Aus Timos Perspektive
Ich fahre, ohne die Kinder, zu Anna um sie aus dem Retreat abzuholen. Ich bin sehr gespannt, wie es ihr geht, ob sie sich wirklich etwas erholen konnte und vielleicht sogar ihre andere Baustellen angehen? Schließlich fahre ich in die große Einfahrt und stelle unsere Familienkutsche ab. Es ist ein schöner, sonniger Tag. In den kleinen Sitzgelegenheiten sitzen Menschen verschiedenen Alters. Ich schaue mich suchend an. Da kommt meine Frau hüpfend und lachend auf mich zugerannt. Ich traue meinen Augen kaum. Anna wirkt so gelöst und ungehemmt, wie schon Ewigkeiten nicht mehr. Ich schließe sie in die Arme und genieße ihre Wärme und ihren Duft.
"Was haben sie denn mit dir gemacht?", lächelnd schaue ich sie an. Sie legt den Kopf keck beiseite.
"Hm. Verzaubert?", sie grinst mich an.
"Das scheint mir wirklich so. Du siehst gut aus Anna, richtig gut und erholt!" Etwas Anspannung fällt nun auch von mir ab. Es tut so gut, Anna so gelöst zu sehen.
"Jan erwartet uns. Gehen wir?"
Ich lege meinen Arm um sie. "Sag mal hinkst du?"
"Ja, meine Bänder mal wieder. Aber ist nicht schlimm. Ralf hat schon draufgeguckt."
"Hm. Schmerzen?"
"Nein. Fast nicht. Zieht halt manchmal!" Sie hält meinen Blick statt und küsst mich. "Aber lass das mal meine Sorge sein." Sie lächelt mich an und ich bin erneut erstaunt.
"Komm, ich zeige dir wo wir hinmüssen." Ich lege meinen Arm um sie und gemeinsam betreten wir das Retreat. Wir fahren mit dem Fahrstuhl nach oben und sind kurz darauf vor Jans Praxisräumen angekommen. Auf dieser Etage war ich bisher noch nicht und ich bin gespannt Jans Wirkungsbereich zu sehen. Anna klopft und kurz darauf ist von Jan ein "HErein!" zu hören. Hand in Hand betreten wir die Praxis. Ich spüre, dass Anna ihre Hand rhythmisch leicht öffnet und schließt. Was das wohl zu bedeuten hat? Gemeinsam lassen wir uns auf die kleine Rattanbank sinken und Jan setzt sich uns gegenüber. Wir verharren einen Moment schweigend. Anna sitzt sehr aufrecht neben mir. Ihre Beine sind fest auf den Boden gestellt. Schließlich ergreift Jan das Wort.
"Timo, schön dass du hier bist. Anna hat in den letzten Tagen intensiv an sich gearbeitet und wir sind jetzt hier, damit du weißt, wie du sie unterstützen kannst." Er lächelt Anna zu. Anna lächelt zurück und lehnt sich für einen Moment gegen mich.
"Anna möchtest du?" er schaut Anna ernst an. Ich spüre, wie es in Anna rattert. Die "alte" Anna hätte den Kopf geschüttelt. Ich sehe, dass ihre Fäuste nun geballt sind. Sie dreht sich zu mir und atmet tief durch.
"Also, ich bin dazu fähig meine eigenen Entscheidungen zu treffen. Ich kann auf mich und meinen Körper acht geben. Ich brauche deinen Rückhalt, aber nicht deine Entscheidung." Dabei schaut sie mir die ganze Zeit in die Augen. Ich lächle sie an und nicke.
"Ich sehe, wie sehr du gewachsen bist und werde es versuche. Lass mir auch ein bisschen Zeit, um mich an die "neue" Anna zu gewöhnen. Ja?", antworte ich leise.
Nun schaltet sich Jan ein.
