Teil 2: Mondnacht

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POV. Giyu

Mein ganzer Körper kribbelte.
Ihre Hände fuhren sanft durch mein Haar und ich atmete ihren süßen Duft ein.
Ich wollte mich nicht von ihr lösen, aber etwas in mir drängte mich mit aller Macht diesen Kuss zu unterbrechen.
«Warum hast du das gemacht?» flüsterte Shinobu nah an meinen Lippen und sah mich mit großen Augen an.
«Ich... Ich weiß nicht.»
Erschrocken machte ich einen Schritt zurück.
Was hab ich getan?!
Den Ort an dem wir uns befanden suchte ich oft auf, wenn ich allein sein wollte, oder nachdenken musste. Es waren meine Gefühle für Shinobu, die mich hierher bewegten und sie da zu sehen hatte mich aus dem Konzept gebracht.
Ich wollte nur noch bei ihr sein und...
«Du weißt es nicht.» seufzte sie, aber ich bemerkte deutlich ihren spitzen Unterton, «Warum bist du nur so... hach! Mir fällt nicht einmal ein Wort dafür ein!»
«Ich...»
«Was denn Tomioka-san? Willst du dich endlich dazu durchringen zu antworten?!»
Ihre Stimme war lauter geworden und ihr sonst aufgesetztes Lächeln bröckelte. So emotional hatte ich sie zuvor nur gesehen, als ihre Schwester verstarb.
Unsere erste gemeinsame Mission miteinander und sie endete in dieser Tragödie. Und genau hier hatte sie begonnen...

«Weißt du Tomioka-san, normalerweise ist es höflich auch zu antworten.»
Das ist also Kanae Kochos kleine Schwester... sehr laut.
Shinobu warf die Arme in die Luft und wand sich verzweifelt an ihre Schwester.
«Kannst du dich jetzt auch dazu bequemen zu antworten?! Wir lassen Kanao alleine für diese Mission!»
Ihre Schwester lächelte sanft.
«Ein Zunehmender Dämonenmond wurde in der Nähe von Nakamusari gesichtet.»
«Ein Zunehmender Mond?» fragte ich und sah sie erschrocken an.
Ich dachte es sei eine kleinere Mission zur Erkundung eines nahe gelegenen Dorfes. Diese Nachricht überrascht mich...

In dieser Nacht wurde ich kurzfristig zu einem Notfall gerufen und bat Kanae und Shinobu schon einmal voraus zu laufen, damit ich sie später einholen konnte, doch mein Kampf zog sich und als ich sie endlich erreichte war ihr Kampf vorüber und Kanae tot.

«Was ist hier geschehen?!»
Mit großen Augen betrachtete ich die Blutlarche auf dem sandigen Weg und Kanae, die schlaff in Shinobus Händen lag.
«Was soll hier schon passiert sein, Tomioka-san? Der Dämonenmond hat Kanae getötet und ist dann wie ein Feigling geflohen, als die Sonne kam!!»
Sie hob ihren Blick und hatte die Mundwinkel zu einem grimmigen Lächeln verzogen.
«Wenn ich diesen Teufel finde, wird das letzte was er fühlt unendlicher Schmerz sein!!»
Dann schloss sie die Augen und atmete einmal tief durch. Als sie sie wieder öffnete lächelte sie fast fröhlich und hob den Kopf.
«Ich hoffe deine Mission war erfolgreich, Tomioka-san?»

