Henrys PoV:
Je näher wir dem Wald kamen, desto unruhiger wurde Eleanor, wie mir auffiel. Es wunderte mich, da sie sonst nie Angst im Dunkeln zu haben schien. "Alles in Ordnung?", fragte ich besorgt.
Sie lächelte mich unsicher an. "Das ist der Wald, in dem ich dem Waldschrat zum ersten Mal begegnet bin, damals, als ich noch eine Mülltonne war. Das ist lange her, ich weiß, ich sollte mich deswegen nicht verrückt machen..."
Ihr Stimme wurde immer leiser, bis man sie am Ende des Satzes kaum noch hören konnte.
"Eleanor, deine Angst ist doch völlig nachvollziehbar, wenn man sich überlegt, warum wir gerade mitten in der Nacht auf Pferden unterwegs sind in ein anderes Königreich!"
Wir hatten mit meinem Vater beschlossen, den Plan sofort in die Tat umzusetzen und so hatten Eleanor und ich heute mit Einbruch der Dämmerung heimlich das Schloss verlassen. Mit ein bisschen Glück wussten tatsächlich nur mein Vater und der Stallmeister von unserer kleinen Reise.
Und so waren wir jetzt, nach stundenlangem Reiten über Felder und Wiesen am Rand des Königreiches angekommen. Ich griff nach Eleanors Hand und gemeinsam galoppierten wir so schnell die Pferden trugen durch den Wald, in der Hoffnung, dass wir nicht hier rasten mussten sondern bis zum Morgengrauen den anderen Rand erreicht haben würden.
Die Pferde waren schon lange in einen langsamen, schlurfenden Schritt übergegangen und auch wir beide konnten die Augen kaum noch offen halten, bis endlich der Rand des Waldes zu sehen war.
Erschöpft legten wir uns unter die letzten Bäume und schliefen sofort ein.
Eleanors PoV:
Es war schon später Nachmittag, als Henry und ich wieder erwachten. Gemütlich machten wir uns wieder auf den Weg, von jetzt an hatten wir ja keine große Eile mehr, wer sollte uns denn hier schon begegnen? Schließlich war es typisch für die Untererdler, ihr Königreich nicht zu verlassen.
Bald genug erreichten wir ein kleines Dorf, in dessen kleinem Gasthaus wir ein wunderbares spätes Mittagessen serviert bekamen. Man behandelte uns äußerst zuvorkommend, was wohl nicht nur an der allgemeinen Gastfreundschaft hier lag. Denn obwohl wir unter falschen Namen reisten, sah man uns die reiche Herkunft doch deutlich an.
Als Henry und ich endlich allein in unseren Zimmern waren, überlegten wir, ob wir noch weiter reisen wollten oder einfach die nächsten Gelegenheit nutzen wollten. Wir entschieden uns dafür, gleich morgen früh den Pfarrer aufzusuchen und ihn um eine spontane Trauung ohne Gäste zu bitten.
Ich wachte auf und das erste, woran ich dachte, war: heute ist der große Tag, heute heirate ich meinen Traumprinzen!
Obwohl es eine schlichte, kurze Zeremonie ohne Gäste werden sollte, zog ich mich chic an, denn obwohl ich wusste, dass es später noch ein große Fest geben würde, so war dies doch meine richtige Hochzeit.
Zum Glück war ich trotz unserer überstürzten Abreise umsichtig genug gewesen, mir ein hübsches Cocktailkleid mitzunehmen.
Henrys PoV:
"Wer von den hier Anwesenden etwas gegen diese Eheschließung einzuwenden hat, möge jetzt sprechen oder für immer schweigen!", forderte der Pfarrer die leere Kirche auf.
Eleanor und ich standen Hand in Hand vor ihm und warteten darauf, dass er uns offiziell für verheiratet erklärte, als sich eine wohlbekannte Stimme aus dem Kirchenschiff in unserem Rücken meldete. Eleanor und ich zuckten gleichermaßen zusammen.
"Die Hochzeit darf nicht stattfinden.", sagte der Waldschrat laut und deutlich in die Stille hinein, die den Worten des Pfarrers folgte. "Dieser junge Mann ist bereits einer anderen versprochen, doch will er sich seinen Ehepflichten entziehen, da seine Gemahlin schwer krank ist und ständiger Pflege bedarf. Jetzt hat er es tatsächlich gewagt, sich eine Andere zu suchen!"