"Wir stehen hier noch ganz am Anfang des Prozess. Anna hat nun die ersten positiven Stellschrauben gezogen und hat eine Perspektive, wie es weitergehen könnte. Dazu braucht sie deine Unterstützung und eine weitergehende Therapie. Wo und wie sie diese Therapie angeht liegt alleine in ihrer Entscheidung. Wenn Anna dich dazu braucht, dann wird sie dich fragen. Was für Anna sehr schwierig ist, ist das Treffen von Entscheidungen über ihren Kopf hinweg. Sie hat von mir die ersten Bestandteile eines Werkzeugkastens bekommen, der ihr in diesen Situationen hilft. Allerdings braucht es da auch von dir eine gewisse Selbstdisziplin. Anna ist von sich aus zu mir gekommen. Es gab keinen Druck von außen. Nur so kann eine weitere Heilung stattfinden. Das funktioniert sonst nicht!" Jan lehnt sich zurück und ich bin nun doch etwas erschlagen.
"Hm. Jetzt ist es zum Beispiel so, dass ich für Anna die Termine für die Vorsorgen ausmache. Soll ich das weitermachen, oder nicht?"fragend schaue ich Jan an.
"Frag Anna!", fordert er mich auf.
Anna sieht nachdenklich aus. In ihr arbeitet es.
"Anna, wenn du möchtest, dass Timo in dieser Hinsicht Verantwortung für, also nicht über dich sondern wirklich für dich übernimmt, dann kannst du es ihm jetzt sagen. Wie fühlt sich das für dich an?", fragt Jan
"Ich vergesse es immer wieder in dieser Hinsicht für mich selbst zu sorgen, deshalb Timo wäre es gut, wenn du dich darum kümmern könntest. Aber wenn irgendwelche Wechsel anstehen, dann möchte ich, dass du das mit mir absprichst und mich nicht vor vollendete Tatsachen stellst!", fordert Anna von Timo.
"Aber das ist doch klar!", sagt Timo. "Beziehungsweise, da fällt mir ein, dass Dr. Jäger ja nun im Ruhestand ist... ich hatte deshalb überlegt, ob du zu Nathan wechselst? Er hat schließlich alle Patienten von Dr. Geiger übernommen."
"Was denkst du dazu Anna", moderiert Jan.
"Nathan und ich kennen uns sehr gut. Ich denke da muss ich nochmal drüber nachdenken. Ich weiß dass er sehr vorsichtig untersucht und gründlich ist, aber trotzdem bin ich da gerade etwas befangen."
"Verständlich. Dann höre dich doch mal bei deinen Freundinnen um. Vielleicht haben die ja noch einen Tipp," ergänzt Jan.
"Das ist eine gute Idee!", Timo lächelt Anna an. "Und wenn ich dich irgendwie unterstützen kann, dann melde dich. Immer!" Er beugt sich zu ihr herunter und gibt ihr einen sanften Kuss.
Ein warmes Gefühlt durchströmt mich und macht mich sehr dankbar, dass ich diesen Beruf ausüben darf. Auch wenn er sehr oft mehr als anstrengend und fordernd ist.
* Ende *
Ich hoffe dir hat diese, etwas langsamere Geschichte gefallen. In der nächsten Zeit wird es hier wieder ruhiger werden. Trotzdem bin ich im Hintergrund natürlich trotzdem tätig und schreibe an dem 2. Buch von Jan und Fine. Auch Kapitel aus dieser Geschichte werden im Buch auftauchen. Danke für deine Likes und deine Kommentare. Ich freue mich über jeden Einzelnen. 💗

DU LIEST GERADE
Spaziergang zur inneren Mitte oder Annas Geschichte
RomanceEndlich steht Annas Auszeit im Retreat an. Mit gemischten Gefühlen steigt sie in den Zug um einige Tage dort zu verbringen. Wird sie ihre diversen Baustellen angehen können? Findet sie die so dringend benötigte Auszeit vom Familie, Haushalt und Co...