Wie durch ein unsichtbares Zeitportal betrachtete ich gleichzeitig die Shinobu vor mir und die, die sie einmal war. Beide blickten mit dem gleichen Lächeln zu mir auf und auf beiden stand klar der Schmerz geschrieben, den sie stetig fühlten.
Dennoch schaffte ich es nicht ihr zu antworten.
«Schön Tomioka-san. Dann werde ich dich wohl vor eine Wahl stellen müssen?»
Eine Wahl?!
Ein kalter Schauer lief mir über den Rücken.
«Bis zur nächsten Mondnacht möchte ich darauf eine ordentliche Antwort, denn ansonsten...»
Sie hob den Zeigefinger und tippte mir neckisch gegen den Arm, «... werde ich nie wieder ein Wort mit dir wechseln.» schloss sie und lächelte aufmunternd.
«Also gib dir Mühe!» rief sie mir noch nach ehe sie zwischen den Bäumen verschwand.
Sie hat mir ein Ultimatum gestellt...!
Mein Atem ging flach und ich spürte eine aufkeimende Panik hochkommen.
Was für eine Antwort erwartet sie nur?
Mit schnellen Schritten bog ich auf den Weg zu meinem Anwesen.
Will sie etwa, dass ich mich entschuldige?!
Hasst sie mich jetzt?

In Gedanken versunken betrat ich die Treppe zu meiner Tür.
«Tomioka! Tomioka! Warte auf mich!!»
Mitten in der Bewegung erstarrte ich und blickte in die Richtung, aus der die Rufe kamen.
Ka-Kanroji?!
Mitsuri Kanroji, die Säule der Liebe, war eine sehr aufgeweckte Person, die noch mehr redete, als Shinobu und eine große Schwäche für Essen aller Art besaß.
Und wenn sie neben mir steht zeigt sie immer zu viel Haut!
Sie war freundlich, aber aus irgendwelchen Gründen hatte ich ein wenig Angst vor ihr.
«Ich hab dir etwas Sakura-Mochi mitgebracht. Teilen wir und eins?»
Sie blickte so hoffnungsvoll zu mir auf, dass ich nicht ablehnen konnte und bedeutete ihr mit einer Geste Platz zu nehmen.

Ich habe keine Zeit für so etwas...
Das schien sie allerdings nicht zu bemerken, denn sie saß bereits und überreichte mir ein kleines Sakura-Mochi.
«Danke.» murmelte ich und nahm es.
Mitsuri hatte sich in der Zwischenzeit schon eines in den Mund gestopft und kaute genüsslich.
«Ich bin wirklich froh, dass du mich nicht abgewiesen hast! Du bist ja sonst immer so alleine!» nuschelte sie.
Ich rutschte unruhig hin und her.
«Ich bin gerne alleine.» sagte ich und nahm einen Bissen.
«So? Aber mit Shinobu redest du gerne! Gyomei-kun hat das einmal gesagt, als wir ein Hashira-Treffen hatten.»

Mein Mochi blieb mir im Hals stecken und ich hustete. Kanroji blickte erschrocken zu mir rüber und klopfte mir beherzt auf den Rücken.
Zu stark!
Der Klumpen löste sich zwar, aber mein Rücken fühlte sich an, als wäre ein Stein über ihm zusammengestürzt.
«Ohje! Das tut mir so leid! Ich hab dir doch nicht weh getan, oder?!»
Ihre Augen waren leicht glasig und sie sah schuldbewusst zu Boden. Kanroji war sehr emotional und hatte oftmals starke Stimmungsschwankungen, die von Weinen bis zu fröhlichen Umhertanzen alles umgreifen konnten. Als ich ihr einmal nicht geantwortet hatte, dachte sie sofort ich würde sie hassen und Obanai wäre mir dafür noch beinahe an die Kehle gegangen, wenn Shinobu sie nicht getröstet hätte.
Shinobu...
«Oh nein, hab ich dich auch traurig gemacht?!! Das wollte ich nicht, Tomiokaaaaa...» schniefte sie und brach in Tränen aus. Etwas überfordert versuchte ich diese Situation zu lösen.
«Nein... alles gut... Bitte hör auf zu weinen! Ich habe nur... wegen Shinobu...» verzweifelt schüttelte ich ich ihre Schulter, aber sie hatte schon wieder aufgehört.
«Ach herrje!! Hast du etwa Streit mit Shinobu?! Wie schrecklich!!»

