Kapitel 11

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Die Sonne nähert sich schon dem Horizont und taucht die Landschaft in ein wunderschönes und warmes Licht. Die vorherrschenden Gelb- und Orangetöne sind wohltuend für die Seele. Es kommt in mir die Hoffnung auf, als würde alles gut werden. Ein überraschend starker Optimismus ergreift von mir Besitz.

Ich kann kaum glauben, dass ich noch am Morgen einen Kampf auf Leben und Tod ausgefochten habe, dass wir knapp ein Dutzend Männer in den Tod gestürzt haben. Doch der Rest des Tages ist zum Glück friedlich verlaufen, offenbar ist uns niemand gefolgt.

Ich bin zwar immer noch auf der Hut und ich merke, dass auch Pascal seine Aufmerksamkeit keinen Moment sinken lässt, aber die übrigen drei Mitglieder unserer Reisegruppe scheinen beinahe übermütig zu sein.

Lili entfährt ein lautes Juchzen, als wir in der Ferne die Burg Sonnenfels erblicken. In dem Moment ist mir klar, woher sie den Namen hat. Sie liegt auf einem Felsen in der untergehenden Sonne, wird wunderschön angestrahlt und thront über dem Tal. Es scheint ein ausgesprochen mächtiges Bauwerk zu sein.

Frohen Mutes legen wir die letzte Strecke zurück und erreichen etwa eine Stunde später unser Ziel. Vor einem mächtigen Burgtor zügeln wir unsere Pferde und steigen ab. Entschlossen gehe ich auf das schwere, hölzerne Tor, das mit mächtigen Eisenbeschlägen versehen ist, zu und betätige den gewaltigen Klopfer. Ich höre ein dumpfes Geräusch.

Wenig später wird eine kleine Luke geöffnet und ein Wachmann schaut heraus. Von seinem Gesicht sehe ich nur die Augen, da er seinen Helm trägt.

„Was ist Euer Begehr?", erkundigt er sich gelangweilt.

„Wir möchten zu Graf Sonnenfels."

„Der ruht sich gerade aus."

„Sollen wir hier warten bis er ausgeschlafen ist?", frage ich genervt.

„Das könnt ihr halten, wie ihr wollt", grinst der Mann.

Zu meiner Überraschung schlägt er die Luke wieder zu und lässt mich einfach stehen. Ich schaue mich verwundert zu meinen Begleitern um. So etwas ist mir noch nie untergekommen.

Samantha, die den Vorfall genau mitbekommen hat, da sie direkt hinter mir ist, bläst erbost die Luft aus. Dann geht sie mit energischen Schritten auf das Tor zu und schlägt den Eisenklopfer mit solcher Wucht gegen das Holz, dass es dahinter im Hof laut dröhnen muss. Diesmal geht die Luke schneller auf.

„Was ist noch?", meldet sich der Wachmann erneut. Sein Ton ist noch unfreundlicher als zuvor schon.

„Hör mal, du ungehobelter Klotz, Graf Sonnenfeld ist der Patenonkel meiner Schwester, ich bin Lady Samantha von Aarenberg und wenn du nicht sofort deine Füße in die Hände nimmst und jemanden holst, der entscheiden kann, ob wir eingelassen werden oder nicht, dann wirst du höchstens noch in der Küche Kartoffeln schälen. Hast du mich verstanden?", brüllt sie ihn an.

Ich kann beobachten, wie der Mann immer mehr den Kopf einzieht und schon, bevor Samantha geendet hat, das Tor öffnet. Ihr Auftritt scheint definitiv mehr Eindruck hinterlassen zu haben als meiner. Ist auch kein Wunder, sie ist es als Grafentochter eher gewohnt, sich durchzusetzen. Ich bin ja nur eine kleine Magd. Trotzdem hätte ich ihr nicht so viel Entschlossenheit zugetraut.

„Verzeiht Lady Samantha", meint ein anderer Wachmann. „Wir wussten nicht, dass Ihr es seid. Natürlich verständigen wir sofort den Herrn Grafen."

„Geht doch!", meint meine Freundin.

Ohne weiter auf das, was der zweite Wachmann gesagt hat, einzugehen, marschiert sie durch das Tor und über den Hof auf den Eingang zu. Unterwegs kommen drei Stallburschen und sie drückt einem von ihnen wie nebenbei die Zügel ihres Pferdes in die Hand.

Legenda Major - Gerneratio proximaWo Geschichten leben. Entdecke jetzt