Kapitel 10

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Der Prinz folgte leise der Mülltonne nach dem Dinner, um mit ihr zu sprechen. Als sie in ihre Kammer ging, wartete er kurz ab, um dann den Gang zu ihrer Tür hinunter zu laufen. Da stellte sich eine kleine Gestalt vor ihn. "Nein, das tust du nicht!" sagte der Waldschrat. Verwirrt sah ihn der Prinz an, schüttelte nur den Kopf und wollte an ihm vorbei laufen, doch der Waldschrat hatte andere Pläne. Wütend sprang er in die Luft, und trat mit seinem Fuß gegen die Brust des Prinzen, der erschrocken aufschrie und hinfiel: "Sei leise, oder willst du dass sie uns hören?!" zischte er wütend und stellte sich auf den Bauch des Prinzen, der noch immer auf dem Boden lag.           "Du willst die Mülltonne also fragen, ob sie für immer nur Nachts eine Prinzessin sein wird?"           "Woher...." setze der Prinz an, doch der Waldschrat lachte nur verächtlich. "Ich verwandle eine drecke Mülltonne halbtags in eine wunderschöne Prinzessin, und du stellst die Tatsache infrage dass ich weiß woran du denkst? Ich überlasse nichts dem Zufall, das solltest du in Gedanken behalten. Und nur um mal etwas klar zu stellen: Wenn du mit ihr über dieses Thema redest, oder sie durch irgendwelche Umstände erfährt, dass du weisst, dass sie sich verwandelt, dann wird sie für immer eine Mülltonne, und zwar nur eine Mülltonne bleiben. Nimmt sie dich jedoch als Verlobten an, wird sie sich von dieser Nacht an nie wieder zurück verwandeln. Also sei vorsichtig."    Mit diesen Worten verschwand der Waldschrat, und der Prinz rannte geschockt zurück in sein Gemach.

In den nächsten Tagen wagte er es nicht, die Mülltonne auch nur anzusprechen, aus Angst, etwas falsches zu sagen.  Dann endlich fasste er einen Entschluss. so konnte es nicht weiter gehen. Er musste mit der Mülltonne reden, aber in der Zeit in der sie eine Prinzessin war. 

Lange überlegte ich, wie ich ihr die EInladung überbringen konnte, denn sie durfte ja nicht erfahren, dass ich ihr Geheimnis wusste. Schließlich entschied ich mich dafür, den Brief an den Vogel meines Vaters zu geben. Der würde schon dafür sorgen, dass Eleanor Louise den Brief bekam. Als ich ihn vor der Tür des Thronsaals fand, wo er fast immer war, stellte ich mich dumm.  "Ich möchte einer der Prinzessinnen von dem Ball vor einigen Tagen einen Brief schicken, sie ist mir besonders aufgefallen undich möchte mich gerne mit ihr treffen. Allerdings weiß ich nicht, wo sie wohnt. SIe heißt Eleanor Louise von Kaphengst. Könnten sie bitte dafür sorgen, dass sie den Brief bekommt? Ich möchte ganz sicher sein, dass sie die richtige ist, bevor ich mich verlobe!", sagte ich schnell den Text, den ich mir auf dem Weg hier her überlegt hatte. Sobald ich das Wort "verloben" erwähnte, schlich sich ein Lächeln auf das Gesicht des Vogels, soweit das eben möglich war. Ich hatte gewusst, dass es mehr als dieses eine Wort nicht brauchen würde, um den Vogel dazu zu bringen, alles zu versuchen, um sie zu erreichen. Genau wie mein Vater war er besonders in den letzten Tagen von dem Gedanken, dass ich heiraten musste, geradezu bessen gewesen. 

"Aufgeregt?", fragte der Vogel amüsiert. "Ja!", antwortete ich wahrheitsgemäß, wenn auch nicht aus dem Grund wie du denkst, fügte ich in Gedanken hinzu, denn tatsächlich schlug mein Herz schneller als sonst, vor allem aber aus Angst, er könnte mich durchschauen.

"Ihr müsst keine Angst haben.", versuchte mich der Vogel zu beruhigen. "Ihr müsst nur noch einmal den Namen der Prinzessin wiederholen, denn Ihr habt eben zu schnell gesprochen, und ich bin auf dem Weg!"

Nachdem ich ihm noch einmal gesagt hatte, wie meine hoffentlich zukünftige Ehefrau hieß, ging ich zurück zu meinen Gemächern. Jetzt konnte ich nur noch warten und hoffen, dass sie kommen würde..

Die Mülltonne hatte die Gemächer des Prinzen schon früh am morgen gereinigt, deshalb nutzte sie ihren freien Nachmittag für einen ausgedehnten Spaziergang durch den weitläufigen Schlosspark und genoss das herrliche Wetter. Die Sonne schien von einem markellos blauen Himmel und wärmte ihren kalten Körper.