Sofort war sie aufgesprungen und wischte sich mit einer schnellen Bewegung die Tränen vom Gesicht. Kaum hatte sie das getan sah sie so entschlossen aus, dass ich mich fragte, was wohl nun in ihrem Kopf vorgehen musste.
«Wenn das so ist musst du dich mit ihr vertragen! Sag ihr, wie du darüber fühlst und ich bin sicher, sie wird es verstehen!!» rief sie und reckte die Faust in die Luft, ehe sie in einen Redefluss überging: «Shinobu ist die netteste...»
Ich hingegen versank in Gedanken.
Ihr sagen, wie ich fühle...
Konnte es das sein, was sie von mir wollte? Wie ich gegenüber ihr fühle?
Ich richtete mich ebenfalls wieder auf und sah Kanroji dankbar an.
«Das ist eine gute Idee.»
Sie hielt in ihrem Redefluss abrupt inne, blickte einen Moment irritiert, ehe sich ihr Gesicht aufhellte und sie fröhlich in die Luft sprang.
«Ach ja?! Ich konnte dir helfen?! Wie schön!! Das muss ich Iguro erzählen. Er wird sich bestimmt freuen! Vergiss nicht mir zu sagen, wie es ausging!»
So hüpfte sie freudig auf und ab zum Anwesen von Obanai.

—————

Ich erreichte die Ruine als Erster und betrachtete den Vollmond, der die Lichtung in sein silbriges Licht tauchte. So schön...
«Du bist also schon da, Tomioka-san!»
Mit einem Ruck drehte ich mich in Shinobus Richtung. Ein sanftes Lächeln umspielte ihre Lippen, doch es war nicht echt.
«Ich hoffe du hast eine Antwort gefunden, die dein Verhalten entschuldigt.»
Sie setzte sich in Bewegung und kam direkt vor mir zum Stehen. Dieser Duft...
Meine Konzentration löste sich in Luft auf.
Eine Antwort... eine Antwort... welche Antwort?
«Und?»
Mit einem Schlag war ich wieder bei mir und machte einen Schritt nach hinten. Ihr sagen, wie ich fühle...
Ich holte tief Luft und schloss meine Augen. Ihr süßer Duft hüllte mich ein und als ich sie wieder öffnete sah ich sie fest an.

«Ich liebe dich.»

Jetzt war sie es, die nach hinten taumelte. In ihrem Gesicht spiegelte sich Schock, aber auch... war das etwa...
«Ist das... wahr?» fragte sie und sah mich an.
«Ja. Ich liebe dich, Shinobu. Ich will in deiner Nähe sein und mit dir reden. Wenn ich bei dir bin schlägt mein Herz bis zum Hals und...»
«So viele Worte am Stück...» murmelte sie und jetzt lächelte sie erneut.
Ein echtes Lächeln.
Sie schloss ebenfalls kurz die Augen und als sie sie öffnete war es beinahe so, als würde sie strahlen.
«Ich schätze wohl... ich liebe dich auch Tomika-san!»
Alles in mir kribbelte und eine Welle des Glücks überflutete mich. Sie liebt mich!
Ich machte den letzten Schritt zu ihr und schloss sie in meine Arme. Sie lachte.
«Nicht so stürmisch, Tomioka-san!»
Ihre Arme schlossen sich ebenfalls um mich, doch dann zögerte sie kurz.
«Kannst du mir etwas versprechen? Wirst du... nach dem Kampf an meiner Seite sein, ja?»
Der große Kampf...
Für einen kurzen Moment schossen mir wieder Sanemis Worte durch den Kopf.
«Die hat nur ihre liebe Kanae im Kopf, glaub mir!!»

Wenn sie wirklich auf Rache aus ist muss sie das Ganze überleben! Ich werde nicht zulassen, dass sie stirbt!!
Ich drückte sie noch etwas fester an mich.

«Ja. Ich verspreche es!»

Mondnacht - Giyu x ShinobuWo Geschichten leben. Entdecke jetzt