Malon & Naneah - Die 20. Hungerspiele | Kapitel 4 Naneah

357 16 2
                                    

Ich konnte nicht sagen, wie lange ich noch im Justizgebäude saß, nachdem sie Malon und Malie zum Zug gebracht hatten. Als die Friedenswächter uns auseinander gezerrt hatten, konnte ich ihn gerade noch so meine Kette, an der der Ehering meiner Mutter hing, in die Hand drücken. Dann war er fort.

Für immer.

Es wollte einfach nicht in meinen Kopf, dass er nie wieder kommen würde, aber so war nun einmal die Realität. Wenn ich Glück hatte, würde Malie wieder kommen, aber selbst das war nicht sicher.

Ich fühlte mich allein. Wollte sterben.

So musste sich mein Vater damals gefühlt haben, als meine Mutter gestorben war. Nur das er noch einen Grund zum leben gehabt hatte.

Mich.

„Kleines...", leise trat genau seine Stimme an meine Ohren. Zu wissen das er da war, reichte aus, um erneut in Tränen auszubrechen. Dieses mal liefen sie jedoch nicht einfach lautlos über meine Wangen, sondern kamen mit schluchzenden Geräuschen. Er setzte sich neben mich und hielt mich. Kein Wort kam über seine Lippen und dafür war ich dankbar. Ich wollte keine Worte hören. Nichts würde mich trösten, sondern nur verletzen.

„Malons Vater dachte, dass es eine gute Idee wäre, wenn du die nächsten Wochen bei ihnen bleibst." , unterbrach er die Stille leise, „Ich denke es ist eine gute Idee. Besonders seine Mutter braucht dich jetzt und sie können auch dir helfen. Nach der Arbeit komme ich immer vorbei."

Ohne etwas zu sagen, hatte ich zugestimmt.

Malons Vater nahm mich mit zu ihrem Haus, während mein eigener mit Kleidung vorbei bringen wollte.

Falla, bleich und den Schock immer noch ins Gesicht geschrieben, kam nach draußen, als würde sie hoffen, dass ihre Kinder nach hause kamen und alles nur ein schlechter Scherz gewesen war. Doch sie sah nur mich.

Trotzdem kam sie nach draußen gelaufen und drückte mich fest an sich. Ich erwiderte die Umarmung, auch wenn Tränen dadurch wieder über mein Gesicht liefen.

Denn restlichen Tag taten wir nicht wirklich viel. Wir saßen zusammen im Wohnzimmer und warteten darauf das die Zeit verging. Ich versuchte nicht darüber nachzudenken, wo Malon jetzt war. Was er gerade tat. Es schmerzte zu sehr. Gleichzeitig war seine Abwesenheit jedoch auch zu schmerzhaft. Ihn nicht mehr neben mir zu wissen fühlte sich an, als hätte jemand einen Teil meiner selbst herausgerissen. Warum musste Liebe so wehtun? Ich hätte es besser wissen müssen aber ich hatte gehofft, dass wir zusammen sein durften.

Ich erinnerte mich an seine Worte.

Einen Antrag. Er wollte mir einen Antrag machen, wenn wir den Tag überstanden hätten.

Heiraten, Kinder, zusammen alt werden.

Das alles war mir nun genommen wurden. Ich konnte mir nicht vorstellen, dass ich jemals jemanden anderen lieben würde. Wollte es auch nicht.

Falla hatte sich wieder hingelegt und Erdo streichelte immer wieder über ihren Kopf. Die beiden zu sehen, war auf einmal schrecklich. Früher fand ich es so beruhigend zu sehen, dass Menschen zusammen glücklich werden konnten. Aber jetzt?

Ich würde dies nie haben.

Leise schlich ich nach draußen und weinte dort still vor mich hin. Die beiden schienen es zu akzeptieren, da Erdo mich erst am Abend zum Pflichtprogramm nach drinnen holte.

Ich setzte mich neben Falla, die meine Hand in ihre legte.

Gemeinsam schauten wir uns die Zusammenfassung der Ernte an.

Gleich in Distrikt Eins meldeten sich zwei Jugendliche Freiwillig.

Unser alter, nur trainiert.

Mein Mut sank. Seltsamerweise, meldete sich im nächsten kein Mädchen freiwillig, wodurch eine zwölfjährige das Los des Tributes trug. Es tat mir Leid, dass ich mich innerlich darüber freute. Eine Gegnerin weniger. Der Junge war ebenfalls gerade einmal fünfzehn, meldete sich jedoch freiwillig. Entweder er überschätzte sich oder war eine ernsthafte Gefahr. Auch in Distrikt Vier meldeten sich beide Tribute freiwillig. Trotz ihres Alters waren sie jedoch nicht wirklich groß, im Gegensatz zu Malon.

