Malon & Naneah - Die 20. Hungerspiele | Kapitel 23 Malon

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Der nächste Monat verging, und langsam fing ich wieder an mein Leben zu genießen.
Ich konnte meine Schmerz und die Erinnerung an die Arena nie ganz abschalten, doch allmählich schaffte ich es damit umzugehen. Jedoch nur dank Naneah.
Wenn ich nachts schreiend aufwachte war sie für mich da, genauso wenn ich mich wieder einmal verlor. Wir gingen nicht mehr in die Stadt, stattdessen versuchte mir Naneah selbst einen Schokoladenkuchen zu backen. Er war nicht derselbe, schmeckte jedoch tausendmal besser. Ich liebte sie mehr als alles andere und wusste nicht was ich ohne sie machen würde, wollte es mir auch gar nicht vorstellen. Nur sie sollte es sein, mit ihr wollte ich auch den Rest meines Lebens verbringen. Aus diesem Grund hatte ich den Entschluss gefasst, ihr einen Antrag zu machen. Keinen meinen Voranträge, auch wenn diese bisher immer sehr positive Auswirkungen hatten, sondern einen echten. Ich würde ihn vorbereiten, wenn ich wieder allein zu Hause war.
Seit Naneah anfing als Lehrerin zu arbeiten war ich nämlich oft alleine zu Hause, und anfangs hatte mir das sehr zu schaffen gemacht. Diese leeren, großen Räume wirkten beinahe beängstigend, weshalb ich nie lange zu Hause blieb sondern immer früh losging um sie abzuholen.Es tat mir gut die Kinder zu sehen, wie sie lachend und ohne Sorgen über den Schulhof rannten, wodurch auch ich lächeln musste. Allerdings tat es auch ein wenig weh, da ich nicht wusste ob ich jemals Kinder haben würde. Denn ich wollte mich immer noch niemanden als Vater zumuten.
„Woran denkst du?", fragte plötzlich Naneah leise und sah mich an.
Verdammt, das konnte ich ihr wohl schlecht erzählen. Deshalb beschloss ich ihr einfach zu sagen was ich immer dachte wenn ich in ihr Gesicht sah.
„Dass du wunderschön aussiehst.", antwortete ich grinsend.
„Daran denkst du gerade?", fragte sie lachend.
„Daran denke ich immer.", korrigierte ich und küsste sie, ehe ich ebenfalls zu lachen begann.
„Sollen wir irgendetwas bestimmtes heute machen?", wollte sie wissend und strich lächelnd über meine Wange.
„Mir ist das egal, solange du dabei bist.", erwiderte ich und schmiegte mich fest an sie.
„Du warst immer noch nicht bei Malie, oder?" Sofort verkrampfte ich.
.„Ich will nicht hin."
„Ich weiß.", sagte sie sanft und strich über meinen Rücken. „Aber irgendwann musst du dich von ihr verabschieden. Dir und ihr zu liebe. Vielleicht kannst du aber auch ein wenig los lassen. Es akzeptieren."
„Kannst du es akzeptieren Naneah? Kannst du sie vollkommen los lassen?"
„Nein Malon. Und das sollst auch du nicht. Die Erinnerung an sie soll nur nicht mehr schmerzen und der erste Schritt dazu ist sie loszulassen.", erklärte sie sanft und ich seufzte
.„Weißt du, es ist nur so, wenn ich ihr Grab nicht sehe, dann erscheint es nicht so endgültig. Zu wissen dass sie tot ist, nie wieder kommt ist die eine Sache, es aber sicher zu sehen...", fing ich an, doch meine Stimme brach.
Zärtlich hauchte sie mir einen Kuss auf den Scheitel und ein wenig entspannte ich mich dadurch.
„Ich weiß. Aber das ist es nun mal. Sie ist Tod. Es zu leugnen wird sie leider nicht wieder bringen. Du musst erst das wirklich verstehen, ehe du sie gehen lassen kannst."
„Ich werde vermutlich heulen und dann ganz unattraktiv auf dich wirken.", versuchte ich und schaffte es jedoch nicht ernst dabei zu bleiben, sondern musste schmunzeln.
„Du wirkst nie unattraktiv auf mich Malon.", meinte sie schmunzelnd.
„Das sagst du jetzt! Wehe du läufst davon!", erwiderte ich und knuffte sie, ehe ich wieder ernst wurde.
„Ich habe eh keine andere Wahl, oder?"
„Nein, hast du nicht.", flüsterte sie und hauchte mir wieder einen Kuss auf den Scheitel. „Und ich lauf nicht weg. Niemals. Das solltest du mittlerweile wissen."
