noch etwas anderes anzuziehen. Unsere Schulfarben waren grün und weiß, weshalb ich mich dafür entschied, einen grünen Pulli anzuziehen. Obwohl er rein gar nichts mit Football zu tun hatte, schien mir das die beste Wahl zu sein. Anstelle meiner üblichen Boots entschied ich mich heute für ein Paar weiße Sneaker, um meiner Mutter zumindest ein wenig entgegenzukommen.

Fertig angezogen verließ ich mein Zimmer und ging durch den Flur in Richtung Tür. Bevor ich jedoch die Möglichkeit hatte, diese zu öffnen wurde sie von außen aufgeschlossen und meine Mutter trat ein, eine Papiertüte unter einem Arm und ihre Handtasche unter dem anderen. Ihr funkelnder Verlobungsring blitzte im Licht.

Sie legte ihre Schlüssel auf die glänzende Marmorplatte unserer weißen Kommode. „Oh hey. Ich hatte echt vergessen, wie schwierig es ist so einen Haushalt zu schmeißen. Es wird Zeit, dass Auguste aus dem Urlaub wiederkommt." Seufzend stellte meine Mutter die Tüte auf dem Boden ab und schaute sofort danach in den großen Spiegel um ihre Haare zu richten.

„Ich habe Eli draußen getroffen. Er ist wirklich zu einem stattlichen jungen Mann herangewachsen", bemerkte meine Mutter mit einem leichten Lächeln, wobei ich ihren suggestiven Unterton nicht überhörte.

„Er ist meinetwegen hier. Wir fahren heute zum Footballspiel", entgegnete ich. „Oh, das ist toll, wirklich, Camila", meine Mutter nickte sich selbst im Spiegel zu, wobei das Nicken wohl eher mir galt. Natürlich war sie begeistert von der Idee, nichts anderes hatte ich erwartet.

Dass Eli der Sohn ihres Geschäftspartners war, stimmte sie noch positiver gegenüber der Idee. „Wo wir schon mal dabei sind, wir sollten mal wieder mit seiner Familie essen gehen." Mir war klar, dass es hierbei lediglich um geschäftliche Beziehungen ging.

„Warte kurz hier, okay?"

Ich nickte nur, denn mir blieb sowieso keine andere Möglichkeit, es sei denn, ich hatte Interesse daran auf der Stelle zu Hackfleisch verarbeitet zu werden.

Einige Minuten später kam meine Mutter wieder, einen grünen Kapuzenpullover in ihrer Hand. Still drückte sie mir den Pullover in die Hand. „Hier. Das war damals meiner. Ich hab ihn immer bei dem Spielen getragen." Ich faltete ihn auseinander und mir entfuhr ein überraschtes Geräusch, als ich den Namen auf der Rückseite las.

Flores.

Der Name meines Vaters. „José hatte immer die Rückennummer 3", erwähnte meine Mutter mit einem verträumten Lächeln. Ihr Lächeln war echt. Ich wusste nicht, was in diesem Moment in mich gefahren war, aber ich legte meine Arme um sie. Etwas unbeholfen erwiderte sie meine Umarmung und für einen Moment fühlte es sich so an, als wäre alles in Ordnung.

„Danke Mamá."

Ich spürte, wie sie schluckte. Wir lösten uns voneinander und ihre Lippen umspielte ein leichtes Lächeln.

Schnell hatte sie sich wieder aufgerafft und ihren üblichen Gesichtsausdruck aufgesetzt. „Ich dachte, der würde vielleicht besser passen." Sie nickte mir kurz zu, als wäre ich nicht mehr als ein Bekannter und klopfte mir dann auf die Schulter. „Na komm, du willst ja Eli nicht noch länger warten lassen."

Schnell zog ich mir den Pullover an und trat vor die Haustür nur um Eli bereits in seinem Auto auf mich warten zu sehen. Er trug einen dunkelgrünen Hoodie, welchen jeder der Footballspieler besaß und trug eine Sonnenbrille. Als er mich erblickte, oder zumindest vermutete ich das, denn seine Sonnenbrille ließ lediglich Vermutungen zu, setzte er ein Lächeln auf.