Der Pfarrer sah nicht weniger erschüttert aus als wir. Alle Farbe wich aus seinem Gesicht und es schien ihm die Sprache verschlagen zu haben. Dann wurde er mit einem Mal hoch rot im Gesicht und begann zu schreien: "Wie könnt Ihr es wagen, diese Kirche derart zu besudeln? Habt Ihr denn gar kein Gefühl für Anstand mehr? Wer hat Euch bloß erzogen?! Was ist nur aus den jungen Menschen geworden in diesen Zeiten! Raus aus meiner Kirche, aber sofort! Und wagt es ja nicht, je wieder einen Fuß in dieses Dorf zu setzten!"
Der Waldschrat grinste uns noch einmal hämisch an, bevor er hoch erhobenen Hauptes die Kirche verließ. Ich folgte mit Eleanor, die bitterlich anfing zu weinen und vor Schock kaum noch geradeaus gehen konnte.
Gerade als ich Eleanor die schwere Kirchtür aufhielt, um sie hinauszuführen , begann der Pfarrer wieder zu schreien.
"Fasst das Mädchen nicht an, wie könnt Ihr es wagen! Habt Ihr ihr nicht schon genug angetan?"
Doch ich machte mir nicht mehr die Mühe, zu antworten oder etwas erklären zu wollen, es wäre verschwendete Zeit gewesen und ich musste Eleanor so schnell wie möglich hier wegbringen, sonst drehte sie noch durch.
Draußen als wir außer Reichweite des wütenden Pfarrers waren, nahm ich Eleanor in den Arm, lange standen wir einfach so dar. Wir brauchten keine Worte, wir verstanden einander auch so.
Schließlich, ich konnte nicht sagen ob es 10 Minuten waren oder eine Stunde, beschlossen wir, zu unserer kleinen Herberge zurück zu kehren. Mit ein bisschen Glück bekamen wir noch etwas zu essen, wenn sich unser Glück so verhalten würde, wie bisher (sich irgendwo anders herum treiben nur nicht bei uns), dann hatte sich Nachricht des Pfarrers (wir zweifelten beide an seiner Verschwiegenheit) bereits so weit herum gesprochen, dass wir sofort vor die Tür gesetzt werden würden.
Wie nicht anders zu erwarten war, traf letzteres zu.
Uns blieb nichts anderes übrig, als schnellst möglich unsere Sachen zu packen und weiter zu reiten, um im nächsten Dorf unser Glück zu versuchen.
Eleanors PoV:
Wir einigten uns darauf, vorher mit dem Pfarrer zu sprechen, denn wir waren nicht so naiv zu glauben, dass der Waldschrat den selben Trick nicht noch einmal anwenden würde.
Zuerst glaubten wir fast, wir könnten den Pfarrer zu allem überreden, er schien so freundlich und zu allem bereit. Doch als wir ankündigten, dass jemand ungebeten kommen würde, um die Hochzeit zu verhindern, wurde er doch misstrauisch. Seiner Meinung nach musste ja etwas wahres dran sein, da niemand so bösartig wäre, ohne Grund die Hochzeit von zwei jungen Menschen zu verhindern. Und so sehr wir uns auch bemühten, es gelang uns nicht, ihn vom Gegenteil zu überzeugen.
In den nächsten Tagen zogen wir von Dorf zu Dorf und die Pfarrer reagierten jedes Mal verschieden. Einer hielt uns für zutiefst bösartig und war der festen Überzeugung, wir hätten nur Schlechtes im Sinn. Einer beteuerte felsenfest, er würden uns ja liebend gerne trauen, doch es bestehe leider das Risiko, von der Gemeinde nicht mehr akzeptiert zu werden, wenn diese Tat bekannt würde, und so ständen die Folgen leider in keinem Verhältnis zu dem kleinen Gefallen, um den wir baten. Wieder ein anderer versuchten es auf die besserwisserische Tour und erklärten uns, dass wir nur vernünftig mit dem Waldschrat reden müssten, dann würde sich schon alles klären. Vorher sei er jedoch nicht bereit, uns zu verheiraten, weil wir ja sonst lernen würden, dass man im Leben immer auf dem leichtesten Weg durchkommt.
Der letzte, bei dem wir gewesen waren, erzählte uns bloß, dass wir wohl nicht dazu bestimmt wären, unser Leben gemeinsam zu leben, wenn wir es bisher nicht geschafft hatten, zu heiraten. Und den Verlauf des Schicksals durfte er natürlich nicht eingreifen...
Henry und mir lief die Zeit davon und das war uns wohl bewusst. Wir mussten unsere Strategie ändern, und zwar schnell. Denn auf Dauer konnten wir einen Wettlauf gegen die Zeit nur verlieren.
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Die Abenteuer der Mülltonne
FantasyWas passiert, wenn du verzaubert wirst? Durch unglückliche Umstände in eine Situation kommst, die alles verändert? Prinzessin oder Mülltonne? Liebe oder Hass? Fluch oder Segen?