Malon & Naneah - Die 20. Hungerspiele | Kapitel 13 Malon

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Ich wurde von den Beinen gerissen und knallte zu Boden.
Doch es war nicht der Schmerz den ich erwartet hatte, und er verschwand auch nicht so wie er eigentlich sollte, wenn man doch tot war.
Langsam öffnete ich die Augen und sah in vertraute, wunderschöne Blaue.
"Naneah?"
"Bist du wahnsinnig?!", brüllte sie mich an und ich zuckte zusammen.
"Was willst du hier?", fragte ich stattdessen, rappelte mich hoch und kniete mich dann vor sie hin.
"Anscheinend dein Leben retten.", meinte sie und rückte ein wenig nach hinten.
Ich sah ihr dabei zu und erst jetzt fiel mir auf, dass ihr Gesicht ganz blau war.
Blutergüsse, als Folgen meiner Schläge. Jeder konnte sehen was ich ihr angetan hatte, wusste nun was für ein Monster ich war.
"Da gibt es nichts zu retten. Bitte geh.", flehte ich.
Ich hatte Angst, dass ich sie am Ende nur wieder verletzen würde, und in der Nähe des Zauns war das noch gefährlicher als sonst schon.
"Hörst du dir überhaupt noch selber zu? Wegen mir verstoße mich und schmeiß mich aus deinen Leben raus aber tu das hier nicht deinen Eltern an. Deine Mutter hat gerade so den Tod deiner Schwester überlebt. Deinen schafft sie nicht auch noch! Und was wird dann aus deinem Vater, mmh? Wenn seine Kinder und Frau weg sind. Denkst du, dass ist es was Malie gewollt hat? Denkst du dafür ist sie gestorben?"
Tränen traten mir in die Augen während ich den Kopf hängen lies.
Sie hatte ja Recht, ich konnte meine Eltern nicht einfach verlassen, das würde Malie mir nie verzeihen. Doch ich konnte einfach nicht mehr, hatte keine Kraft.
"Ich schaffe das aber nicht.", gestand ich leise.
„Nicht alleine. Aber das bist du nicht Malon. Ich helfe dir."
Sofort schüttelte ich den Kopf.
"Nein. Du kannst mir nicht helfen. Außerdem ist das zu gefährlich, für jeden von euch."
„Das werden wir ja sehen und du kannst mir nicht vorschreiben, wo ich mich aufhalte. Aber sei dir einem bewusst. Wenn du diesen dummen Zaun berühren oder dich von irgendeinem Dach stürzen willst, dann mach ich es auch!"
"Nein!", schrie ich sofort. "Bitte. Das könnte ich mir nie verzeihen. Du bist doch alles was..."
Ich hielt inne. So brachte ich niemanden dazu sich von mir fern zuhalten.
"Ich will dich nicht bei mir haben.", log ich stotternd und so schlecht, dass selbst Grandma mir nicht geglaubt hätte.
„Das hättest du dir überlegen müssen, ehe du dich umbringen wolltest. Und jetzt setz deinen Hintern in Bewegung, damit ich dich Zuhause abliefern kann, bevor es komplett dunkel ist."
Komplett dunkel.
Mein Körper spannte sich an und ich merkte wie mir der Schweiß auf die Stirn trat.
Dunkel.
Und ich war im Wald. Genau wie in den Spielen.
Mein Blick verschwamm und ich schlang die Arme um mich, hoffte dass ich dann niemanden außer mir selbst verletzten konnte.
Mein Name wurde gerufen und ich versuchte mich daran zu klammern, während ich wieder mein Bewusstsein zu verlieren schien. Doch ich durfte das nicht zulassen. Ich war allein mit ihr, niemand war hier der sie vor mir retten konnte. Ich musste hier bleiben.
Ich kämpfte mit mir selbst, versuchte die Erinnerung und die Beklommenheit zu verdrängen, doch ich schaffte es nicht.