Er beugte sich über die Mittelkonsole um die Beifahrertür seines Cabrios zu öffnen. Ich stieg ein und schloss die Tür hinter mir. „Hey, cooler Pulli", stellte Eli fest, „hat der wenigstens meine Nummer?" Er drehte mich an der Schulter so, dass ich mit dem Rücken zu ihm saß, um die hinten aufgedruckte Nummer zu inspizieren.

Ich schaute wieder zu ihm. Er ließ von mir ab und verzog das Gesicht. „Falsche Nummer", murmelte er kopfschüttelnd, setzte jedoch kurz davor ein Grinsen auf. „Enttäuschend."

„Also, hier trennen sich unsere Wege", bemerkte Eli, „ich nehme an, einen Platz auf der Tribüne findest du selbst?" Er zwinkerte. „Ich glaube, das krieg ich gerade noch so hin", entgegnete ich. „Viel Glück beim Spiel", wünschte ich ihm, woraufhin er nur den Kopf schüttelte. „So etwas wie Glück brauche ich nicht."

Er setzte ein breites Grinsen auf und nickte mir noch einmal zu bevor er in Richtung der Umkleiden verschwand.

Als ich mir auf der Tribüne recht weit unten einen Platz suchte, waren bereits viele Leute von meiner Schule da. Viele ihrer Gesichter kannte ich, doch das war auch das einzige, was ich von ihnen kannte. Auch einige der Footballspieler kamen mir bekannt vor, doch einer von ihnen sprang mir besonders ins Auge. Das Spiel ging schneller vorüber, als gedacht. Obwohl ich nicht viel von Football verstand, war es an keiner Stelle langweilig, sodass ich sogar kurz mit dem Gedanken spielte, öfter zuzuschauen. Letzten Endes gewann unsere Schule jedoch mit einigen Punkten Vorsprung.

Wie verabredet stand ich nach dem Spiel vor Elis Auto. Er kam eine gute halbe Stunde nach mir mit nassen Haaren aus Richtung Umkleide. Eli wechselte noch kurz ein paar Worte mit seinen Teamkollegen bevor er schließlich auf mich zukam. „Und, wie fandest du es?", fragte er, immer noch voller Adrenalin. „Es war echt spannend. Du hast super gespielt", lobte ich ihn. „Danke Camila." Ich überlegte einen kleinen Moment. „Du sag mal Eli, wer ist der Spieler mit der Nummer neun?", fragte ich schließlich. Er runzelte die Stirn. „Die neun? Lass mich kurz überlegen.. Bates. Jonathan Bates."

Mit einem dumpfen Geräusch landeten meine Schuhe in der Ecke meines Zimmers. Ich schnaufte verächtlich. „Studieren also? Zweites Jahr? Was für ein Bullshit", schimpfte ich leise vor mich hin. Ich konnte nicht glauben, dass Jonathan mich angelogen hatte, und das auch noch wegen einer solchen Lappalie. Ich meine, klar, wir waren keine Freunde, aber trotzdem fühlte ich mich ihm gegenüber bereits äußerst vertraut.

Was wäre überhaupt so schlimm daran gewesen, mir zu erzählen, dass er zur Schule ging? Dachte er, dass ich es nicht herausfinden würde? Wie naiv von mir, nicht zu realisieren, dass er dieselbe Schule besuchte wie ich? In dem Moment verspürte ich eine unglaubliche Enttäuschung, welche eigentlich unbegründet war. Denn er schuldete mir nichts, nada, niente.

Ich fuhr mir durch die Haare. Was auch immer ich mir von Jonathan erhofft hatte, schien nichts weiter als eine Illusion zu sein. Ich bekam lediglich das zu Gesicht, was er mich sehen lassen wollte.I know, it's been a while 😶 Ich hoffe, dass hier nicht so viele Fehler drin sind, hab das so zack zack geschrieben, weil ich gerade im Flow war 🤓

DEAR JONATHANWo Geschichten leben. Entdecke jetzt