Choi San
Heute war Samstag. Wochenende. Eigentlich mochte ich das Wochenende, weil ich da keine Therapien hatte und den ganzen Tag mit Hongjoong oder Wooyoung oder beiden verbringen konnte. Aber heute war es mir verhasst. Denn sowohl Hongjoong als auch Wooyoung haben heute Besuch bei sich. Bei Hongjoong wusste ich, dass es sein bester Freund Mingi war. Bei Wooyoung wusste ich nicht wer es war. Ich wusste nur, dass es scheinbar zwei Jungen in unserem Alter sein mussten, also wahrscheinlich Freunde von ihm. Das hatte zumindest die Schwester gesagt, die gerade kam, um mir meine Wäsche zu bringen, als ich gerade im Inbegriff war bei Wooyoung zu klopfen.
Jetzt saß ich auf der Schaukel die sie draußen im Garten haben - für die jüngeren Patienten. Aber ich saß dort gern, wenn ich mich einsam fühlte. Auf der Schaukel oder auf meinem Baum. Naja, auf jeden Fall saß ich dort so und schaute auf meine Füße, die knapp über dem Boden baumelten. Mein Gesichtsausdruck war vollkommen entspannt, innerlich vergoss ich jedoch Tränen. Dass gerade niemand für mich Zeit hatte, erinnerte mich daran, dass mich alle verabscheuten. Allen voran mein kleiner Bruder. Denn selbst nach Monaten kam nicht mal eine Antwort auf meinen Brief. Ich seufzte resigniert. Es machte mich so fertig, dass Jongho wahrscheinlich den Brief sofort weggeschmissen hat und nicht mal gelesen. So wirkte es zumindest auf mich.
Während ich weiter auf meine in der Luft baumelnden Füße starrte, hörte ich, wie sich jemand näherte. Denn die knallrote Schaukel war von Kies umgeben, der bei jedem Schritt deutlich hörbar knirschte. Nach nur wenigen Schritten der Person fiel ihr Schatten in mein Blickfeld. Ein Junge. Der Junge blieb vor mir stehen. Langsam hob ich den Kopf, um zu sehen, wer es sich traute sich mir zu nähern. Und als ich meinen Gegenüber erkannte, erstarrte ich zu Stein.
Er räusperte sich. Seine Stimme hatte sich in den vier Jahren nicht geändert. "Ehm...", versuchte er einen Satz zu formen, was jedoch nicht gelang. Und währenddessen starrte ich ihn einfach nur an. Sein Gesicht hatte sich nicht verändert. Noch immer hatte er die runden Wangen wie damals und auch seine Augen waren noch immer von diesem süßen schokoladenbraun. Seine Nase sah ebenfalls genauso knuffig aus wie bei unserem letzten Beisammensein. Auch seine Lippen hatten sich kaum geändert. Nur sein Haar war nun gänzlich rot und nicht mehr nur die Spitzen. Es stand ihm, ohne Zweifel. Er war gut gebaut und trug eine schwarze Skinny-Jeans und eine schwarze Lederjacke und darunter ein rein weißes Shirt. Und ich starrte ihn an.
Er stand hier wirklich vor mir, oder? Ich hatte keine Halluzinationen? Ich hob vorsichtig meine Hand, um seine Finger zu berühren. Er wich leicht zurück. Das tat weh. Mein eigener Bruder wich vor mir zurück.
Langsam stand ich auf. Wir waren ungefähr gleich groß. Ich schaute ihn an und ging vorsichtig einen Schritt auf ihn zu. Diesmal blieb er stehen. Ich schaute ihn an. Meine Augen mussten aussehen wie Anime-Augen. Jedenfalls fühlte es sich so an. Er schaute mich auch an. Wir beide schwiegen.
Und dann brach mein Damm und ich fiel ihm einfach in die Arme. Oder besser gesagt ich fiel gegen seinen Oberkörper. Tränen bahnten sich ihren Weg über mein Gesicht. Ich weinte nach vier Jahren mal wieder. Ich vergrub mein Gesicht in Jonghos T-Shirt und krallte mich mit den Händen an dieses, als könnte ich ihn so bei mir behalten. Meine Tränen durchnässten den weißen Stoff und ich schluchzte hemmungslos. Die Laute, die meine Lippen verließen, erschütterten meinen ganzen Körper und ich fühlte mich, als sei ich um das zehnfache geschrumpft. Ich fühlte mich so winzig.
Und so standen wir da nun. Ich schamlos laut schluchzend und mich an Jongho klammernd und er stand ruhig da und bildete meine Säule, meinen Anker. Ganz langsam hob er eine Hand und legte sie mir ruhig auf mein Schulterblatt. Dann kam die andere Hand dazu und er drückte mich schützend an sich. Es war, als hätten wir die Rollen getauscht. Als wäre er nun der große Bruder und ich der kleine Bruder, der beschützt werden musste. Aber in diesem Moment störte es mich kein bisschen.
Jongho drückte mich fest an sich und legte seinen Kopf auf meinen, so wie es unsere Mutter immer getan hatte, um uns zu beruhigen. Doch jetzt musste ich erstmal die Tränen von vier Jahren raus lassen. Und deshalb standen wir dementsprechend lange so da.
Doch nach einer ganzen Weile wurde mein Schluchzen immer leiser und meine Tränen versiegten langsam. Und doch krallte ich mich fester in das nun klatschnasse T-Shirt meines Bruders, aus Angst, er könnte mich jetzt einfach fallen lassen.