"Naneah!"
Ich schrie ihren Namen, als könnte ich sie mir damit in mein Gedächtnis rufen und Malie daraus verdrängen, was überraschenderweise einen kleinen Erfolg erzielte.
Angestachelt davon flüsterte ich immer wieder ihren Namen, bis ich sie langsam wieder vor mir sehen konnte.
"Ich bin hier Malon. Komm zurück."
Ich war überrascht die Worte so klar verstehen zu können, klammerte mich jedoch dankbar daran. Und irgendwie schaffte ich es, dass mein Blick wieder klarer wurde und ich langsam zurückkam.
"Malon?"
Ich richtete meinen Blick nach oben und traf den von Naneah. Mein Körper war ausgelaugt, ich fühlte mich erschöpft, doch immerhin hatte ich sie nicht verletzt.
"Ja.", sagte ich, da sie sonst noch den Eindruck hatte, dass ich nicht reagieren konnte.
„Gut.", seufzte sie erleichtert. „Kannst du aufstehen? Wir sollten wirklich gehen."
Ich nickte und hievte mich dann auch schon auf die Beine, ehe ich mich umblickte und versuchte mich zu orientieren. Als ich durch den Wald gerannt war hatte ich nicht auf meine Umgebung geachtet, wusste also nicht wohin ich gelaufen war.
"Komm. Ich weiß wo es lang geht.", sagte Naneah leise und wieder nickte ich.
Ich würde ihr einfach folgen.
Naneah ging vor und ich folgte ihr, sagte dabei jedoch kein Wort. Da sie allerdings auch nicht mit mir sprach, gingen wir schweigend durch den Wald.
Doch worüber hätten wir auch reden sollen?
Wir waren nicht mehr zusammen, hatten uns auch deshalb nicht mehr viel zu sagen.
Es schmerzte unglaublich, ich war immer noch entschlossen dem zu entfliehen, doch für diesen Moment hatte sie gewonnen.
Wir erreichten mein Haus und automatisch blieb ich kurz stehen.
"Danke. Du solltest dich auch auf den Weg machen. Die Sonne...", begann ich und brach dann jedoch ab. Sie würde schon verstehen was ich meinte.
„Und dich deinen Selbstmitleid überlassen? Nichts da. Ich mach dir noch was zu essen. Wegen mir sperr dich in der Weile in deinem Zimmer ein. Ich ruf dich wenn ich fertig bin.", erwiderte sie und verschwand dann auch schon nach drinnen, ohne dass ich ihr widersprechen konnte.
Ich lief ihr hinterher und versperrte ihr dann den Weg in die Küche, da ich nur so eine Chance sah mit ihr reden zu können.
"Du brauchst mir nichts zu Essen machen, ich schaffe das schon."
„Schon mal in letzter Zeit in den Spiegel geschaut? Du bist nur noch Haut und Knochen. Als wenn du dir etwas zu essen machen würdest und jetzt lass mich durch.", befahl sie doch ich rührte mich nicht.
"Ich habe aber keinen Hunger, du machst dir nur unnötige Arbeit.", versuchte ich es weiter.
„Dann hast du wohl Pech, denn ich werde solange hier bleiben, bist du etwas gegessen hast."
Wütend funkelte sie mich an und ich funkelte zurück. Wieso war sie so unglaublich stur? Ich hatte nun mal keinen Hunger und das würde sich auch nicht ändern wenn sie ein 5-Gänge-Menü kochte.
Doch ich wusste dass, wenn sie sich erst einmal etwas in den Kopf gesetzt hatte, man sie nur schwer davon abhalten konnte. Aus diesem Grund seufzte ich geschlagen.
"Bitte, tu was du nicht lassen kannst."
"Geht doch.", meinte sie und wartete bis ich den Weg frei machte, was ich auch grummelnd tat.
