6. Kapitel

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Aus Fines Perspektive

Es ist schön Anna hier zu haben. Ich habe zwar nun auch erste Kontakte mit den Freunden von Jan geknüpft und fühle mich da auch ziemlich wohl. Trotzdem ist es so noch um einiges schöner. Wir scheinen eine Wellenlänge zu haben und das ist toll. 

Gemeinsam gehen wir die Treppen herunter. Anna deutlich langsamer als ich.

"Willst du da sicher niemand draufschauen lassen?", ich schaue sie fragend an. 

"Nein. Wirklich nicht. Mach dir keinen Kopf. Bandage drauf und Salbenverband über Nacht und dann ist das bald wieder gut." Anna lächelt mich an. "Ich habe das mehrmals im Jahr."

"Und da kann man nix dagegen machen?"

"Doch, operieren und Physio. Aber die hat bei mir nichts gebracht. Aber auf längere Frist muss ich da schon mal ran. Aber bisher lässt es sich das noch ganz gut vermeiden mit den Methoden und Mittelchen."

"Und was sagt Timo dazu?"

"Der kennt mich ja schon ein bisschen...", Anna grinst mich wissend an. Ich lächle zurück. Hier außerhalb des Retreats scheint sie noch etwas gelöster zu sein. 

"So, hier ist die Apotheke. Gerade noch rechtzeitig!" 

"Ich springe kurz rein", antwortet Anna. 

"Das will ich sehen!", sage ich trocken. "Ich komme kurz mit. Hier herumstehen ist mir echt zu langweilig." Anna grinst nur und gemeinsam betreten wir die Apotheke. Anna geht nach vorne und schildert, was sie gerne haben möchte. Blöderweise hat sie die etwas strengere der beiden Pharmazeutinnen erwischt. 

"Ich kann Ihnen da nicht einfach so eine Bandage ohne Rezept geben."

"Ich brauche auch kein High-End Teil, sondern nur etwas was meinen Knöchel etwas stützt und schützt.", erklärt Anna noch geduldig. 

"Wir verkaufen hier nicht irgendwelche Billigprodukte.", erbost sich die Angestellte. "Sind Sie denn aus dem Retreat?"mit hochgezogenen Augenbrauen wird Anna gemustert.

"Ja, das bin ich.", sagt Anna nun etwas angespannt. Die Pharmazeutin greift nach dem Telefonhörer und wählt. 

"Ja, verbinden Sie mich bittschön mit dem Dr. Kurz! Es geht um eine Bestellung!" Ich muss mir etwas das Lachen verkneifen wegen der ernsten Miene. Kurz darauf höre ich Jans Stimme durch den Hörer. Er scheint ein kleines bisschen angenervt. Die Pharmazeutin reckt Anna daraufhin das Telefon entgegen. Anna nimmt mit sichtlichem Widerstand den Hörer in die Hand. 

"Ja?"  

"Nein!" Sie verdreht mir gegenüber die Augen, während ich nur entschuldigend die Schultern hebe. 

"Dann machen wir es eben so!" Nun ist es an Anna angepisst auszusehen. Sie reckt der guten Dame den Hörer wieder in die Hand. Diese plaudert nun sichtlich zufrieden mit Jan noch einige Sätze bevor sie auflegt. Anna hat die Fäuste währenddessen geballt. Mit sichtlicher Willenskraft lässt sie diese wieder los, als die Pharmazeutin sich ihr zuwendet. 

"Also, dann vermessen wir Sie mal kurz!" Sie scheint nun betont freundlich. Anna wird in das Hinterzimmer gebeten. Was sie mit weiteren Augenrollen schließlich auch tut. Erneut verkneife ich mir ein Lächeln. Dieses Augenrollen sollte sie bei Jan besser nicht bringen.

Aus Annas Perspektive

Mein nicht sonderlich dicker Geduldsfaden ist sichtlich angespannt hinsichtlich meines späteren Termins mit Jan. Die Dame der Apotheke nestelt währenddessen nicht sonderlich vorsichtig an meinem Fuß herum und dreht und wendet diesen schmerzhaft. 

"Eine XS müsste passen!" verkündet sie schließlich und holt schwer atmend ein Päckchen aus einem der Regale. Sanfter, als erwartet stülpt sie mir diese Bandage über. Sie schmiegt sich angenehm an den Fuß an, wenn auch der Fleischton ziemlich gewöhnungsbedürftig ist. 

"So probieren Sie mal ein paar Schritte!" Ich gehe vorsichtig etwas vorwärts. 

"Viel besser!", lobe ich die Angestellte, die sich sichtlich freut. Ich lächle zurück "Die lasse ich gleich an."

"Ja und den Herr Doktor auf jeden Fall heute noch draufschaun lassen!", sie schaut mich über ihrer dicken Lesebrille an. Ich nicke betont freundlich. 

"Gut, das finanzielle machen wir dann direkt mit der Klinik aus!" Mit diesen Worten werden ich und Fine schließlich entlassen. Aufatmend gehen wir etwas weiter. 

"Aperol Sprizz?", Fine lächelt mich an. 

"Oh ja. Den kann ich jetzt brauchen!" Ich lächle zurück. Aufatmend lassen wir uns in die kleinen, aber gemütlichen Stühle des nahe gelegenen Biergarten sinken. Fine sorgt dafür, dass ich meinen Knöchel hochlegen kann und ordert sogar einen Eispack für mich. So lieb! 

Bald darauf wird unser Getränk geliefert und wir beginnen einfach und unverbindlich kreuz und quer zu quatschen. Ich verschwende nun kaum noch einen Gedanken an Zuhause und das tut verdammt gut. Sogar mein Handy habe ich in meinem Zimmer gelassen. 

Spaziergang zur inneren Mitte oder Annas GeschichteWo Geschichten leben. Entdecke jetzt