Kapitel 22

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Aus Fines Perspektive

Ich wache deutlich später als sonst auf. Jan ist, wie meistens, bereits im Retreat. Dadurch, dass meine Arbeitszeiten sehr flexibel sind, nutze ich oft die Morgenstunden, um es etwas langsamer angehen zu lassen. Ich lasse im Kopf den gestrigen Tag nochmal kurz Revue passieren, bevor ich meine Beine aus dem Bett schwinge, unter die Dusche springe und mich anziehe. Ich habe mit Maxi ausgemacht, dass wir gegen 12 Uhr, wenn Jan wieder seine Patienten übernehmen wird, eine Runde spazieren gehen werden. Ich lasse mir einen Kaffee aus der Maschine, fülle ihn in einen Becher zum Mitnehmen und mache mich dann auf den Weg ins Retreat. Dann kann ich noch ein paar Dinge wegarbeiten. Kurz darauf parke ich auf dem Mitarbeiterparkplatz. Ich bleibe noch einen Moment sitzen und genieße die Kulisse. Wenn ich daran zurück denke, wie ich das erste Mal hierher gekommen bin. Ich muss grinsen. Da hat sich schon einiges geändert seitdem. Schließlich steige ich aus und betrete kurz danach mein Büro. Mein Laptop ist schnell hochgefahren und ich versenke mich in der Arbeit. 

Aus Annas Perspektive

Ich spüre, wie ich auf einem etwas härteren Polster liege und langsam wieder zu mir komme. Ich fühle mich gut und ausgeruht. Langsam richte ich mich auf. Mein Herz schlägt ruhig. Bis auf das beheflsmäßige Bett, welches Jan gebaut hat, ist nichts zu sehen. Ich dehne meinen Kopf hin- und her. In mir drin kribbelt es. Ich verspüre große Lust mich zu bewegen. Wie aus Affekt räume ich die Matten weg und beginne mich langsam zu einer inneren Melodie zu bewegen. Zuerst sind die Bewegungen eher hölzern. Mein Körper findet nur schwer in die routinierten Bewegungen zurück. Doch bald, nach den anfänglichen eher vorsichtigen Bewegungen gelingen die ersten Schrittkombinationen und Sprünge. Es tut so gut, sich so zu bewegen. Ich nehme Anlauf und wage eine Kombination quer durch den geräumigen Dachboden. Schwer atmend, aber voller Glück komme ich auf der anderen Seite an. Mein Herz, mein Kopf und mein Körper tanzt. Ich fühle mich so leicht und beschwingt wie schon sehr, sehr lange nicht mehr. Schwer atmend, aber glücklich plane ich in meinem Kopf die nächsten Sprünge. Ich lache laut und befreit und nehme wir fest vor nach meiner Rückkehr nach Hause wieder eine Sportart zu suchen, die mich glücklich  macht und körperlich fordert. Mein Mund fühlt sich ausgetrocknet an. Mit etwas wackligen Beinen, einem schmerzenden Knöchel und durchgeschwitztem T-shirt mache ich mich schließlich auf den Weg nach unten. Dort laufe ich direkt Maxi in die Arme. Er lächelt mich vorsichtig an. Ich werfe mich in seine Arme. 

"Schön, dass es dir gut geht!", flüstert er leise in meine Haare. Ich löse mich, lächle ihn an und suche seinen Blick. 

"Ja, es geht mir gut. Es liegt noch Arbeit vor mir, aber es geht mir gut." Maxi nimmt mich erneut in seine Arme und schwingt mich herum, als würde ich 10 statt 65 kg wiegen. 

"Du weißt gar nicht, wie sehr mich das freut!"

Spaziergang zur inneren Mitte oder Annas GeschichteWo Geschichten leben. Entdecke jetzt