Jedoch ging ich nicht in mein Zimmer, wollte dort nicht alleine warten, sondern folgte ihr in die Küche und lies mich auf einen Stuhl nieder.
Dort verschränkte ich die Arme vor der Brust und schmollte ein wenig vor mich hin.
Sie sollte nicht hier sein, sondern zu Hause bei ihrem Vater, in Sicherheit. Es war doch ohnehin schon so schwer für mich, ich wollte nicht, dass ich mich wieder zu sehr an sie gewöhnte, sie noch mehr zu vermissen begann als ich eh schon tat. Sie sollte gehen und mich alleine lassen, das wäre einfacher gewesen.
Sie machte mir ein Sandwich und stellte es, zusammen mit einem Glas Milch, vor mich.
Misstrauisch beäugte ich das Essen und kam zu dem Entschloss, dass ich es nicht essen würde. Ich hatte keinen Hunger, mir wurde schon schlecht wenn ich nur daran dachte etwas zu mir zu nehmen. Aus diesem Grund nahm ich nur das Glas mit der Milch und trank einen Schluck, in der Hoffnung sie damit zu überzeugen, dass ich auch brav essen würde, sie also nicht länger mich dabei beobachten musste.
Doch natürlich hatte ich bei ihr keine Chance, da sie demonstrativ die Arme vor der Brust verschränkte und wartete.
Wieder seufzte ich genervt, ehe ich das Sandwich nahm und einen Bissen hinunterwürgte.
„Wenn es nicht schmeckt, mach ich was anderes aber ich geh nicht, eh es nicht aufgegessen ist. Also wenn du mich loswerden willst, würde ich aufhören herum zu drucksen und es einfach essen."
Sie knurrte mehr als dass sie sprach, wodurch ich ihrer Aufforderung nachkam und alles aufaß, auch wenn ich am Ende Mühe hatte es bei mir zu behalten.
Ich sah zu ihr, wollte gerade irgendwas losbrummen, als ich sah wie sie bedrückt zu Boden starrte.
Unschlüssig überlegte ich was ich sagen oder tun sollte. Früher wäre ich einfach zu ihr gegangen und hätte sie in den Arm genommen, hätte ihr über den Rücken gestrichen und ihr gesagt, dass alles gut gehen würde, doch nun konnte ich das einfach nicht mehr.
Es würde nichts mehr gut werden, dieser Spruch war die reinste Lüge.
Und dennoch konnte ich sie nicht so sehen, wodurch mich meine Beine wie von selber zu ihr trugen. Bevor ich es mir anders überlegen konnte zog ich sie in meine Arme, sehr darauf bedacht alles um mich herum wahrzunehmen um nicht auf Gefahr zu laufen, die Kontrolle zu verlieren.
Kurz lehnte sie sich an mich, ehe sie mich wieder von sich schob. Diese Geste versetzte mir einen Stich, doch dann fiel mir wieder ein, dass wir ja nicht mehr zusammen waren. Also war diese Reaktion nur zu verständlich.
„Okay. Ich halte meine Abmachung.", sagte sie nach einem Blick über meine Schulter und lächelte. „Ich gehe. Morgen früh komm ich wieder und mach dir wieder was."
Sie begann den Teller wegzuräumen und ließ mich ein wenig panisch zurück.
„Geh nicht.", flehte ich, ehe ich mich wieder besser unter Kontrolle hatte. „Also, es ist spät. Da solltest du nicht mehr alleine durch die Straßen laufen. Ich habe doch Gästezimmer."
Eine Weile schien sie zu überlegen, wog vielleicht Vor- und Nachteile ab, ehe sie zu einem Entschluss kam.
„Okay."
Ich konnte nicht sagen wie erleichtert ich war. Sie war zwar nicht bei mir, doch auch nicht so weit weg wie die Tage zuvor. Allein diese Gewissheit half dass ich mich besser fühlte.

Malon & Naneah - Die 20. HungerspieleWo Geschichten leben. Entdecke jetzt