Kapitel 15

1.4K 78 8
                                    

Aus Maxis Perspektive

Ich höre etwas aus dem Bereich des Autos und drehe mich um. Es war nicht wirklich laut. Ich zucke mit den Schultern. Anna ist wohl schon abgehauen und ich hatte echt gedacht, sie schafft es dieses Mal sich ihren Dämonen zu stellen. Aber anscheinend ist sie dazu absolut nicht fähig. Vielleicht haben wir sie da alle überschätzt und müssen nun eben gemeinsam mit Anna damit leben. Wieder höre ich einen Ruf. Nun etwas lauter. Ich drehe mich nochmal um, und sehe eine Hand neben dem Auto auf dem Boden liegen. Scheiße! „Anna?" Ich bin zuerst wie in Schockstarre, bevor sich meine Beine endlich in Bewegung setzen. „Anna. Hey!" Ich überprüfe Puls und Atmung. Das ist zum Glück unauffällig. Ich drehe sie in die stabile Seitenlage und reize einen Schmerzimpuls an ihrem Schlüsselbein. Sie stöhnt leise. Ich untersuche solange ihren Kopf. Sie scheint langsam am Auto heruntergerutscht zu sein und nicht mit dem Kopf aufgekommen. Ihre Augen öffnen sich flatternd. Marie, die Rezeptionistin hat solange auch mitbekommen, das draußen etwas passiert ist. Sie eilt zu uns. „Braucht ihr einen Rettungswagen?", fragend schaut sie mich an. „Nein, ich denke nicht. Ich bringe sie jetzt nach oben und checke sie kurz durch. Würdest du meine Termine etwas nach hinten schieben?"„Ja klar. Mach ich. Sag Bescheid, wenn du etwas brauchst!"„Mach ich." „Oh Anna, warum immer dieses Drama?", ich lächle sie an. Ihre Lippen verziehen sich auch zu einem wackligen Lächeln. „Es, es tut..."„Shh. Ist gut. Weißt du, wir mögen dich so, wie du bist. Aber noch lieber hätten wir es, wenn du einfach glücklich und gesund sein könntest. Aber jetzt bringen wir dich mal nach oben. Ich möchte zumindest ein kleines EKG um Herzrhythmusstörungen auszuschließen." Anna nickt.„Kannst du aufstehen?"„Ich denke schon!" Wacklig steht sie auf. Ich lege einen Arm um sie. „Lehne dich an meine starke Schulter", witzle ich. Anna lächelt.Das ist ja schonmal ein Fortschritt.„Das ist eigentlich Trixies Platz.."Ja, das stimmt. Aber ich glaube sie leiht ihn dir heute ausnahmsweise."

 Aus Annas Perspektive

Ich genieße für einen Moment die Wärme, die Maxi ausstrahlt. Wir gehen gemeinsam die kleine Treppe nach oben, bevor wir mit dem Fahrstuhl nach oben fahren. „So, da wären wir. Ich kenne mich in Jans Räumen auch nicht ganz so gut aus, wie in meinen. Aber ich denke, das bekommen wir hin!" Maxi lächelt mich an. „Synkopen hattest du aber keine in letzter Zeit, oder?"„Nein! Das hätte ich dir dann schon gesagt!" Maxi schaut mich vielsagend an. „Wirklich!"„Gut, dann bitte einmal den Oberkörper freimachen!" Ich lege meine Jacke, Pulli und Shirt, BH neben mich auf die Liege und lege mich dann nach hinten, während Maxi sich die Hände desinfiziert. Kurz darauf klebt er die Ableitungen des EKGS auf meinem Oberkörper auf. „Oh, sogar ein 12 Kanal.." ich grinse ihn an. Maxi zieht nur die Augenbrauen hoch.„Sei nicht so frech! Ansonsten mache ich gleich noch ein Belastungs EKG und ich glaube nicht, dass das zu unserer Zufriedenheit ausfällt. Maxi stellt den Ton leise und betrachtet konzentriert die Linien. „Okay, das sieht zum Glück unauffällig aus!" Er tritt neben mich und wickelt mir die Manschette des Blutdruckgeräts um den Arm. „Hm. Nimmst du die Tabletten regelmäßig?" „Ja, tu ich. Timo kontrolliert das auch..."„Echt?", erstaunt schaut Maxi mich an.„Yep.. so viel zum Vertrauen..."„Na ja..."„Sag es einfach nicht, Maxi... einfach nicht!" Maxi betrachtet erneut die Kurven, die sich etwas verändern. „Aufregung bekommt dir nicht, meine Liebe!", sanft zieht er nun die Elektroden von meinem Körper. „Du kannst dich wieder anziehen."„Okay." Maxi versorgt das EKG – Gerät, bevor er sich wieder mir zuwendet. Ich weiß genau, was jetzt kommt und wappne mich innerlich dagegen.„Anna, du brauchst mich gar nicht so anzuschauen. Ich weiß du denkst, was du jetzt zu hören bekommst, aber da bist du falsch. Ich sage dir ganz klipp und klar, dass es hier kein übergriffiges Verhalten von Jan und mir in der Hinsicht der Bearbeitung deines Traumas geben wird. Das muss einzig und alleine von dir kommen und wir warten solange bis du soweit bist. Auch wenn es nicht bei diesem Aufenthalt stattfinden wird. Es wird dich niemand zwingen!", Maxi nimmt meine Hände in seine. „Verstanden?" Mein Herz sinkt. Ist es denn nicht gerade das, was ich in mir drin eigentlich möchte, dass jemand die Verantwortung dafür übernimmt und mich da ran führt? Tränen steigen in mir auf. Die Zerrissenheit macht mich fertig,„Nur du selbst kannst dich ändern, Anna. Weder ich, noch Jan, noch Timo", sagt Maxi leise. „Wenn du soweit bist und uns klar und deutlich sagen kannst: Ja, das will ich. Dann stehen wir parat. Alle!" Maxis Blick wird weicher. Ich werfe mich in seine Arme. Es ist so beruhigend ihn zu spüren, seine Pranken streicheln über meinen Rücken, während ein Heulflash nach dem anderen mich schüttelt. Irgendwann fühle ich mich völlig trocken und leer. Maxi lächelt mich an und reicht mir ein Taschentuch. Sein Hemd ist ziemlich durchweicht von meinen Tränen. Ich schnäuze mich energisch. Ich verspüre nun den riesigen Drang, mich zu bewegen, mir Luft zu machen. Diese Leere in mir zu füllen. Ich stehe auf und schaue Maxi an „Danke!"„Immer gerne Anna. Immer!"Dann laufe ich mit hoch erhobenen Kopf aus diesem Zimmer und spüre Maxis Blick in meinem Rücken.

Spaziergang zur inneren Mitte oder Annas GeschichteWo Geschichten leben. Entdecke jetzt