„Bekomm ich danach Kuchen?", fragte ich und stand geschlagen auf, während ich sie mit mir zog.
„So viel du willst.", versprach sie und kuschelte sich an meine Seite, woraufhin ich einen Arm um sie legte. Danach gingen wir los in Richtung Friedhof.
Doch je näher wir kamen, desto größer wurde der Druck in mir und meine Schritte verlangsamten sich. Ich wollte nicht an ihr Grab, hatte zu sehr Angst davor, was der Anblick mit mir machen würde. Aber Naneah hatte Recht.Ich würde erst befreiter sein, wenn ich Malie endlich gehen lassen konnte. Vielleicht war das auch der Grund, weshalb ich ihr noch keinen richtigen Antrag gemacht habe? Weil das noch im Weg stand, mich zu sehr belastete, und ich deshalb noch nicht ganz offen war?
Egal was es war und welche Auswirkungen es hatte, ich musste es endlich hinter mich bringen.
„Du darfst meine Hand nicht los lassen.", bat ich, als ich das Tor des Friedhofes durchschritt.
Als Antwort legte sie auch ihre zweite Hand auf unsere ineinander verschlungenen Hände, doch langsam nahm ich ihre Berührungen nicht mehr war. Wie in Trance ging ich den Weg entlang, versuchte den aufkommenden Schmerz so gut wie möglich zu unterdrücken. Meine Kehle schnürte sich zu, als wir langsam in die Richtung der Gräber kamen, in denen die gefallenen Tribute lagen.
Eine Stimme in mir schrie, dass ich weglaufen sollte, doch ich konnte mich nur in eine Richtung bewegen. Die frischen Blumen an einem der Gräber ließen hinderten mich daran auch nur den Blick davon abzuwenden und schienen mich magisch anzuziehen, auch wenn ich wusste welchen Schmerz sie mir gleich bringen würden.
Tränen traten in meine Augen, während ich ganz langsam näher kam und schließlich vor dem Grab hielt. Mein Blick wanderte den Stein entlang, bis er an einzelnen Buchstaben hängen blieb, die sich nur sehr langsam zu einem Namen zusammensetzten. Malie Willen. Im nächsten Moment gaben meine Beine nach.
Naneah bremste mich, sodass ich nicht allzu fest mit den Knien aufschlug, und schmiegte sich dann auch schon fest an mich. Ich legte meinen Kopf auf ihre Schulter, jedoch nicht ohne den Blick vom Grabstein abzuwenden.
Sie war tot. Lag ihr begraben. Und sie würde nie wieder zu mir zurückkehren.
„Ich vermisse sie so.", gestand ich nach einer Weile, während die ersten Tränen über meine Wange rollten.
„Ich weiß Malon", flüsterte sie, „Ich weiß. Sie fehlt mir auch."
„Und ich hasse das Kapitol. Wieso nur tun sie uns das an? Wieso wollen sie uns so leiden sehen?"
„Damit wir daran erinnert werden, dass sie Stärker sind."
Darauf erwiderte ich nichts mehr, da ich wusste dass sie Recht hatte. Sie waren stärker und wir konnten nichts dagegen tun.
Vorsichtig streckte ich meine Hand aus, berührte damit den Schriftzug auf den Stein. Das hier, ein eingemeißelter Name, war alles was von meiner Zwillingsschwester übrig geblieben ist. Nicht mehr.
Dieses Jahr würden sich die Menschen noch an sie erinnern, doch in ein paar Jahren, wenn weitere Kinder aus unserem Distrikt gefallen waren, würde sie niemand mehr kennen. Dann wäre sie einfach nur ein toter Tribut.
Doch für mich, für mich würde sie so viel mehr sein. Vergessen würde ich sie nie können, denn sie war und ist immer ein Teil von mir. Solange ich lebte und sie in meinem Herzen behielt würde sie auch sonst niemand vergessen. Dafür würde ich sorgen.
„Können wir gehen?", fragte ich nach einer Weile.
„Sicher.", flüsterte sie und wir standen auf.
Während wir gingen blickte ich mich nicht noch einmal um.
Malie war tot und auch wenn ich es mir noch so wünschte, es würde sich daran nichts ändern. Doch ich war hier bei ihr gewesen und hatte nun einen Ort gefunden, an dem ich ihr nahe sein konnte. Und als ich nun ging, fühlte es sich nicht an als würde ich sie verlassen. Ich würde wieder kommen, es war also nur ein „Bis bald".

Malon & Naneah - Die 20. HungerspieleWo Geschichten leben. Entdecke jetzt