Der Rest der Tribute war durchschnittlich bis schwach. Als unser Distrikt drankam verspannten wir uns alle.

Malies Name wurde genannt und Falla begann neben mir wieder zu weinen. Ich versuchte mich darauf vorzubereiten, dass Malon seine Hand hob, doch es versetzte mir erneut einen Stich.

Irgendwie schaffte ich es durch alle anderen Distrikte bis die Show endlich vorbei war und ich wieder nach draußen stürmen konnte.

Mein Vater kam erst danach. Kurz setzte er sich neben mich. Als er jedoch merkte, dass ich nicht sprechen wollte, ließ er es bleiben und ging wieder. Er musste morgen arbeiten, brauchte Schlaf. Er liebte mich.

Ich hörte seine Worte, konnte jedoch nicht antworten. Wenn mich einer jedoch verstand, dann war es er.

Ich blieb dort, bis ich die Augen nicht mehr offen halten konnte.

Da ich nicht in Malons Zimmer schlafen wollte, rollte ich mich auf dem Sofa zusammen.

Jedoch bekam ich kein Auge zu. Immer wieder wälzte ich mich hin und her, während mein Gehirn sich auf grausamste Weise vorstellte, was alles passieren konnte und wie ich dabei zusehen musste.

Fast war ich froh als die Sonne aufging, auch wenn ich kein Auge zu getan hatte. Der Tag nach der Ernte war immer noch ein freier Tag. Die meisten Familien genossen es einfach immer noch zusammen zu sein.

Ich hingegen wusste nicht wirklich was ich tun sollte.

Falla fühlte sich immer noch nicht gut. Im Gegenteil. Eher schlechter. Sie blieb im Bett, wodurch ich ihre Aufgaben übernahm und mich damit ablenkte.

Ehe ich wusste, was ich tat, hatte ich das ganze Haus auf Hochglanz poliert und ein Abendessen gezaubert, bei dem Malons Vater das Wasser im Mund zerlief. Natürlich war es nicht viel, aber er genoss es, auch wenn er sich eindeutig Sorgen um seine Frau machte. Mir zuliebe, versuchte er mich jedoch abzulenken, was ich ihn hoch anrechnete.

Später gesellte sich mein Vater zu uns, und auch Falla kam für das Pflichtfernsehe, aus ihrem Zimmer.

Die Moderatoren machten schlechte Witze, während man die Spannung im Kapitol bis zu uns fühlen konnte. Alle wollten die diesjährigen Tribute endlich live sehen.

Wir hatten nur Augen für unseren Distrikt und als es endlich soweit war, hörte ich wie Ebro auf meiner einen Seite wütend die Luft einzog und mein Vater genervt seufzte.

Ich verstand warum. Anscheinend wollten die Stylisten die beide als Holzfäller dastehen, auch wenn wir niemals so aussahen. Das war jedoch nicht das schlimmste. Sie wollten hervorheben, dass die beiden Zwillinge waren, was bedeutete, dass sie sich ihre Kleidung teilten.

Malon trug nur eine Latzhose. Kein Shirt.

Doch er war nicht wirklich schlimm.

Malie trug nur ein übergroßes Flanellhemd, welches gerade so ihren Hintern bedeckte.

Sie hielten sich gegenseitig an den Händen und während man in Malons Augen die Wut sah, versuchte Malies ihre Schüchternheit zu verstärken.

Die Rede des Präsidenten hörte ich nicht einmal. Sie war mir ziemlich egal. Es war sowieso jedes Jahr das selbe.

Ich hoffte einfach darauf, dass die Kamera ab und zu noch einmal zu Malon schwenkte, damit ich ihn sehen konnte.

Diese Nacht hielt ich es nicht mehr ohne ihn aus.

Weinend kletterte ich in sein Bett, wo noch ein wenig seines Geruches gefangen war.

Tief atmete ich ihn ein und versuchte mir einzubilden, dass er noch bei mir war.

Irgendwie schaffte ich es sogar einzuschlafen, auch wenn ich nicht wusste, was ich tun sollte, wenn ich am nächsten Tag aufwachen würde.

Malon & Naneah - Die 20. HungerspieleWo Geschichten leben. Entdecke jetzt