Auf einmal wurde die Mülltonne aus ihren Gedanken gerissen, als sie Stimmen vor sich hinter einem Baum hörte. Die eine Stimme gehörte unverkennbar dem König, die andere hatte die Mülltonne noch nie zuvor gehört. Sie klang ärgerlich und eindringlich, während der König immer ängstlicher zu werden schien. Leise versteckte sich die Mülltonne in der Nähe mit gutem Blick auf das Geschehen. Nun sah sie auch den Mann mit der eindringlichen Stimme. Er war groß und breitschuldrig und sah mit einem grimmigen Ausdruck auf den König hinunter, der entgeistert auf die Schriftrolle in seinen Händen starrt. 

"Nein!", grollte der unheimliche  Mann. "Ich bin sicher, dass es keinen anderen Weg gibt, ihre Ehefrau wiederzubekommen, eure Hoheit. SIe wissen, warum wir sie entführt haben: weil wir Eure Regierung nicht mehr ertagen haben. Aber es hat nichts gebracht. Also müsst Ihr vom Thron zurücktreten. Ihr könnt eure Frau dann wiederhaben, denn sie ist für uns ja nciht mehr von Interesse. Aber ihr müsst sicherstellen, dass der Prinz heiratet, bevor er den Thron besteigt. Na ja, es steht ja alles in dem Brief. Wenn er bis in zwei Wochen nicht verlobt ist, könnt ihr diesen Vertrag gar nicht unterschreiben und eure Frau wird für IMMER bei uns bleiben. Habe ich mich endlich klar genug ausgedrückt?"

Der König nickte hastig und verschwand in richtung des Schlosses. Die Mülltonne blieb geschockt zurück. Was war das denn eben gewesen?

Aber der König war nicht der einzige, der sich in den nächsten Tagen seltsam benahm. Auch der Prinz verhielt sich nicht so, wie die Mülltonne es gewohnt war. Er schrie sie nie mehr an, aber er sagte auch sonst nichts. Solange die Mülltonne im Raum war, sprach er einfach gar nicht.

Dann, an dem Tag, an dem es genau eine Woche her war, dass sie den König und seinen mysteriösen Erpresser beobachtet hatte, begegnete sie abends, als sie als Eleanor Louise durch den Garten spazierte und die warme sommerliche Luft genoss, dem Vogel des König. "Prinzessin!", rief er und Eleanor Louise drehte sich um. "Ja?"

"Der Prinz hat einen Brief für Sie geschrieben, aber da er nicht wusste, wo sie sich heute aufhalten und er einer dringenden Familiensitzung beiwohnen musste, hat er mir die verantwortungsvolle Aufgabe übertragen, Ihnen diesen Brief zu übergeben."

Mit einer Verbeugung reichter er Eleanor Louise den Umschlag und erhob sich dann in die Luft, um richtung Schloss davon zu fliegen.

Erst als sie ihren gewönlichen Platz unter der großen Weide erreichte und sich gesetzt hatte, öffnete sie den Brief. Was mochte der Prinz wohl sagen? Woher wusste er, dass sie noch im Schloss war? Oder hatte er den Vogel einfach losgeschickt, um sie zu suchen, wo immer sie war?

Eleanor Louises Augen weiteten sich, als sie las, was in dem Brief stand. Der Prinz lug sie zu einem Ausflug ein, und zwar morgen Abend! Sie würden erst einen Ausritt über die ausgedehnten Ländereien machen und anschließend am See picknicken. Sie war jetzt schon aufgeregt. Hoffentlich würde er sie immer noch mögen, nachdem sie sich einen ganzen Abend unterhalten hatten...

Der nächste Tag verging schneller, als ihr lieb war und ehe sie sich versah, war es auch schon abend und damit Zeit für ihr Treffen mit dem Prinzen geworden. Inzwischen war sie unglaublich nervös. 

SIe hatte noch nie vorher auf einem Pferd gesessen und hoffte einfach, dass sie es einfach können würde, so wie es mit Tanzen und allem anderen auch gewesen war. 

Als sie nach der Verwandlung schnell aufstand, lief sie wie immer als erstes zu ihrem Spiegel. Heute trug sie, passend zu dem wunderbaren, warmen Sommerabend ein luftiges weißes Kleid, dass in weichen Wellen bis fast auf ihre Füße fiel und darüber ein dünnes, schwarzes Jäckchen. Ihre langen Haare vielen ihr in weichen Wellen offen über ihre Schultern und über ihrem linken Ohr war eine weiße Magnolienblüte befestigt. Wie immer sah sie wunderschön aus.

Sie warf ihrem Spiegelbild ein letztes Lächeln zu, bevor sie sich mit einem zufriedenen Gesichtsausdruck auf dem Weg zu den Ställen machte, wo sie mit dem Prinzen verabredet war.

Die Abenteuer der MülltonneWo Geschichten leben. Entdecke jetzt