"Bitte... geh... nie... wieder...", brachte ich gerade so mit angekratzter Stimme heraus. "Shhh, ist schon gut..", murmelte der Jüngere und strich mir vorsichtig durchs Haar.
Langsam hob ich meinen Kopf und blickte ihm in die Augen. Noch immer waren die von Unsicherheit gefüllt. Doch nun lag auch etwas liebevolles in seinem Blick.
"Ich hab dich vermisst...", nuschelte ich leise.
"Ich... dich auch... Zumindest... den liebevollen Sannie... den Sannie, der mich immer beschützt hat...", flüsterte Jongho.
"Das habe ich doch... bis zum Schluss... Verstehst du denn wirklich nicht...? Es war... es war alles für dich...", murmelte ich und schaute auf meine Hände. Sie hatten begonnen zu zittern.
"Für... mich? Wie... wie meinst du das?", fragte Jongho verunsichert.
Ich lockerte meinen Griff und löste mich aus seinen Armen, um etwas zurück zu treten. Jetzt konnte ich es ihm endlich erklären. Aber dafür wollte ich lieber etwas Freiraum um mich haben, damit ich mit den Händen gestikulieren konnte. Ich brauchte schon immer Bewegung beim Erklären.
"Sie hat dich verletzt. Sie wollte immer nur nehmen, niemals geben. Sie hat dich nie geliebt, du warst nur ein weiterer Junge, mit dem sie vor ihren Freundinnen angeben konnte. Ich habe sie dafür gehasst! Wie konnte sie es nur wagen, dir zu nahe zu kommen?! Sie hat dir nie gut getan! Immer wenn ich dich abends weinen hören musste, habe ich noch mehr Hass auf sie bekommen! Ich wollte sie dafür bestrafen, was sie dir angetan hat! Sie war ein Monster! Wegen ihr sind wir voneinander getrennt worden. Sie hat einen Keil zwischen uns getrieben. Sie und ihr verlogener Bruder!"
Während meiner Erklärung war ich frustriert hin und hergelaufen. Während meiner Erklärung war der 'andere' San erwacht. Der wütende San, der unbedingt Rache wollte.
Ich schaute zu Jongho. Noch immer wirkte er sehr unsicher. Ich ging langsam zu ihm und nahm ganz sanft sein Gesicht in die Hände. "Du bist das wichtigste in meinem Leben. Du bist meine Sonne, um dich dreht sich alles. Ich will dich niemals verlieren und dich immer beschützen", verdeutlichte ich ihm. Er schaute mich ruhig an, legte seine Hände auf meine und löste sie von seinen Wangen und hielt sie ruhig fest.
"Im Prinzip kann ich es ja verstehen, aber warum ausgerechnet Gewalt? Wieso musstest du für mich morden?", fragte er ruhig. "Weil... weil... weil der andere San es wollte. Er meinte, es wäre okay, weil ich dich schließlich beschütze", murmelte ich. Verwirrung trat in seinen Blick. "Der andere San?" "Der wütende San. Der besitzergreifende San." "Oh... Wissen die Ärzte davon?", fragte er leise. Ich lachte trocken auf. "Diese Idioten? Als ob ich ihnen auch nur ein Wort sagen würde. Und bitte... sag ihnen auch nichts.." "Okay... meinetwegen..." Jongho senkte den Blick. "Hey, HoHo, ich komm hier schon raus, auch ohne diese Therapien. Ich bin doch immer noch dein großer Bruder, ich schaffe das schon", versuchte ich ihm zu versichern. Doch er nickte nur.
"Ich möchte dir jemanden vorstellen, komm Kleiner", lächelte ich warm und lief los und zog ihn sanft hinter mir her. Ich wollte ihm Hongjoong und Wooyoung vorstellen. Und so gingen wir gemeinsam in das Gebäude.
!!!Achtung!!!
Alles, was hier geschrieben steht, ist rein fiktiv und soll auf gar keinen Fall Körperverletzung, Mord, sexuellen Missbrauch und weitere absolut schlimme Verbrechen verharmlosen. Auf keinen Fall das Geschriebene nachahmen und sollten euch Gedanken bezüglich bestimmten Themen wie zum Beispiel: Suizid oder Selbstverletzung durch den Kopf gehen, dann sprecht bitte mit jemanden darüber und lasst euch helfen. Aber euch muss klar sein, dass man sich nur helfen lassen kann und sich bessern kann, wenn man das will. Wenn man sich die Hilfe aufzwingt oder aufzwingen lässt nützt es rein gar nichts.~~~
Hey Darlings~
Ich bin endlich wieder dazu gekommen zu updaten! Ich weiß, ich hab versprochen, regelmäßiger zu updaten, aber ich habe es nicht geschafft... Tut mir echt leid! Ich weiß echt nicht, in welches Loch meine Motivation manchmal verschwindet... Naja, ich hoffe euch hat das neue Kapitel gefallen! Wie geht es euch so?
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ℭ𝔞𝔩𝔩𝔢𝔡 𝔓𝔰𝔶𝔠𝔥𝔬ʷᵒᵒˢᵃⁿ
FanfictionChoi San ist schon eine ganze Weile in der geschlossenen Anstalt. Manchmal hat er seinen Spaß mit den anderen 'Patienten', aber meistens langweilt er sich dort einfach. Zumindest, bis Jung Wooyoung in das Nachbarzimmer einzieht... denn dieser Junge...